In einer guten Wochen mache ich mich auf, Deutschland der Länge nach zu erwandern. Alles, was ich in den rund 75 Tagen und 1800 Kilometern benötige, wiegt weniger als 8 Kilogramm und passt in den 30-Liter-Rucksack, den Du im Bild oben siehst.
Auf meinen ersten Fernwanderungen auf dem Nurtschweg und von Forchheim nach Venedig 2012 war mein Rucksack fast doppelt so groß und doppelt so schwer.
Seit diesen beiden Touren habe ich viel Erfahrung gesammelt. Ich war viermal auf der Alpenüberquerung Salzburg – Triest unterwegs, bin den Fränkischen Gebirgsweg gegangen, bin von der Haustüre bis nach Santiago de Compostela gepilgert und habe zahlreiche Tages- und Mehrtageswanderungen absolviert.
Eine leichte Ausrüstung trägt zum Gelingen einer Wanderung bei. Wenn Du Deinen Rucksack nach dem Motto „Weniger ist mehr“ packst, profitierst von mehreren Vorteilen:
- Größerer Aktionsradius. Du verbrauchst für die gleiche Strecke weniger Energie. Als Faustregel gilt: Für jedes Kilogramm, das zuhause bleibt, gewinnt man einen Kilometer Wegstrecke. Du kommst also schneller voran, bist eher am Ziel oder kannst längere Etappen wandern und Abstecher machen.
- Mehr Freude am Draußensein. Es wandert sich viel angenehmer, wenn keine schwere Last auf Rücken und Gemüt drücken. Im Mittelpunkt stehen das Naturerlebnis und die Outdoor-Aktivität.
- Gesünder wandern. Schulter, Rücken, Knie und Füße werden deutlich weniger belastet. Das verringert das Risiko, Belastungsschmerzen zu bekommen, sich zu verletzten oder gar den Bewegungsapparat dauerhaft zu schädigen.
- Mehr Sicherheit. Du hast vor allem bei steilen Abstiegen, an ausgesetzten Stellen und bei Kletterpassagen weniger Probleme. Ein leichter, richtig gepackter Rucksack mit geringem Volumen senkt die Gefahr umzuknicken, zu stolpern und zu stürzen.
- Besser organisiert sein. Es fällt Dir leicht die Übersicht über Deine Ausrüstung zu behalten. Das ständige Kramen und Umpacken gehört der Vergangenheit an.
- Einstieg in die wunderbare Welt des Minimalismus. Der Rucksack kann als Symbol für das Leben gesehen werden. Je weniger Ballast Du beim Wandern und im Leben mitschleppst, desto mehr wirst Du die Tour und Dein Leben genießen können.
Die folgenden Tipps und Tricks helfen Dir dabei, Deine Ausrüstung und das Gewicht Deines Rucksacks zu reduzieren. Ich gehe nicht auf spezielle Produkte oder Marken ein, sondern gebe allgemeine Ratschläge. Sie können also gleichermaßen für Fernwanderungen, Pilgerreisen, Trekkingtouren, Tageswanderungen und Rucksackreisen umgesetzt werden.
1. Nimm so viel mit wie nötig und so wenig wie möglich
Diese Grundregel ist einfach. Sie umzusetzen, also nur das mitzunehmen, was man wirklich (ge)braucht, ist aber nicht so einfach. Du musst Dein Reiseziel, Deine Ausrüstung und Dich selbst gut kennen. Dafür ist eine detaillierte Planung und auch Erfahrung nötig. Mit der Zeit wirst Du wissen, was Du für welche Tour einpacken musst. Verzichte auf Bespaßungen wie den Urlaubskrimi oder den Knopf im Ohr. Wichtig ist, für Notfallsituationen gewappnet zu sein und einen zuverlässigen Wetterschutz zu haben. Deine Ausrüstung sollte sich schon bewährt haben (zumindest auf mehreren Tageswanderungen mit vollem Gepäck). Dazu zählen die Wanderschuhe, der Wetterschutz, ggf. das Zelt und der Kocher, das Erste-Hilfe-Set sowie die Orientierung mit einer sinnvollen Kombination aus Wanderführer, topografischen Karten, Kompass, GPS-Gerät und Smartphone. Als Planungsbasis empfehle ich eine Packliste aus dem Netz heranzuziehen (ich habe z. B. eine für die Alpenüberquerung und eine für den Jakobsweg veröffentlicht). Die überträgst Du am besten in eine Tabellenkalkulation (geht auch auf Papier) und passt Du für Dein Vorhaben an. Ich füge in meiner Tabelle noch die Spalten „Kategorie“, „Gewicht in Gramm“, „lebensnotwendig“ und „Bemerkungen“ hinzu. Das hilft, die Übersicht zu behalten, das Gesamtgewicht und das Gewicht der einzelnen Kategorien zu berechnen sowie nach der Rückkehr Notizen zu machen, was sich bewährt hat, was gefehlt hat, was nicht verwendet wurde und was von dem Proviant, dem Brennstoff, der Outdoor-Seife und anderen Artikeln wieder nach Hause gebracht wurde. Diese Erkenntnisse verwende ich dann zur Optimierung der Ausrüstung für kommende Unternehmungen.
2. Achte bei neuen Ausrüstungsgegenständen auf Gewicht und Volumen
Schon aus ökologischen und finanziellen Gründen rate ich davon ab, die gesamte Ausrüstung in einem Rutsch auf ultralight umzustellen. Es macht mehr Sinn und Spaß, nach und nach mit Bedacht das zu ersetzen, was untragbar geworden ist. Wenn Du doch einiges neu benötigst oder ersetzen möchtest, dann starte mit den schweren und voluminösen Gegenständen wie Rucksack, Zelt, Schlafsack und Regenjacke. Nie war es leichter, leicht unterwegs zu sein. Immer mehr Hersteller setzen auf den Leichtgewichtstrend. Die Produkte aus diesem Segment findet man vereinzelt in herkömmlichen Outdoorläden, aber vor allem in Ultralight-Trekking-Webshops. Für alle, die sich für das Thema interessieren gibt es ein Forum, ein Buch und Anleitungen für MYOG (Make Your Own Gear). Man sollte aber keine eierlegende Wollmilchsau erwarten. Wer etwa eine ultraleichte atmungsaktive langlebige nachhaltige Regenjacke mit minimalem Packmaß für wenig Geld sucht, kann lange suchen. Du wirst abwägen müssen, welchen Kompromiss Du eingehen möchtest. Gewicht ist nicht alles. Je nach Einsatzzweck ist ein etwas robusteres Produkt einem auf Leichtigkeit getrimmten vorzuziehen.
3. Kaufe einen Leichtgewichtsrucksack, der etwas zu wenig Volumen hat
Mit diesem Trick gewinnst Du gleich dreifach: Ein Rucksack mit geringerem Volumen zwingt Dich, nur das Nötigste mitzunehmen. Er hat darüberhinaus ein geringeres Eigengewicht. Wenn Du Dich zudem für einen Leichtgewichtsrucksack entscheidest, sparst Du nochmal ein paar hundert Gramm, denn diese Modelle sind mit einem einfacheren Tragesystem und mit weniger Schnickschnack ausgestattet. Ich hatte auf meinen letzten Fernwanderungen einen 1,3 kg schweren 32-Liter-Rucksack in Verwendung. Auf meiner Deutschlanddurchquerung werde ich einen Leichtgewichtsrucksack mit fast dem gleichen Volumen wählen, der nur 630 g wiegt. Der erste Eindruck nach ein paar Tagestouren ist überraschend: Der Neue trägt sich bei einem Gewicht von 8 oder 9 kg angenehmer. Erst bei 10 kg oder mehr gewinnt das alte Schwergewicht.
4. Packe mit Hilfe einer digitalen Küchenwaage
Ein T-Shirt kann 80 g oder 200 g wiegen, ein Einmannzelt 700 g oder mehr als das dreifache. Eine digitale Küchenwaage hilft Dir dabei, verschiedene Ausrüstungsoptionen aufs Gramm genau zu vergleichen sowie einen Überblick zu bekommen, was überhaupt wie viel wiegt. Mach Dir bewusst, dass jedes Gramm mehrfach ins Gewicht fällt. Wenn Du weniger mitnimmst, kannst Du einen kleineren Rucksack wählen, der ein geringeres Eigengewicht hat. Weniger Gepäck ermöglicht leichtere Schuhe. Außerdem verbrauchst Du weniger Energie und schwitzt Du nicht so stark. Somit sparst Du beim Proviant und Wasser weiteres Gewicht ein.
5. Keine Angst vor Schere und Messer
Am besten überlegst Du bei jedem Gegenstand, ob Du etwas abschneiden kannst. Ich habe so schon Wanderbücher, Karten, Kosmetikartikel, Kleidungsetikette und mehr gestutzt. Auch die verschiedenen Bänder am Rucksack sind oft zu lang. Kürze sie entsprechend und verschweiße sie dann mit Hilfe eines Feuerzeugs, damit sie nicht ausfransen.
6. Kombiniere Kleidung geschickt und wasche regelmäßig
Ich staune oft, dass viele ihren halben Kleiderschrank im Rucksack mitschleppen. Setze lieber auf leichte Funktionskleidung mit geringem Volumen und trage diese einzeln oder übereinander. Ich habe meist ein T-Shirt und ein Langarmshirt aus Funktionsmaterial, einen dünnen Fleece, einen ultraleichten Windbreaker sowie eine atmungsaktive Regenjacke dabei. Je nach Wind und Wetter trage ich nur eine Schicht oder im Zwiebelprinzip bis zu fünf. Übrigens hat sich noch niemand zu Tode gestunken. Wenn Du mir das nicht glaubst, kann ich Dich trotzdem beruhigen. Mit Wasser und etwas Outdoor-Seife oder Shampoo bekommst Du am Tagesziel die Schmutzwäsche ausreichend sauber. Wenn Du sie gut auswringst und an geeigneter Stelle (warme Stube, Wind, Sonne) aufhängst, ist sie am nächsten Morgen trocken. In vielen Unterkünften kann man auf Nachfrage gegen eine geringe Gebühr die Waschmaschine benutzen.
7. Bevorzuge Ausrüstungsgegenstände mit mehreren Funktionen
Ein Schlauchtuch kann als Halstuch, Schal, Armband, Stirnband, Haarband, Sturmhaube, Kopftuch und Handtuch verwendet werden. Ein Smartphone ist Telefon, Computer, Fotoapparat, Wanderführer, Navi und Kompass in einem. Schweizer Taschenmesser gibt es mit zusätzlichen Funktionen wie Flaschenöffner, Dosenöffner, Korkenzieher, Schere, Pinzette, Säge und Schraubendreher. Sei beim Packen wie auch unterwegs kreativ. Im Notlager habe ich mal einen flauschigen Fleece als Kopfkissen genommen und wunderbar geschlummert, bei Minusgraden haben Socken meine klammen Finger gewärmt und als Couscoussalat-Schüssel, Essnapf, Nottasse, Waschbecken, Aufbewahrungsbox und Schneidebrett nutze ich seit Jahren die gleiche Tupperbox mitsamt Deckel.
8. Halte mit Ziploc-Beutel und Kompressionssäcken Ordnung
Waschbeutel, Hartschalentäschchen, Daypack und Stoffsäcke können sich zu einem Gewicht von bis zu einem Kilogramm summieren. Ich verwende mittlerweile nur noch durchsichtige Ziploc-Beutel und Kompressionssäcke. Die wiegen kaum etwas und schaffen Ordnung und Platz. Wer auf einen Daypack oder Turnbeutel nicht verzichten möchte, findet eine Ultralight-Version mit einem Gewicht von unter 100 g. Pflege- und Hygieneartikel wie Shampoo und Lebensmittel wie Olivenöl in zu großen Mengen oder zu schweren Verpackungen füllst Du am besten in Tütchen und Fläschchen ohne Weichmacher um.
9. Verwende Ausrüstung gemeinsam
Wenn Du zu zweit oder in der Gruppe unterwegs bist, könnt Ihr Euch vieles teilen: Karten, Wanderführer, Kompass, GPS-Gerät, Fotoausrüstung, Smartphone, Taschenmesser, Kocher, Erste-Hilfe-Set, Zahnpasta, Outdoor-Seife usw. Sprecht Euch vorher ab, wer was mitnimmt.
10. Nutze den Synergieeffekt an den Füßen
Hast Du weniger Gepäck dabei, kannst Du leichtere Schuhe tragen. Das lohnt sich richtig. Britische Forscher fanden nämlich im Zuge von Edmund Hillarys Mount-Everest-Expedition heraus, dass das Gewicht am Fuß einem fünffachen Gewicht am Rücken entspricht. Eine Einsparung von einem halben Kilogramm bei einem Paar Schuhe, wirkt sich also aus wie zweieinhalb Kilogramm im Rucksack. Natürlich sollte man trotzdem auf gutes Schuhwerk achten. Wer im Hochgebirge wandert oder schnell umknickt, nimmt lieber knöchelhohe.
11. Kenne Deine geplante Strecke möglichst gut
Je genauer Du weißt, was Dich erwartet, desto genauer kannst Du planen, was Du mitnehmen musst, was zu Hause bleibt und was Du unterwegs besorgen kannst. Stelle Dir diese und ähnliche Fragen: Wie lange ist die Strecke? Wie schaut das Höhenprofil aus? Wie schwierig ist das Terrain? Mit welchem Wetter ist zu rechnen? Gibt es Alternativrouten? Wo schlafe ich? Wo kann ich mein Wasser auffüllen? Wie schaut es mit Einkehr- und Einkaufmöglichkeiten aus? In meinem Wanderführer „Alpenüberquerung Salzburg – Triest“ habe ich versucht, all diese Fragen zu beantworten. Für jede Etappe gibt es genaue Angaben über die Weglänge, die Schwierigkeiten, die reine Gehzeit, die Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten sowie Wasserstellen, Supermärkte, Apotheken, Sportgeschäfte, Geldautomaten und Ärzte. Da man nie genau weiß, wie schnell man voran kommt, sollte eine Notration Energie nicht fehlen. Ich habe meist Nüsse und Trockenobst an Bord, gerne auch in Form von selbstgemachten Riegeln.
12. Schicke Ausrüstung vor oder zurück
Die meisten Fernwanderer, die einen der drei zwischen 3500 und 5000 km langen Triple-Crown-Wege Appalachian Trail, Pacific Crest Trail und Continental Divide Trail in den USA gehen, senden sich selbst Pakete mit Verpflegung und Ausrüstung postlagernd zu, die sie dann in Läden und Postämtern am Trail abholen. Das jeweilige Paket wird dann mit geänderten Inhalt zum nächsten Depot oder auch nach Hause geschickt. Diesen Trick kannst Du auch auf kürzeren Touren anwenden. Vor dem Start meiner letztjährigen Fernwanderung von Nürnberg nach Istrien habe ich Freunden bei Salzburg ein Paket mit folgendem Inhalt zukommen lassen: meine Bergstiefel, wärmere Klamotten, den Wanderführer, Wanderkarten, meine Lieblingssonnencreme sowie ein paar weitere Dinge, die ich unterwegs nicht mal eben nachkaufen kann. Dann bin ich leicht und locker von der Haustüre bis nach Salzburg gewandert. Dort haben mir meine Freunde das Paket vorbeigebracht. Nach Überquerung der Alpen ging eine Sendung zurück nach Hause und ich erleichtert dem Mittelmeer und Istrien entgegen.
Bonus: Lass los
Zu viel Kram bereitet Gram – zuhause wie unterwegs. Die Angst, etwas zu vergessen, ist beim Packen schnell für mehrere Kilogramm Gepäck verantwortlich. Entspann Dich! Solange Du das zum Überleben Wichtige dabei hast, kannst Du Dich beruhigt zurücklehnen bzw. weiterspaßieren. Mehr noch: Je besser Du loslässt, desto leichter und freier wirst Du Dich fühlen. Wenn Du Deinen Rucksack kaum mehr spürst, fällt auch all der andere Ballast von Dir ab. Dann kannst Du Dich erfreuen – an Deiner Reise, an Deiner puren Existenz, an großartige Kleinigkeiten wie einer bunten Blumenwiese, dem Duft des Waldes oder einem Regentropfen auf Deiner Nase.
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Hallo Christof,
ich habe „Deutschland der Länge nach“ gebucht, um mit „dabei“ sein zu können. Ich wünsche Dir eine gute und gesegnete Reise, viele nette Begegnungen und wertvolle Erfahrungen, die du an andere, wie mich, weitergeben kannst.
Ich mag deinen Block sehr, auch wenn ich nicht immer einen Kommentar hinterlasse.
Hab einfach eine gute Zeit mit der Erfüllung deines persönlichen Traumes.