Wie nachhaltig ist das Internet?

24. März 2019 - von Leena Volland - 9 Kommentare
Wie nachhaltig ist das Internet? (Foto von rawpixel.com von Pexels

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Leena Volland. „Wie nachhaltig ist das Internet?“ ist leicht abgewandelt in dem Buch „Dein Weg zur Nachhaltigkeit – 350 praktische Tipps für den Alltag“ zu finden, das Leena zusammen mit Florian Schreckenbach geschrieben hat. Die beiden betreiben auch den Blog Nachhaltig sein.

Vor 30 Jahren wurden am CERN in der Schweiz die Grundlagen des World Wide Web entwickelt. Heute gehört das Internet zu unserem Alltag. Und während wir online über Nachhaltigkeit lesen, stellt sich die Frage: Wie umweltfreundlich ist eigentlich das Internet? Wie nachhaltig surfen wir? Welchen Einfluss hat die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) auf die Natur und ihre Ressourcen? Die Internet-Nutzung nimmt immer weiter zu, genauso wie die Nachfrage nach IKT-Produkten und -Dienstleistungen. Die Datenmengen sind zwar nicht so stofflich greifbar und präsent wie das Gerät, auf dem wir sie nutzen und speichern, Aber auch sie bleiben nicht ohne Auswirkungen.

Schon vor zwölf Jahren rechnete der Autor Nicholas Carr aus, dass ein Avatar, also eine animierte Figur, im Online-Spiel Second Life annähernd so viel Strom im Jahr verbraucht wie eine reale Person: 1752 kWh pro Jahr entfielen auf den Avatar, 2436 kWh auf einen Menschen, gemessen am weltweiten Durchschnitt.

Stromverbrauch, der für Aufsehen sorgt

Der Stromverbrauch der IKT-Branche schlägt ordentlich zu Buche, Tendenz steigend. 2007 betrug er in Deutschland bereits rund 10,5 % des gesamten Stromverbrauchs, nämlich 55 Terawattstunden. Experten schätzen, dass er bis 2020 auf über 20 % ansteigen wird. Die immer stärkere Internet-Nutzung und die steigende Nachfrage nach Cloud-Diensten kurbeln den Strombedarf der Rechenzentren an. Der Hauptgrund ist jedoch die wachsenden Datenmenge der mobilen Telekommunikationsnetze, schlussfolgert eine Studie des Öko-Instituts.

Zwar werden Endgeräte wie Laptops oder Smartphones immer energieeffizienter, dafür gibt es davon aber immer mehr. Es ist ein Rebound-Effekt, der den beruflichen und privaten Bereich betrifft. LED-, LCD- und OLED-Displays sind auf der einen Seite sparsamer, auf der anderen Seite meist größer. Der Trend zum Zweitmonitor erhöht den Stromverbrauch zusätzlich. Fernseher verbrauchen aktuell fast ein Drittel des genutzten Stroms im IKT-Bereich. Laut Öko-Institut wird zumindest dieser Verbrauch sinken, da die Tendenz zur Nutzung mobiler Geräte geht.

Außerdem muss man den Energiebedarf bei der Herstellung der Produkte selbst addieren. So benötigt man zum Beispiel in Chipfabriken eine sterile Reinraum-Atmosphäre, deren Filteranlagen etwa so viel Strom wie eine ganze Kleinstadt verbrauchen.

Der CO2-Fußabdruck der Google-Suche

Ja, eine Google-Suche verursacht CO2-Emissionen. Rund 200 Millionen Suchen werden weltweit täglich durchgeführt, eine Suche dauert durchschnittlich 0,2 Sekunden. Google selbst gibt an, pro Suche entstünden so 0,2 Gramm CO2. Andere Berechnungen kommen auf 1 bis 10 Gramm CO2 pro Suche. Schaut man sich online Videos oder Animationen an, steigt der CO2-Ausstoß um das Zehnfache und mehr an. Im Vergleich dazu: Eine Energiesparlame verursacht pro Stunde sechs Gramm CO2, ein Kilometer Bahnfahren 72 Gramm.

Emissionen entstehen nicht nur durch den Stromverbrauch aus nicht-nachhaltigen Quellen, sondern auch durch Herstellung und Logistik. 2007 gab das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz an, die IKT-Branche sei weltweit für 2 % aller CO2-Emissionen verantwortlich und damit gleichauf mit dem Ausstoß des globalen Flugverkehrs. Für Deutschland bedeutete das rund 23 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Das entspricht über 7,5 Millionen Flüge von Frankfurt nach New York City. Seit 2007 sind diese Zahlen weiter gestiegen.

Rohstoffverbrauch und Recycling: Hoher Preis für Mensch und Natur

Was braucht man, um einen Rechner zu bauen – ein bisschen Plastik und etwas Metall? Von wegen! 1,5 Tonnen Rohmaterial werden benötigt, um einen PC herzustellen. Für ein Notebook sind es im Schnitt 0,5 Tonnen. Andere Schätzungen kommen auf rund 19 Tonnen Rohstoffe, eingerechnet sind hier auch 1500 Liter Wasser, 22 kg chemische Stoffe sowie 240 Kilogramm fossile Energieträger.

Geht es um die ökologische Nachhaltigkeit, ist der Stromverbrauch längst nicht das wichtigste Kriterium. Viel größeren Einfluss hat die Herstellung der IKT-Produkte. Hierfür braucht es kritische Rohstoffe, die knapp, teuer und nicht erneuerbar sind, zum Beispiel Indium, Gallium und seltene Erden. Oft ist der Preis für Mensch und Natur sehr hoch: Viele der Metalle stammen aus Afrika und Südamerika, wo sie von kaum technisierter Industrie abgebaut werden. Das knappe Wasser der Regionen fließt in die Rohstoffgewinnung. Die Arbeitsbedingungen der Arbeiter sind schlecht, der Abbau gesundheitsschädlich und von den wertvollen Rohstoffen profitiert die Bevölkerung nicht.

Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist ein sinnvolles Recycling nach heutigem Standard kaum möglich, da die Rohstoffe in kleinsten Mengen verbaut werden. Hinzu kommt, dass lediglich ein Viertel der deutschen Elektrogeräte ordentlich entsorgt werden. Viele liegen Zuhause herum, landen fälschlicherweise im Restmüll oder werden illegal ins Ausland transportiert. Dort lösen Menschen in Hinterhöfen oder daheim die wertvollen Metalle mit Feuer und Chemikalien aus dem Elektroschrott heraus und verkaufen sie weiter.

Was kannst Du tun?

Es folgen ein paar Tipps zum nachhaltigen Handeln bei der Nutzung des Internets und elektronischer Geräte.

  • Verwende PC, Laptop, Tablet und Handy möglichst lange.
  • Sei bei der Wahl der IT-Komponenten besonnen. Große Bildschirme und leistungsstarke Grafikkarten verbrauchen viel Strom.
  • Der Kauf eines gebrauchten Geräts verlängert seinen Produktlebenszyklus.
  • Beim Neukauf solltest Du nicht nur auf den Stromverbrauch achten, denn die Herstellung ist entscheidender. Hier können Siegel wie der Blaue Engel eine Hilfestellung sein.
  • Schalte die Geräte aus, wenn Du sie nicht verwendest. Auch der Bildschirmschoner verbraucht Strom.
  • Stelle den Stand-By-Modus oder Ruhemodus manuell so ein, dass sie bereits früher einsetzen – auch bei Monitoren.
  • Nutze Öko-Suchmaschinen wie Ecosia und Gexsi.
  • Achte auch bei Deiner eigenen Webseite auf Nachhaltigkeit. Es gibt mittlerweile mehrere CO2-neutrale Hosts und Provider.
  • Natürlich kannst Du auch selbst freiwillig CO2 kompensieren, zum Beispiel indem Du eine Naturschutzorganisation unterstützt, die Bäume pflanzt.
  • Vergiss bitte nicht, dass alte Elektrogeräte nicht in den Hausmüll
    gehören, sondern auf den örtlichen Wertstoffhof. Auch Händler ab einer gewissen Größe sind seit 2013 zur Rücknahme und zum Recycling verpflichtet.
  • Wechsle zu einem echten Ökostrom-Anbieter.

Leena hat auf Einfach bewusst auch einen Beitrag für den Round-up-Post „16 Blogger/-innen verraten, wie sie Ressourcen sparen und nachhaltig leben“ verfasst, Florian einen für „14 Blogger verraten, wie sie einfach und bewusst leben“.

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9 Kommentare für “Wie nachhaltig ist das Internet?”

  1. Lieber Christof, liebe Leena,

    vielen Dank für den interessanten Beitrag.
    Die ökologische Komponente des Internet – aber generell der Nutzung von Computern im privaten und geschäftlichen Bereich und deren Auswirkungen auf die Umwelt – ist eigentlich seit Jahrzehnten ein Thema; oder sollte es zumindest sein.
    Mein Beitrag bezieht sich speziell auf den steigenden Papierverbrauch … und damit einhergehend den Verbrauch an Druckerpatronen pp….

    Bei Einführung der computergesteuerten EDV und in den Frühzeiten des Internet war man optimistisch davon ausgegangen, dass damit (unter anderem) jede Menge Papier eingespart werden kann. Aber tatsächlich hat sich der Papierverbrauch seither erhöht.
    Ich erlebe es im Büro in der öffentlichen Verwaltung jeden Tag selbst. Wichtige Dinge, die per E-Mail ankommen, muss ich ausdrucken, die gehören zwangsläufig in die (Papier)-Akten. Die elektronische Akte kommt frühestens in 5 Jahren. Korrespondenz, die früher auf ein Blatt passte, ist dank weitläufiger Formatierung und zahlreicher Anhänge nun auf drei Seiten verteilt. Dazu noch die obligatorische Erklärung nach der Datenschutzgrundverordnung ….
    Und jeder, der an einer über Internet geführten Korrespondenz teilnimmt, macht im Zweifel für sich vorsichtshalber eine Papier-Kopie. Denn wenn ein Hacker auf die eigenen Computerdaten zugreift, ist sonst alles futsch. Und was man schwarz auf weiß besitzt ….

    Mein einziger zaghafter Versuch auf diesem Gebiet ist der Verzicht auf einen privaten Drucker.

    Herzliche Grüße aus Erfurt von Sanni.

    1. Hallo Sanni,

      danke für den Kommentar und die wichtige Ergänzung zum Papierverbrauch. Wenn es die technische Infrastruktur nicht hergibt oder bestimmte zwingende Prozesse Pflicht sind, macht es das natürlich schwer.

      Mit Recyclingpapier kann man natürlich einige Ressourcen einsparen (CO2, Wasser, Energie, Holz). Auch bei uns im Büro kommen wir nicht ohne Druck aus, wobei wir einiges digitalisiert haben (über Screen/Tablet, auch zum skizzieren z.B.). Ich nutze die Rückseiten des alten Papiers (auch von Kollegen) als Notizblock. Auch nur eine Kleinigkeit, aber dann findet es wenigstens noch ein bisschen besser Verwendung.

      Liebe Grüße,

      Leena

  2. Ein sehr guter und wichtiger Artikel, vielen lieben Dank. War erst vor kurzer Zeit selbst darauf gestoßen (bzw. hatte bewusst registriert), dass das Surfen im Netz bezogen auf unsere Umwelt nicht so toll ist.

    Was ich gern ergänzen würde, ist die Überlegung, ob wir das viele Suchen und Surfen im Internet ohnehin in dem Maß brauchen. Wir können auch einen Menschen fragen der sich mit dem gewümschten Thema auskennt, wir können in Bücher und Nachschlagewerke schauen usw. Nicht alles muss über Onlinesuche geschweige denn über Google gehen.

    Liebe Grüße aus dem schönen Vogtland, Micha =)

    1. Hallo Micha,

      vielen Dank für den Kommentar. “Back to the roots” und ab in die Bibliothek :-) oder zur Großmutter – die hat vielleicht noch einen echten Brockhaus im Regal stehen.

      Sicher braucht man nicht jede Suche. Und manch ein Gespräch kann sich vielleicht auch gerade ohne Google erst entwickeln.

      Liebe Grüße,

      Leena

  3. Hallo, sehr schöner Blog. Komme von frugalisten.de hier her.

    Kann es sein, dass der erwähnte Autor Nicholas Carr heisst?
    Vieleicht habe ich das nicht richtig verstanden, aber wenn ich 2,4 kWh Strom im Jahr verbrauchen würde, wäre ich sehr froh. Leider sind es immer noch bis zu 1400 kWh. Wahrscheinlich sind 2400 kWh gemeint.

    Ansonsten ein schöner und notwendiger Artkel, auch wenn ich mir die ein oder andere Quelle zu den vielen Zahlen wünschen würde.

    Weiter so und schöne Grüße, Otto

  4. Extrem viel Strom verbrauchen übrigens auch Digitalwährungen wegen der aufwändigen Rechenprozesse für die Blockchain. Je länger die Chain wird, umso höher der Verbrauch. Bitcoin soll bereits so viel wie ein kleines Land wie Dänemark verbrauchen.

  5. Hallo Leena, der Artikel trifft in Herz.
    Gerade im IT-Bereich ist in neuerer Zeit durch ressourceneffiziente Programmierung schon einiges erreichbar um den CO2-Fußabdruck einer Anwendung deutlich zu mindern. Mit jaddja zum Beispiel bei Bereich der Suchmaschinen

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