„Manchmal gibt es im Leben Momente von außergewöhnlicher Intensität, in denen man deutlich den Eindruck hat, sein Schicksal herauszufordern.“ (Íngrid Betancourt, französisch-kolumbianische Politikerin und Autorin, *1961)
Ich habe fertig! Seit ein paar Tagen bin ich zurück von meiner Alpenüberquerung. Zum dritten Mal bin ich von Salzburg nach Triest gegangen. Diesmal habe ich mir 32 Tage Zeit gelassen, um an meinem Wanderführer „Alpenüberquerung Salzburg-Triest“ zu arbeiten, der im April oder Mai 2016 im Bergverlag Rother erscheint.
Auch heuer hatte ich sehr liebenswerte Mitwanderer. Andreas, Katharina, Monika, Alex und Joe, Monika und Flo, Rainer und Volker, Anna und Tobi sowie Heidi und Gottfried haben mich zwischen einem und 13 Tagen begleitet.
Das Wetter hat sich im Gegensatz zum „Sommer“ 2014 zusammengerissen. Bis auf wenige Ausnahmen war Sonne pur angesagt. Derart pur zum Ende hin, dass das Thermometer bis auf 38 Grad im Schatten stieg.
Meine Alpenüberquerung 2015 hatte wieder viele unvergessliche Momente. Begegnungen und Gespräche, (Aus)blicke und Gesten, bestiegene Berge und überquerte Flüsse, Fauna am Wegesrand und Tierbeobachtungen, tierleidfreie Mahlzeiten und herrlich frisches Quellwasser …
Ein Dutzend dieser unvergesslichen Momente stelle ich nun vor.
1. Den ersten Schritt machen.
Die Alpenüberquerung Salzburg-Triest startet im Salzburger Kurgarten. Dort den ersten von über 900.000 Schritten zu machen (Menschen mit einer kleineren Schrittlänge kommen sogar auf über eine Million Schritte), ist ein Gefühl zwischen freudiger Erwartung und weichen Knien. Entgegen der letzten beiden Jahre bin ich heuer alleine gestartet und hatte ich nur ein paar Kilometer bis zum Hotel. Aber der Anfang war gemacht.
2. Ein Lager fürs mich alleine haben.
Die Etappe von Salzburg zur Toni-Lenz-Hütte zog sich etwas. Trotzdem hatte ich noch Kraft, die Schellenberger Eishöhle zu besuchen, am Manuskript zu arbeiten und mich den Fragen der Hüttenwirte Mareike und Christian zu stellen. Danach sehnte ich mich nach Ruhe. Welch Glück, dass ich der einzige Übernachtungsgast war.
3. Unverhofft nette Begleitung bekommen.
Dass Andreas (im Foto rechts) mich ab dem Carl-von-Stahl-Haus begleiten würde, war ausgemacht. Dass wir dann zwei Tage zu sechst über die Berge stiegen, war so überraschend wie schön. Joe, Alex, Flo und Monika, was machen die Pläne für Eure Alpenüberquerung Salzburg-Triest 2016 ;-)?
4. Auf der 2933 m hohen Herzog-Ernst-Spitze stehen.
Der höchste Punkt der Alpenüberquerung ist mit 2754 m die Fraganter Scharte in den Hohen Tauern. Von dort kann man einen Abstecher zur knapp 200 m höheren Herzog-Ernst-Spitze machen. Morgens um halb acht hatten wir den Gipfel für uns und genossen wir das Kaiserwetter, den Rundumblick und überhaupt auf der Welt zu sein.
5. Die Kreuzeckgruppe erreichen.
Nach über 1.500 Höhenmetern Aufstieg warfen Katharina, Andreas und ich uns am Klingentörl ins Gras. Doch danach war Staunen angesagt. Die Kreuzeckgruppe zählt für mich zu den schönsten Ecken der Alpen. Die Mischung aus beinah unberührter Berglandschaft, sympathischen Hütten und einem wenig begangenen, teilweise ausgesetzten Höhenweg ist einmalig.
6. In Hermagor kulinarisch aus dem Vollen schöpfen.
Billa, dm, Spar, Hofer, Bäckereien, ein chinesisches Restaurant, zwei Pizzerias – in dem Kärntner Städtchen Hermagor können es sich Veganer (und nicht nur die) richtig gut gehen lassen. Und genau das haben Katharina und ich getan. Noch eine Woche später, als ich zwei Länder weiter ohne Begleitung durch die Julischen Alpen wanderte, zog ich Lebensmittel aus dem Rucksack, die wir an jenem unvergesslichen Tag in Hermagor in den Einkaufswagen luden.
7. Auf eine Steinbockkolonie stoßen.
Nachdem es in den Berchtesgadener Alpen nicht geklappt hat, war es in den Julischen Alpen unweit der Triglav-Nordwand soweit. Eine Kolonie von rund 15 Steinböcken und Steingeißen zog seelenruhig wenige Meter an mir vorbei.
8. Zum ersten Mal das Mittelmeer erblicken.
Auf dem Pass Globoko auf der Etappe nach Tolmin taucht bei einigermaßen guter Sicht am Horizont zum ersten Mal das Mittelmeer auf. 2015 durfte ich diesen unvergesslichen Moment mit Heidi und Gottfried teilen. Die beiden waren enttäuscht, dass ihr Urlaub am nächsten Tag zu Ende ging und sie nicht noch die vier Etappen bis ans Meer machen konnten.
9. Die Tolminer Klammen besuchen.
Zwei Kilometer vor Tolmin haben sich die Flüsse Tolminka und Zadlaščica tief in den Fels gegraben. Ihr Wasser leuchtet smaragdgrün bis türkis. Der Weg durch die beiden Schluchten ist spektakulär. Lange saß ich am Zusammenfluss von Tolminka und Zadlaščica. Ich genoss den Moment. Und ich gratulierte mir selbst, denn die Alpen sind hier am südlichen Eingang des Triglav-Nationalparks überquert.
10. Elisabettas Gastfreundschaft im B&B La Rosa dei Venti genießen.
Ich behaupte, dass das La Rosa dei Venti in Tribil di Sopra das Bed & Breakfast mit dem besten Preis-Gastfreundschafts-Verhältnis in ganz Oberitalien ist. Elisabetta empfängt müde Wanderer wie alte Freunde und liest ihnen jeden Wunsch von den Augen ab. Lange saß ich bei meinem dritten Besuch im dritten Jahr mit der Wirtin und den Alpe-Adria-Trail-Wanderern Anna, Tobi, Rainer und Volker am Abendtisch zusammen. Elisabetta spricht etwas deutsch, da sie vor 50 Jahren als junge Frau in einer Eisdiele in Aachen gearbeitet hat. Der Preis scheint eher symbolischen Wert zu haben. Für die Übernachtung im Einzelzimmer, das dreigängige Abendessen mit Wein und zwei Grappa, das ausgiebige Frühstück und mehrere Espressi zahlte ich 30 Euro.
11. Nach vier Wochen ins Meer springen.
Der Weg über die Alpen an die Adria ist wunderschön, aber auch lang und beschwerlich. Man muss sich also schon schinden wollen. Ich wollte es auch in diesem Jahr wieder. Die Belohnung gab es am 31. Tag, als ich in Duino ins 27 Grad warme Meer springen konnte.
12. Die letzten Schritte bis zur Piazza dell’Unità d’Italia machen.
Von Duino sind es noch 25 Kilometer bis nach Triest. Das schaffen sogar die müdesten Beine. Als Finale Grande wartet die Piazza dell’Unità d’Italia, auch Piazza Grande genannt, auf die Alpenüberquerer. Erst auf den letzten Metern taucht der große und zum Meer hin offene Platz auf. Es lohnt sich, bei Dunkelheit hierher zurückkehren. Dann ist die Piazza feierlich beleuchtet.
Im Facebook-Album Alpenüberquerung Salzburg-Triest 2015 kannst Du Dich durch die 78 Fotos klicken, die ich unterwegs unbearbeitet hochgeladen habe, wann immer ich WLAN hatte.
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Wow, tolle Tour, beneidenwert! Danke, dass du uns dran teilhaben lässt!