
Vorbemerkung: Du findest diesen Artikel in einer überarbeiteten Version auch in meinem Ratgeber „Das Minimalismus-Projekt – 52 praktische Ideen für weniger Haben und mehr Sein“, der als Buch und E-Book bei Gräfe und Unzer (GU) erschienen ist.
Fehler #1: Drei Wochenenden für die Steuererklärung
Ist Dir schon aufgefallen, dass wir eine Tätigkeit gerne unterbrechen, wenn sie uns unangenehm ist und keinen Spaß macht?
Statt auf der Arbeit endlich den Bericht zu verfassen, lassen wir uns zunächst von den Kollegen, dann vom Kaffeeautomaten und schließlich in den Weiten des Internets ablenken. Beim Putzen der Wohnung kommen wir nicht ohne längere Pausen am Kühlschrank, am Smartphone oder am Bücherregal vorbei. Und mit der Steuererklärung, die eigentlich an einem Nachmittag erledigt wäre, plagen wir uns drei Wochenenden ab.
Fehler #2: 5,4 Minuten für den Liebesakt
Bei schönen Tätigkeiten hingegen lassen wir uns nicht gerne unterbrechen.
Eine Tafel Schokolade ist im Nu verputzt. Der Liebesakt dauert im Durchschnitt 5,4 Minuten. Und die Weihnachtsgeschenke reißen wir noch vor dem Festmahl auf.
Wir handeln so, weil wir davon überzeugt sind, dass Unterbrechungen unser Glück stören und den Genuss schmälern.
Besser: Angenehme Tätigkeiten unterbrechen und auskosten
Es ist aber genau andersherum!
Bei unangenehmen Tätigkeiten vermindert jede Unterbrechung die Gewöhnung (in der Psychologie spricht man von Habituation) und lässt uns noch mehr leiden, wenn wir zum Unangenehmen zurückkehren. Außerdem verlieren wir Zeit, da wir uns wie beim Multitasking nach jeder Unterbrechung neu orientieren und hineindenken müssen.
Wir können also das Phänomen der Gewöhnung für uns nutzen, indem wir die unangenehme Tätigkeit nicht unterbrechen. Da sie ihren negativen Reiz verliert, je länger wir sie am Stück ausführen, erscheint sie immer weniger lästig. Ein weiterer Vorteil ist, schneller mit der unangenehmen Tätigkeit fertig zu werden.
Schönen Tätigkeiten hingegen sollten wir öfter unterbrechen. So vermeiden wir die Gewöhnung. Nach jeder Unterbrechung freuen wir uns wieder auf die Tätigkeit. Wir haben also viel länger etwas davon und können es mehr genießen.
Umsetzung: Nicht einfach, aber mit viel Übung wirds zur Gewohnheit
Probiere es selbst aus! Putze Deine Wohnung ohne Unterbrechung in zwei Stunden. Erledige die Steuererklärung an einem Nachmittag. Iss alle drei Stunden eine Rippe Schokolade (Fortgeschrittene: ein Stück Schokolade). Öffne jeden Abend nur ein Geschenk, damit Du bis ins neue Jahr etwas von Weihnachten hast.
Klingt logisch, oder? Die Umsetzung ist aber nicht so einfach. Es benötigt viel Übung und Disziplin, Dich bei unangenehmen Tätigkeiten nicht mehr und bei schönen Tätigkeiten öfter unterbrechen zu lassen. Bis Dir das zur festen Gewohnheit wird, können zwei bis drei Monate vergehen.
Nach meiner Erfahrung gibt es eine kleine Einschränkung. Wenn Dir eine Tätigkeit so unangenehm, schwierig oder umfangreich erscheint, dass Du sie immer wieder aufschiebst oder sogar zu scheitern drohst (und Du sie nicht streichen oder delegieren kannst), solltest Du sie in mehrere Abschnitte aufteilen. Nach jedem Abschnitt legst Du eine Pause ein. So wirst Du zwar länger damit beschäftigt sein, kommst aber zumindest voran. Als extra Anreiz kannst Du Dich in jeder Pause für den absolvierten Abschnitt belohnen – zum Beispiel mit einer Rippe (oder auch einem Stück) Schokolade …
—
Um keine Artikel zu verpassen, kannst Du Dich hier mit mir verbinden: Newsletter, Facebook, Instagram, Twitter, RSS-Feed
Hi Christoph
Vielen dank für deinen Newsletter. Dieser Artikel ist mal wieder sehr interessant und auf den Punkt gebracht.
Ich habe schon mehrere unangenehme Tätigkeiten im Kopf (ja, auch das putzen!), die ich ständig unterbreche, weil sie mir so wenig Spaß machen. Das ärgert mich dann immer weil es sich so ewig in die Länge zieht.
Bei den angenehmen Dingen hast du mich mit der Schokolade und Süßem erwischt. Eine Tafel oder ein Riegel ist schneller verputzt als du schauen kannst. Ich nehme mir vor die nächste Tafel in sechs Etappen zu je eine Rippe über den Tag verteilt zu essen. Ich spüre jetzt schon dass das eine gute Idee ist und ich dadurch den Genuss verlängern kann.
Viele Grüße,
marion