Digital Detox – Warum Abschalten ein guter Vorsatz fürs neue Jahr ist

1. Januar 2017 - von Daniela Otto - 22 Kommentare

Digital Detox - Warum Abschalten ein guter Vorsatz fürs neue Jahr ist

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Dr. phil. Daniela Otto. Sie ist Literaturwissenschaftlerin und beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Vernetzung. 2016 hat sie den Ratgeber Digital Detox – Wie Sie entspannt mit Handy & Co. leben veröffentlicht. Sie lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Universität Augsburg und freut sich über Studenten, die während der Vorlesung nicht aufs Handy schauen.

Weihnachten ist vorbei. Normalerweise sollten ja zu dieser Zeit nur die Glocken süß klingen – doch wetten, dass auch Dein Handy fleißig gebimmelt hat! Wenn Du wie so viele andere gestresst ins neue Jahr startest, ist das ein guter Anlass, etwas zu ändern. Doch wie soll das gehen? Mit Digital Detox, einem Lebensstil, der wieder Ruhe in Deinen Alltag bringt.

Es ist lange her, dass die besinnliche Zeit noch besinnlich war. Wenn ich zurückdenke, war es bei mir persönlich das letzte Mal in der Grundschule so. Ich erinnere mich daran, wie wir im Klassenzimmer Kerzen angezündet, Plätzchen gegessen und der Lehrerin beim Vorlesen einer Weihnachtsgeschichte zugehört haben. Es lag etwas in der Luft, die Vorfreude auf ein in unserer Kultur tief verankertes religiöses Fest, aber noch etwas anderes, das ich heute, aus der erwachsenen Reflexion heraus, klar als Ruhe ausmachen kann.

Diese Ruhe oder auch Stille ist den meisten von uns abhanden gekommen. Das ist kein Wunder, denn wenn wir einmal dabei sind runterzukommen, wartet bestimmt schon der nächste Anruf, die nächste E-Mail, die nächste SMS oder die nächste WhatsApp-Nachricht auf uns. Der digitale Lärm, bestehend aus ständigem Klingeln, Vibrieren und Plingen, ist unüberhörbar geworden und schreckt uns immer wieder auf.

Wie wichtig jedoch das innere Abschalten innerhalb unserer zum Burnout neigenden Gesellschaft geworden ist, kann nicht genug betont werden. Es ist nicht nur wichtig, sondern unabdingbar für jeden, der gesund, glücklich und ausgeglichen durchs Leben gehen möchte.

Doch wie soll das Abschalten funktionieren? Viele wollen es, aber wissen nicht genau, wie sie es schaffen sollen, wenn sie für den Chef genauso permanent erreichbar sein müssen wie für Freunde, Partner und Familie. Die Lösung: Digital Detox.

Digital Detox ist ein Lifestyle, der langsam aus der USA zu uns nach Deutschland kommt. Die Idee dahinter ist so simpel wie grandios: Wer öfter und gezielt seine digitalen Medien abschaltet, gewinnt dauerhaft an Lebensqualität. Dabei geht es nicht nur darum, einfach den Off-Schalter zu drücken, sondern ganz bewusst sein eigenes Mediennutzungsverhalten zu beobachten und digitale Stressquellen zu minimieren.

Wie das konkret geht? Zunächst ist Reduzieren das Motto: Nicht jeder Newsletter ist sinnvoll, nicht jede Eilmeldung wichtig, nicht jeder Klingelton ein Muss. Wer ordentlich ausmistet und die Einstellungen entsprechend anpasst, unnütze Apps löscht und seine Kontakte aussortiert, hat schon viel dafür getan, dass er nicht permanent in seiner Ruhe gestört wird.

Doch Digital Detox ist vor allem eine Haltung: Es geht darum, sich mental gegen den digitalen Stress zu wappnen und sich nicht unter Druck setzen zu lassen, wenn z. B. noch fünfzig E-Mails und WhatsApp-Nachrichten unbeantwortet sind. Hier ist Disziplin erforderlich. Wir sind inzwischen so darauf konditioniert sofort aufzuschrecken, wenn das Handy klingelt, dass wir kaum mehr gelassen damit umgehen können. Für eine Life-Media-Balance ist aber genau das unerlässlich. Wer eine neue Distanz zum üblichen Kommunikationsstress gewonnen hat und sich darauf besinnt, dass er antworten kann, wann er will, und nicht ständig erreichbar oder gar verfügbar sein muss, wird wesentlich glücklicher durchs Leben gehen. Die zurückgewonnene Autonomie befreit spürbar.

Wer effektiv digital abnehmen möchte, sucht sich am besten eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Loslegen kann man jederzeit. Schon kleine Veränderungen helfen – etwa offline in den Tag zu starten oder das Handy beim Spaziergang daheim zu lassen. Wer besonders effektiv digital entgiften will, bleibt für mindestens 24 Stunden virtuell abstinent.

Das lohnt sich übrigens tatsächlich. In Studien wurde nachgewiesen, dass eine solche Auszeit von Smartphone & Co. die Körperhaltung verbessert (man schaut nicht mehr ständig aufs Display, sondern wieder mit offenen Augen und erhobenen Hauptes die Welt an), die Empathiefähigkeit steigert (wer nicht nebenbei liest und schreibt, hört anderen besser zu), guten Schlaf fördert (das helle Licht der Displays unterdrückt das Schlafhormon), die Kreativität verbessert (wer nicht googelt, nutzt sein Hirn) und wieder Lust auf das richtige Leben macht (denn das findet nicht im Internet statt).

Wer abschalten und ankommen will, sollte also vor allem eines tun: Möglichst oft ausschalten.

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22 Kommentare für “Digital Detox – Warum Abschalten ein guter Vorsatz fürs neue Jahr ist”

  1. Hallo! Frohes Neues und danke für diesen tollen Artikel, Daniela und Christof. Diesen Vorsatz nehme ich mir zu Herzen. „Offline ist das neue Online“ hast du mal woanders geschrieben, Christof. Liebe Grüße Eure Lucia

    1. Liebe Lucia,

      vielen Dank für Deine Nachricht! Schön, dass Dir der Artikel gefällt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Digital Detox das Leben in vielerlei Hinsicht bereichert. Ich hoffe daher sehr, dass auch Dir der Vorsatz, öfter mal offline zu sein, viel Freude im neuen Jahr bringt.

      Herzlich,

      Daniela

  2. Guter Text.
    Nebst dem Vorschlag, das Handy auch mal zu Hause lassen oder, was auch eine Idee ist, es in der Wohnung nicht dauernd bei sich zu haben, hilft es mir sehr, dass ich all die Zwitscher – und Klingeltöne abgeschalten habe, abgesehen natürlich die von eingehenden Anrufen. So krieg ich gar nicht mit, dass ich zum Beispiel bereits wieder 5 Nachrichten auf WhatsApp habe. Das merke ich irgend wann mal, wenn ich das Handy eh zur Hand nehmen muss, weil ich selber jemandem schreiben will.

    1. Lieber Franz,

      vielen Dank für diesen tollen Hinweis! Stimmt absolut. Die Ruhe kehrt dann wieder, wenn man die Lärmquellen ausschaltet. Das danken einem übrigens auch die Mitmenschen in Bus, Bahn, Café oder wo auch immer. Jeder Signalton unterbricht uns nicht zuletzt in unserer Konzentration – und es dauert, bis wir wieder im Flow sind.

      Herzlich,

      Daniela

  3. Hallo Daniela, hallo Christof,

    vielen Dank für den Artikel. Ich habe ebenso wie Franz alle Handytöne außer für Anrufe ausgestellt. Das funktioniert gut solange man sich diszipliniert nicht zu oft nachzuschauen ob eine Nachricht eingetroffen ist. In letzter Zeit habe ich gefühlt wieder etwas zu oft nachgesehen. Ich nehme den Artikel zum Anlass wieder bewusster mit dem Handy umzugehen. Vielen Dank und ein frohes neues Jahr!

    Herzliche Grüße,
    Sinja

  4. Liebe Sinja,

    auch Dir ein frohes neues Jahr! Das Schöne – und Verrückte – ist ja, dass man keine Angst davor haben muss, etwas zu verpassen, wenn man das Handy weglegt. Viele Zwänge sind selbstauferlegte Zwänge und von diesen kann man sich mit Achtsamkeit und Disziplin befreien. Muss ich wirklich sofort antworten? Muss ich wirklich immer erreichbar sein? Muss ich wirklich jede Eilmeldung aufs Handy bekommen? Die Antwort ist verblüffend einfach: Nein.

    Herzlich,

    Daniela

  5. Das ist ja der Hammer!
    Zunächst glaube ich bei diesem Artikel es handelt sich um versteckte Satire oder ein Scherz. Jetzt benötigen wir schon „Digital Detox“ und wissenschaftliche Artikel wo eigentlich der gesunde Menschenverstand ausreichen sollte. Wie jedoch die Antworten auf diesen Artikel zeigen, scheint das Phänomen Handy, Facebook, WhatsApp und Co. argen Suchtcharakter zu tragen. Viel mehr als ich angenommen habe. Ich fürchte um unsere Zukunft!

    Gruß Leo

  6. Lieber Leo,

    vielen Dank für Deine Nachricht. Leider ist es kein Scherz: Handysucht ist zu einem ernstzunehmenden Problem geworden, vor allem bei Jugendlichen. Das belegen auch die Statistiken: Inzwischen besitzen über 90 Prozent der befragten 12- bis 13-Jährigen ein Smartphone, die meisten Menschen checken ihr Handy mindestens 80 Mal am Tag. Fast die Hälfte der Handynutzer gibt an, direkt mit einem Mobiltelefon neben sich zu schlafen, um auch nachts keine Anrufe zu verpassen. Es wäre schön, wenn der Menschenverstand alleine ausreichen würde, um zu einem gesunden Mediennutzungsverhalten zurückzufinden. Doch um zu verstehen, was wirklich hinter Handysucht steht, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir online sind und Lösungen zu finden, braucht es manchmal eben die Wissenschaften. Zum Beispiel können neurologische Untersuchungen belegen, dass sich unsere Gehirnstrukturen verändern, wenn wir viel online sind. Sehr zu empfehlen ist hierzu der Artikel „Is Google making us stupid?“ von Nicolas Carr.

    Herzlich,

    Daniela

    1. Liebe Daniela,
      zunächst vielen Dank für Deine Antwort. Selbstverständlich stimme ich Dir bei Deiner Argumentation vorbehaltlos zu. Bei stoffungebundenen Süchten wie Handy- oder Internetsuchtsucht treten alle Suchtcharakteristika in der entsprechenden Bandbreite auf. Mich erschreckt vielmehr das Ausmaß der Sucht. Hatte ich bisher angenommen, dass es sich eher um ein untergeordnetes Problem handelt, so haben mich doch die Blogkommentare überrascht. Leider sehe ich auch kein Licht am Ende des Tunnels. Die zunehmende Digitalisierung, mediale Überreizung, beschleunigtes Wachstum – alles wunderbar vorgelebt durch unsere Gesellschaft – befeuert das Problem nur noch.

      Gruß Leo

  7. Ein super Artikel!
    Nur irgendwie verstehe ich ihn nicht ganz… ;)
    Mein Handy hat außer dem Wecker und dem Klingelton keinerlei Geräusche das es von sich gibt. Wer schon mal geflogen ist, kennt das Pfeiffkonzert nach der Landung :/
    Das brauche ich nicht, eher den Flugmodus, der eine geniale Erfindung ist!

    In diesem Sinne, eine gute dauerhafte digital Detox Zeit
    Daniel

  8. Lieber Daniel,

    klingt nach einem minimalistischen Handy (oder minimalistischen Einstellungen)! Finde ich gut. Bei den meisten rauschen aber die E-Mails lautstark ein, die SMS plingen und die Anrufe klingeln. Früher gab es ja noch Werbungen von Fluglinien, in denen das „endlich mal unerreichbar“-Gefühl über den Wolken angepriesen wurde. Inzwischen gibt es sogar in der Luft, zumindest auf den meisten Langstrecken, WLAN … quasi für alle, die das Pfeifkonzert schon während des Fluges brauchen.

    Herzlich,

    Daniela

  9. Euch allen wünsche ich ein gesundes gutes neues Jahr mit vielen tollen Momenten!

    Im April 2016 entdeckte ich diesen Blog, damit begann eine wunderbare Entdeckungsreise für mich. Schon nach einer Woche deinstallierte ich Whatsapp (ich vermisste es gerade zwei drei Tage), nach ein paar Monaten kündigte ich meinen Handyvertrag (habe jetzt nur ein Prepaid-Handy), mistete meinen Schrank und Bücher aus, kündigte Abos und überdachte einige Beziehungen und Pfichten. Und esse immer häufiger vegan. Vom Herzen ein großes DANKE !!!!

  10. Lieber Christof, liebe Daniela,

    ein wunderbarer und wichtiger Text – ich glaube, man unteschätzt die Wirkung eines Digital Detox so lange, bis man ihn einmal selbst für sich begonnen hat.
    Ich habe auch lange in der Flut der Nachrichten gelebt und konnte es gar nicht abwarten, allen immer und sofort zu antworten – bis ich gemerkt habe, dass es mich so unglaublich gestresst hat, dass ich mich auf nahezu nichts anderes mehr konzentrieren konnte.
    Mittlerweile bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass ich antworten kann, wann ich möchte (es sei denn, es handelt sich um einen Notfall) und dass das nicht negativ-egoitisch ist, sondern schlicht und ergreifend gesund.

    Ich wünsche euch einen wunderbaren Start ins neue Jahr!

    Liebe Grüße
    Jenni

    1. Liebe Jenni,

      vielen Dank für Deine Meinung! Was Du beschreibst, stimmt absolut: Man muss Digital Detox selber ausprobieren, damit man spürt, wie heilsam es ist. Und vor allem muss man es konsequent machen, nicht dem Drang nachgeben, doch noch schnell die Mails zu checken oder doch noch schnell zu schauen, was die anderen gepostet haben. Es geht auch ohne – und zwar wunderbar. Schön, dass Du die Kommunikationshoheit behältst, die haben nämlich leider viele verloren.

      Herzlich,

      Daniela

  11. Hallo Ihr Beiden,
    ich habe inzwischen auch gemerkt, dass ich ein bisschen runterfahren muss, obwohl ich sicher noch moderat im Gebrauch bin.
    Aber meine Wanderungen mache ich nicht mehr ohne, ich hab es schon mehrfach gebraucht um Hilfe für andere zu holen. In unserem Freundeskreis hat es auch schon mal einen schweren Hirnschaden gegeben, weil das Handy nicht dabei war. So etwas prägt! (Deshalb hatte ich mir mein erstes angeschafft)
    Man kann es aber wunderbar im Rucksack lassen und es eben nur für den Notfall rausholen ?
    Herzliche Grüße
    Annette

    1. Liebe Annette,

      vielen Dank für diesen Kommentar. Du sprichst einen sehr wichtigen Punkt an: Sicherheit. Natürlich sind digitale Medien, allen voran das Handy, nicht nur schlecht, im Gegenteil. Sie haben viele Vorteile, in dem von dir geschilderten Fall können sie sogar Leben retten.

      Auffallend ist, dass wir uns inzwischen aber auch in ganz normalen Alltagssituationen ohne das Smartphone unsicher, ja fast verloren fühlen. Im Café, in der Uni, in der Arbeit lauern (im Normalfall) zum Glück keine großen Gefahren (und es sind Menschen um einen herum, die ansonsten helfen könnten). Trotzdem hat man das Gefühl, ohne digitale Begleiter alleine und hilflos zu sein. Hier kann man achtsam mit sich selbst in Kontakt treten und sich fragen, ob man sich selbst nicht genügt, ob es wirklich Medien braucht, um sich sicher zu fühlen.

      Herzlich,

      Daniela

  12. Hallo,

    ich habe zwar ein Smartphone, aber das ist meistens lautlos gestellt bzw. im Flugmodus. Ich schaue auch nicht immer drauf.

    Ich bin “noch” 20.

  13. Oh ja – Weihnachten in der Grundschule … was für ein Genuss! Mit einem Tannenzweig, einer echten Kerze oder einem Teelicht auf dem Tisch, Plätzchen und einer Geschichte! So so wundervoll war das! Jahrelang hatte ich das nicht mehr; aber dann vor zwei Jahren auf der Mutter-Kind-Kur (wir haben gelesen, gebastelt, Plätzchen gebacken, Spiele gespielt, gemeinsam gemalt, waren auf dem Weihnachtsmarkt, haben Weihnachtsfilme gesehen, die Plätzchen natürlich auch gegessen, Karten geschrieben u.ä.) … da war es dann mal wieder – das Weihnachtsgefühl!

    Liebe Grüße von Annika

  14. Was mich total nervt, sind die häufigen Anrufe meiner Schwiegermutter! Und besonders schockiert war, als ich vor ein paar Tagen beim ausmisten las, dass es mich schon 2003 genervt hat (4 Jahre vor der Hochzeit und noch vor den Kindern!).

    Liebe Grüße

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