„Geben ist seliger als nehmen.“ (Apostelgeschichte 20,35)
Ist Weihnachten nur noch ein Kitsch- und Konsumfest? Vergessen wir vor lauter Shoppen und Schenken, worum es an diesem Tag eigentlich geht? Müssen wir den Werteverfall fürchten oder dürfen wir uns unbeschwert an all dem Klimbim erfreuen? Der Bayerische Rundfunk geht derzeit diesen Fragen nach und bat mich um einen Kommentar.
Man sollte meinen, meine Antwort falle eindeutig aus. Schließlich schreibe ich über Minimalismus und Nachhaltigkeit und ist mein Blog ein Plädoyer für den Konsumverzicht. Doch so einfach mache ich es mir nicht. Ein Großteil des Konsums zur Weihnachtszeit sind Geschenke. Am Schenken an sich ist nichts auszusetzen, es kann vielmehr als Wert gesehen werden. In der Apostelgeschichte (20,35) heißt es: „Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muss im Gedenken an das Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.“
Aus christlichem Verständnis feiern wir an Weihnachten die Geburt Jesu. Gott hat sich in Jesus den Menschen mitgeteilt. „Gott wurde Mensch, damit Menschen Kinder Gottes werden“, lautet ein kirchliches Bekenntnis. Noch heute symbolisieren die Gaben an Weihnachten das Geschenk Gottes an die Menschheit: die Geburt Jesu als “Heil der Welt”.
Auch wer mit Kirche und Glauben weniger am Hut hat, kann ein besinnliches Familienfest mit Weihnachtsbaum, Geschenken und Essen feiern, ohne unsere Werte zu verleugnen. Doch wenn ich die Innenstädte sehe, in denen sich die Menschen mit Plastiktüten beladen wie von Sinnen durch Fußgängerzonen und Geschäfte schieben; wenn ich die Umsatzzahlen des Handels während des Weihnachtsgeschäfts lese; wenn ich mit ein paar gestressten Freunden pappsüßen Glühwein in Keramikbechern aus China schlürfe, während Whams “Last Christmas” in der Endlosschleife dudelt, steht für mich fest, dass Kitsch, Kommerz und Konsum längst Überhand genommen haben. Der Wert Wohlstand hat alle anderen Werte abgehängt. Weihnachten soll das Fest der Liebe und Nächstenliebe sein. Doch wer denkt noch an die Hungernden in der Dritten Welt? An die Armen, die im Krankenhaus liegen? An die Einsamen, die an Heilig Abend nach einer offenen Kneipe suchen? An die Menschen, die Weihnachten arbeiten müssen? An die Tiere, die als Braten auf dem festlich geschmückten Tisch landen? Selbst der Wert Familie wird oft zu einem Schnappschuss zwischen Weihnachtsbaum und Geschenkeberg degradiert. Die Zeit reicht freilich noch aus, das Foto umgehend mit dem Kommentar „Trautes Heim, Glück allein!“ auf Facebook & Co. zu posten.
Dieses Spiel spiele ich nicht mit! Meine wenigen Geschenke hatte ich schon beisammen, als im Spätsommer im Aldi die ersten Spekulatius auftauchten. Ansonsten verschenke ich das immer kostbarer werdende Gut Zeit. Mehrere Tage verbringe ich im Kreis meiner Lieben und hole so aus der Weihnachtszeit das für uns Maximale heraus. Da bin ich wieder ganz Minimalist.
Dieser Beitrag ist auch auf dem Blog des Bayerischen Rundfunks erschienen.
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Hallo Christof!
Schöner Artikel. Du sprichst mir aus der Seele! Die Weihnachtszeit ist jedes Jahr Stress hoch drei. Wenn es hochkommt , kommt meune Familie 2 Stunden richtig zusammen.
Nochmal: Schöner Artikel!
Ana