Minimalismus im Kopf – 4 Wege, die immaterielle Wohnung aufzuräumen

24. September 2018 - von Johanna Katzera - 21 Kommentare
Minimalismus im Kopf – 4 Wege, die immaterielle Wohnung aufzuräumen

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Johanna Wagner. Ihr drittes Buch Verlauf‘ dich nicht ist ein „Wegweiser für ein einfaches und bewusstes Leben“.

Während wir den materiellen Ballast relativ einfach abwerfen können, ist das innere Aufräumen ein Prozess. Wenn Dir manchmal alles über den Kopf wächst, obwohl Du einfach und bewusst lebst, Deine Wohnung sortiert und Dein Tag klar strukturiert ist, hast Du bislang vielleicht diesen Aspekt des Reduzierens vernachlässigt.

Der Reizflut von außen einen Staudamm bauen

Ich liebe das Ausmisten und die dadurch entstehende Klarheit. Wenn man die Dinge bewegt, bewegt sich etwas, das habe ich schon oft erfahren. Für mich greift eine einfache Lebensweise aber inzwischen tiefer. Spätestens, wenn alle Schränke sortiert und alles Gerümpel entfernt ist, lohnt es sich, mit dem Ausmisten eine Etage tiefer zu gehen – nicht in den Keller, sondern in sich selbst hinein – um dort mit dem Minimalismus zu beginnen: Wir können materiell unseren Körper und immateriell unseren Geist entgiften, also auch das sortieren, was wir nicht sehen. Was sich Tag für Tag nicht vor, sondern hinter unseren Augen abspielt: Unsere Gedanken.

Indem wir alte Glaubenssätze gehen lassen, der Reizflut von außen mal einen Staudamm bauen und überprüfen, was die innere Stimme uns suggeriert, sorgen wir für Minimalismus im Kopf. Das bedeutet, diesen als Wohnung des Geistes zu begreifen und auch hier Schritt für Schritt zu ordnen. Wahrnehmen, beobachten und hinterfragen: Was brauche ich eigentlich von dem, was sich dort oben abspielt? Was tut mir gut? Und: Habe ich überhaupt noch den Durchblick, oder blicke ich längst durch alles hindurch, weil ich in meinem Kopf noch nie wirklich aufgeräumt habe?

Ununterbrochen saugt er Reize aus der Außenwelt und unserer inneren Welt auf, während wir nur selten seinen Teppich saugen. Wenn sich längst Überholtes als Staub ablagert, wir voll gedankenloser Gedanken und unsere Muster zum Müssen geworden sind, lohnt es sich, auch in unserem Geist zu reduzieren und uns aufs Wesentliche zu zentrieren. Nur wer einen Fokus – Ruhe und Ordnung im Kopf hat, kann beherzt handeln.

Es folgen vier Ideen, wie Minimalismus anstelle von Überfluss in die Wohnung des Geistes einzieht.

1. Die Haustür schließen // Den Input reduzieren

Smartphones, Internet, TV und Werbungen werfen ständig ihre Netze aus, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln und neue Bedürfnisse zu entfachen. Ungefragt prasselt auf uns ein, was uns oft nicht einmal interessiert. Klar ist die Welt oft reizvoll – doch manchmal ist sie nur voller Reize. So, wie Deine Wohnung nur aufgeräumt ist, wenn Du sie putzt, wird unsere Welt nur dann leise, wenn wir dafür sorgen.

Zu Hause lassen wir die Tür ja auch nicht für jeden offenstehen. Und genauso braucht unser Kopf den Rückzug. Sei es, indem wir die Türen schließen und mit geschlossenen Augen und Ohren mal nur uns selbst zuhören oder bewusst wählen, womit wir unsere Sinne füttern. Multitasking ist Chaos für den Geist; Singletasking ein Geschenk. Beschenke Dich und füttere Deine Sinne nicht wahllos, sondern gewählt.

Tipp für Minimalismus im Kopf: Schalte ab und schalte ab. Entwickle medienfreie Zeiten als Ritual und reduziere so den feinstofflichen Müll. Nur aus der Stille kann Großes wachsen und in der Ruhe Erlebtes sich ordnen.

2. Geländer abbauen // Alte Glaubenssätze loslassen

Glaubenssätze sind einst gelernte und für richtig erachtete Strukturen, die unserer Wahrnehmung eine Zeitlang als Gerüst dienen, die Wirklichkeit jedoch später oft verzerren. Während wir sie als Kind beim wackeligen Versuch das Laufen und Leben zu lernen zum Festhalten brauchten, stehen wir heute sicher auf beiden Beinen – und halten uns dennoch am Überholten oder Unwahren fest. Dabei sind wir frei! Wir dürfen die Geländer und Gerüste abbauen. Platz schaffen. Freiheit neu erfinden. Und dann uns selbst. Und unseren eigenen Weg ganz ohne Geländer selbstbewusst gehen.

Indem wir unsere Gedanken-Gänge erkennen, können wir unsere Kopf-Flure sortieren – das ist Aufräumen im Kopf.

Tipp für Minimalismus im Kopf: Werde Dir Deiner Gedankenmuster und Glaubenssätze bewusst und lass sie los. Löse Dich von den Zwängen, die Dich einengen, ohne dass Du es bemerkst. Ersetze sie durch wohlwollende Affirmationen, durch einfache, klare und positiv formulierte Sätze, die Deine Entwicklung fördern und Dir im Heute entsprechen. Stelle dann fest, wie frei Du bist. Affirmationen können Dir helfen, Blockaden zu lösen und festgefahrene Gedankenstrukturen zu entfernen bzw. neue positive und inspirierende Gedankenmuster zu schaffen.

3. Das Licht anmachen // Die Sorgen ausschalten

Im Modus des Autopiloten fahren wir oft ohne Licht durch das Leben. Ein Vorurteil hier, eine negative Annahme dort; hier ein Vergleich und dort eine pessimistische Erwartungshaltung. Viele unserer Gedanken wohnen als Sorgen in unserem Kopf – und ziehen nie aus. Das heißt, sie realisieren sich nicht, sondern machen es sich bei uns gemütlich. Sie warnen, hämmern Bilder oder bohren Gedanken in die Wände fest und lassen es ständig laut sein. Taub für anderes, sehen wir manchmal am Zauber des Lebens vorbei, weil die Sinne schon besetzt sind.

Eine minimalistische Geisteshaltung bedeutet, das Licht einzuschalten, damit es hell wird und wir mithilfe der Achtsamkeit zunächst sehen können, was in unserem Kopf vor sich geht. Ob ständiges Jammern, Grübeln oder Fordern: Wer immer anderes oder stets mehr will, übersieht das bereits Vorhandene. Sei dankbar für das, was ist. Hol Deinen Geist aus dem Keller heraus, öffne die Fenster, lass frischen Wind herein und zünde anschließend eine Kerze an, denn in einem erleuchteten Haus lebt es sich klarer und heiterer.

Tipp für Minimalismus im Kopf: Entscheide Dich, das Jetzt durch einen positiven Filter zu betrachten. Lass Vergangenes Dich prägen, aber nicht beherrschen. Wirf den psychischen Ballast ab, lass los, was Dir nicht guttut und steig in Gedanken zu den Sternen auf.

4. Die Schränke sortieren // Aufgaben notieren

Wie sich Kleidung, Magazine, Kinderspielsachen, Wollknäule usw. scheinbar ganz ohne unser Zutun in der Wohnung verteilen, verbreiten sich auch die Gedanken in alle Richtungen, wenn wir sie nicht sortieren. Hier eine unerledigte Aufgabe, da ein Termin; bis morgen ein Geschenk besorgen, sich sorgen, ob es den Freund pünktlich erreicht. Chaos im Kopf vermeidet Fokus im Handeln. Es hilft, alle Vorhaben zunächst aufzuschreiben. Schon das Notieren verschafft Freiraum und Entspannung, weil nun nichts mehr entfallen und unser Geist sich auf das augenblicklich Wichtige konzentrieren kann.

Tipp für Minimalismus im Kopf: Nutze ein kleines Buch und notiere darin die Dinge, die Du nicht vergessen möchtest – von der Einkaufsliste, über die noch zu tätigen Anrufe bis hin zum Songtext, den Du nach Feierabend bei einem Glas Wein mitlesen möchtest, während Dein aktuelles Lieblingslied läuft. Schreibe alles in das Notizheft. So entsteht kein neues Durcheinander durch viele kleine Zettel, Du vergisst nichts und kannst Dich später am Erledigten erfreuen. Vademecum (lateinisch: „Gehe mit mir!“) nennt man solch ein Büchlein, das in jeder Tasche Platz findet, sodass man es immer mit sich führen kann – ein Begleiter, den ich nicht mehr missen möchte.

Wer minimalistisch denkt, hat nicht weniger, sondern mehr im Kopf

Minimalismus im Kopf gehört für mich zu einem einfachen Lebensstil nicht nur dazu – jene Geisteshaltung ist inzwischen vielmehr der Anker zur Ausrichtung einer solchen Lebensweise. Sie erfordert Positionierung, Hinschauen und Arbeit und belohnt mit Entwicklung, Klarheit und Fokus. Nur wer innerlich aufgeräumt ist, kann das Chaos im Außen wahrnehmen – und andersherum. Mach Dich auf den Weg: Geh die Gänge Deiner Gedanken ab, sauge Staub, putz die Fenster und lüfte durch. Reduziere und werde dadurch viel mehr als Du schon bist: Viel mehr Du selbst. Mit viel mehr Raum, Durchblick und Übersicht.

Viel Freude dabei.

Johanna Wagner hat auf Einfach bewusst bereits die Gastartikel Wir sind doch nie zufrieden und Zurück zu den Wurzeln und mit den Händen mal wieder die Erde berühren veröffentlicht.

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21 Kommentare für “Minimalismus im Kopf – 4 Wege, die immaterielle Wohnung aufzuräumen”

  1. Ein schöner Text. Ich habe die Texte von Johanna immer sehr gerne auf mymonk gelesen. Schön, dass sie nun hier schreibt. Ihre Bücher klingen interessant, da werde ich mir mal das ein oder andere zulegen.
    Lieben Gruß Sabrina

  2. Hallo Christof, ich mag deine Texte sehr, weil sie stets deine Überzeugung und Erfahrung wiederspiegeln und voller guter Ratschläge sind. Ich finde es aber auch toll, dass Du anderen hier eine Plattform bietest – sei es uns Kommentierenden oder anderen Autoren.

    Hallo Johanna, danke für diesen wirklich wertvollen Text. Alle beginnen mit dem Ausmisten des Kleiderschranks. Vielleicht sollten wir erst mal im Kopf ausmisten.

    Liebe Grüße, Eure Lucia

    1. Liebe Lucia,

      ja, das innerliche und äußerliche Ausmisten greift sicher Hand in Hand. Aber das Innen nicht zu vergessen, ist meiner Ansicht nach sehr wichtig, da wir ohnehin die überwiegende Zeit im Außen sind. Es gehört viel Achtsamkeit dazu, regelmäßig nach innen zu kehren…

      Liebe Grüße,
      Johanna

  3. Ein wirklich herrlich zu lesender Artikel mit wunderbaren Denkanstößen. Vielen Dank dafür, das Lesen war eine Freude :-)

    Tipp Nummer 4 (Gedanken, Ideen und Aufgaben notieren) hilft mir immer spürbar. Ich fühle mich deutlich erleichtert, wenn ich die Gedanken in meinem Kopf zu Papier bringe und sie auf diese Weise loslassen kann. Früher habe ich regelmäßig Tagebuch geschrieben, inzwischen sind es eher Todo-Listen, Ideen und ein Dankbarkeitsjournal, das mir täglich die positiven Dinge in meinem Leben vor Augen führt.

    1. Liebe Frau Lyoner,

      wie schön, dass das Lesen meiner Zeilen Ihnen Freude bereiten konnte und dass Sie die Wirkung der Inspirationen selbst als so positiv empfinden.
      Vielen Dank für’s Teilen und liebe Grüße
      Johanna

  4. Ich finde den Text großartig und wahnsinnig inspirierend! Mir als Sprachliebhaberin gefallen auch die schönen Metaphern, die in meinem Kopf entstehen. Super anschaulich und anregend geschrieben. Ich befasse mich seit diesem Monat intensiver mit dem Thema Minimalismus und versuche nach und nach einige Dinge zu reduzieren, um mehr von den guten Dingen im Leben zu haben (weniger konsumieren/kaufen, die Wohnung entrümpeln, weniger planen etc.).

    Danke an Johanna für diesen Text, der mir jede Menge Denkanstöße gegeben hat und Tipps, die ich demnächst umsetzen werde. :)

    Und danke für diesen tollen Blog Christopf, ich lese ihn schon seit längerer Zeit. Dank dir konnte ich sehr viel zum Thema Minimalismus lernen. :)

  5. Liebe Sprachliebhaberin Lan,

    wie schön, dass dir mein Text gefällt und er dich zu weiteren minimalistischen Schritten inspirieren kann :)
    Viel Spaß beim Kopf-Entrümpeln und liebe Grüße

    Johanna

  6. Danke für den Post und die tolle Seite.
    ja ich bin derzeit etwas festgefahren. Hab ja mit dem Minimalismus in Dingen und Kopf angefangen, aber der Alltag mit all seinen Facetten holt einen gnadenlos ein. Lässt keine Zeit über die Gedanken zu sortieren man schafft nur das nötigste und ist abends froh in ein Bett zu kriechen zu können.
    Der Kopf ist voll von Sorgen, Gedanken, gleicht oft einer Achterbahn die immer wieder vor und zurückfährt unaufhaltsam schnell.
    Versuche zu entschleunigen verpuffen im nichts und das liegt nicht an mir ich könnte aber das Drumherum die Familie, der Job, die Verpflichtungen.

    Das Notizbuch – damit werde ich es mal versuchen. Aber jetzt geh ich erstmal in den Wald und lauf ne Runde.

    LG
    Ursula

    1. Liebe Ursula,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Ich glaube, solche Phasen kennen wir alle. Da helfen manchmal schon ganz kleine Inseln nur für dich, wie das Laufen, das Lesen abends vor dem Einschlafen, ein entspannter Moment beim Frühstück.
      Ich wünsche dir, dass die Kopf-Achterbahn bald anhält und Herbst und Winter ein wenig Rückzugsmöglichkeiten für dich bringen.

      Alles Liebe
      Johanna

  7. Hallo Johanna,

    sehr interessanter Artikel.
    Besonders den Input reduzieren,halte ich für sehr wichtig.
    Ich habe mir bewußt kein Smartphone zugelegt.Man kann mich über mein Handy erreichen,ziehe aber den pers.Kontakt vor.Hinsichtlich Werbung, habe ich mich ausgeklingt.Bedeutet, überwiegend TV Sender ohne Werbung,Radio ohne Werbung,..
    Ich habe ein Block indem ich meine Gedanken,Wünsche usw.eintrage.
    Ich halte es für ganz wichtig,hnlich wie in einer Wohnung, nur das gedanklich aufzunehmen,was man will (Freizeit) oder wegen der Arbeit muß.Nachrichten über Katastrophen ,Vergewaltigungen ,Morde,…usw schaue ich nicht an,
    Ich hatte vor Jahren den Satz gelesen im Englischen “ It’s a good news world“Bedeutet ,filter die Informationen so, das dich nur positive Nachrichten (auch von Freuden,..) erreichen.Themen wie Dieselaffäre,Politik,Naturkatastrophen blende ich total aus.Ja es geht zu 99 %.Sorgen ausschalten geht oft nur durch andere Gedanken,die dich ablenken.Danke für die Inspiration,..Ich werde dein Buch bestellen,dein Lebenslauf ist auch sehr interessant ;.) Grüße Felix

  8. Hallo Felix,

    vielen Dank für deinen Kommentar.
    Den Input zu reduzieren halte ich auch für einen wichtigen Schlüssel für ein minimalistisches Leben. Ich denke, es geht nicht darum, Negatives auszublenden, aber eben den Fokus selbst zu wählen und glaube, dass man das Wichtige – sei es nun positiv oder negativ – ohnehin erfährt.

    Toll, dass du ein Leben ohne Smartphone führst :)

    Liebe Grüße, Johanna

  9. Hallo zusammen
    Mein äußerer Minimalismus ist so weit fortgeschritten, dass ich meinen lieben Verwandten sogar Räume in meiner Wohnung zur Verfügung stellen kann für künstlerische Projekte, damit sie nicht leer stehen. Aber beim inneren Minimalismus herrscht noch weitgehend Chaos. Dort wünsche ich mir die gleichen klaren und einfachen Prinzipien, wie ich sie beim äußeren Minimalismus gefunden habe, welche in sich selbsttragend funktionieren und mich im Alltag spürbar entlasten. Dabei ist es nicht so, dass ich nicht schon vieles innerlich losgelassen hätte, aber meine inneren Räume waren schon immer total überfüllt, noch mehr als das Außen. Ich überlege nun, wie ich mich äußerlich minimalisieren konnte, welche Gedankengänge mir halfen und inwiefern sich das auf meine inneren Räume übertragen ließe. Es braucht bei mir bestimmte Beweggründe und in sich logische Schlussfolgerungen, die das Loslassen ermöglichen.
    Schön, dass sich auch andere damit beschäftigen.
    Liebe Grüße, Evelyne

  10. Liebe Evelyne,

    wie schön, dass du dich im Außen schon so wunderbar reduzieren konntest. Ich bin mir sicher, dass du es auch in deiner Innenwelt schaffst. Sei achtsam, was du denkst und empfindest und erkenne so, was dich belastet bzw. nur füllt und nicht erfüllt. Und dann tue es wie im Außen: Sortiere aus und schaffe dir Platz.

    Liebe Grüße
    Johanna

  11. Liebe Johanna

    Vielen Dank für Deine hilfreichen Sätze, vor allem Deine Unterscheidung des „gefüllt“- oder „erfüllt“-Seins. Ja, DAS ist es! Tatsächlich kann ich es daran messen und so besser unterscheiden. Vielen Dank! Ich will wirklich innerlich aufräumen, denn ich weiß, dass dies der einzige für mich gangbare Weg ist, aus der Selbstüberforderungsspirale rauszukommen. Es bedeutet allerdings auch, von gewissen Leistungsansprüchen an mich selbst Abstand zu nehmen, diese zu relativieren und auf das wirklich Wesentliche abzuspecken und zu fokussieren. Ein schmerzhafter Prozess des Loslassens, den ich jedoch immer mehr mit für mich überzeugenden Argumenten unterfüttern kann, um es durchziehen zu können.

    Beim äußeren Minimalismus wäge ich ab, indem ich in mich reinspüre, ob diese oder jene Sache mich eher ent- oder belastet, also tatsächlich qualitativ sinnstiftend hilft im Alltag und Beruf oder nur quantitativ zumüllt. So sollte ich auch beim inneren Minimalismus abwägen. Ein langer Weg, aber vielleicht finde bald grundsätzliche Kategorien, die das Loslassen erleichtern.

    Manche große Themen konnte ich jedenfalls schon loslassen. Mir wird bewusst, dass die inneren, vor allem intellektuellen Räume viel größer und zugemüllter sind. Von einer 92-Jährigen lernte ich, die inneren und äußeren Räume miteinander zu synchronisieren, sodass die inneren Räume nicht mehr so ausufern, sondern sich den äußeren, realen Räumen anzugleichen beginnen. So kann ich auch besser im Jetzt bleiben und „sein“.

    Ganz herzliche Grüße
    Evelyne

    1. Hallo zusammen,
      ich melde mich nochmal zurück zum Thema „Inneren Minimalismus“: Es verlief bei mir zeitlich ähnlich wie beim äußeren Minimalismus, es brauchte mehrere Anläufe und Etappen, um die „Inneren Räume“ in vergleichbarer Stringenz zu minimalisieren wie vorher die äußeren. Mir half es, den gelebten äußeren Minimalismus 1:1 zu übertragen auf die Innenwelt, also meine Gedankenwelt als Räume zu sehen, Ordnungsräume und Arbeitsfreiräume, um innerlich beweglich zu werden und von denselben positiven Effekten zu profitieren wie beim äußeren Minimalismus. Dadurch konnte ich mich von meinem inneren Konsumverhalten trennen, lernte, nicht mehr alles wissen zu wollen, weil es einfach zu viel Wissen gibt. Ich lernte, Prioritäten zu setzen, zu fragen, wie viel ich davon wirklich genau wissen muss, ob es nicht reicht, im Falle des Gebrauchs dieses Wissens zu recherchieren und sonst eben nicht, sondern mir mehr Frei- und Leerraum zu geben, um fensterlüftend durchzuatmen in meinem inneren Haus. So wie ich meinen „Zettelsalat“ virtuell in den Griff kriegte, merke ich nun, dass meine inneren Zettel weniger werden. Endlich kann ich loslassen, weil ich es einfach nur noch als Belastung sehe, unnützes Wissen tonnenweise in mich reinzustopfen, anstatt anzuwenden, was ich bereits weiß und kann! Ich habe nun Durchblick und sehe meine inneren Räume in einem klaren Minimalismus! Das fühlt sich toll an!

      Aber eines ist seltsam: Auf einmal spüre ich, was für eine schwere Last auf mir lag. Ich bin nun stark sensibilisiert, was solche gedanklichen Belastungen und Anbindungen angeht. Ich habe mich davon gelöst, aber die inneren Gedanken und vor allem die daraus erwachsenen Verpflichtungen nicht von mir. Diese liegen um mich rum wie abgefallene Mauersteine, die mir den Weg versperren. Nun gilt es, auch das aufzuräumen!

      Liebe Grüße aus der Schweiz, Evelyne

  12. Danke für die schönen und wichtigen Worte! Der Artikel macht in mir drinnen etwas friedlich und angenehm… habe ihn schon öfters gelesen und genossen!
    Alles Liebe an Sie
    Regina Heimhilcher

  13. Hallo Johanna und
    Hallo Christof,

    @Christof..dein Blog gefällt mir sehr. ich fahre eigentlich schon seit Jahren mit angezogener Handbremse durch meinen Alltag. Es ist wie eine vollgestopfte Nase die so lange zu ist, dass man nicht mehr weiß wie es ist frei atmen zu können. Obwohl mein Inneres schon lange sagt „es reicht“ konnte ich mir selber nicht helfen. Dein Blog und diese klar geschriebenen Worte waren der Reiniger für meine Scheiben. Danke und mach bitte weiter so :-)

    @Johanna..dieser Minimalismus im Kopf war für mich auch ein sehr wichtiger und befreiender Schritt. Ich hatte mal einen Arbeitskollegen (frisch von der Uni) ich habe mich nie getraut (ähnlich ging es anderen Kollegen auch) ihm eine Frage zu stellen, weil er so gerne ausschweifte und ausholte, dass es einem abends daheim wie Fax-Berichte aus den Ohren quoll. Man wusste gar nicht mehr was man eigentlich wollte, noch verstand man seine Ausführungen (Fachbegriffe etc.)
    Ein anderer Kollege in der gleichen Abteilung wiederrum war ein Fan von kurzen kleinen Sätzen/Aussagen. Die klangen meist wie Sprüche von Platon oder Sokrates. Nicht in der Rhetorik oder Grammatik, aber in der Kürze. In einem Satz war das „Wesentliche“ drin und ich verstand plötzlich alles. Ein kleiner bildhafter Vergleich/Metapher und dein Gegenüber macht die restliche Arbeit in seinem Eigenem Kopf selbst! Minimalismus im Kopf finde ich fast wichtiger (ganz kleines bisschen) als Materiellen.

    Viele Grüße
    Genio

    1. Lieber Genio,

      ein schönes, anschauliches Beispiel aus dem Alltag. Manchmal kann man mit weniger viel mehr ausdrücken. Da wir die anderen nur so schwer ändern können, ist es umso schöner und wichtiger, uns selbst dahingehend zu beobachten. Und dann mit dem Aufräumen zu beginnen. Außen und Innen greifen immer ineinander. Vermutlich ist es ganz egal, wo wir beginnen. Hauptsache wir fangen an…

      Liebe Grüße
      Johanna

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