
„Als mein Sohn gerade laufen konnte, bin ich mit ihm in einen Plattenladen gegangen und habe ihn mit den Schallplatten versorgt, die man meiner Ansicht nach besitzen und kennen muß, also die erste von The Clash, das Sex Pistols-Album und die ersten beiden von Led Zeppelin und Black Sabbath.“ (Billy Idol, britischer Rockmusiker, *1955)
Richtig gelesen und gesehen. Ich kaufe wieder Schallplatten, ich höre wieder Vinyl.
Noch vor ein paar Jahren habe ich stolz verkündet, dass ich 4.000 CDs und LPs verkauft und verschenkt habe. Musik wollte ich fortan nur noch streamen.
Das habe ich und mache ich weiterhin. Quasi jederzeit und auf jedem digitalen Gerät aus Millionen Songs wählen zu können, ist so verlockend wie praktisch.
Vinyl – meine alte und neue Leidenschaft
Trotzdem fehlt mir etwas oder besser gesagt einiges, wenn ich Musik streame. Das großformatige Cover einer LP, das mehr Kunstwerk als Schutz ist. Die Haptik und das Ritual, wenn ich die Schallplatte aus der Hülle nehme, auf den Teller lege und den Tonarm samt Nadel auf das Vinyl senke. Und natürlich der warme analoge Klang, den wir Vinyl-Aficionados so sehr schätzen.
Wenn ich eine Platte auflege, höre ich bewusst Musik. Meist sitze ich auf der Couch und lausche im Singletasking den Tönen. Allenfalls schaue ich mir das Cover an, lese die Songtexte oder informiere mich über den Interpreten und das Album. Nach 20 bis 25 Minuten stehe ich kurz auf, um die LP umzudrehen. Ich bin ganz bei der Sache. Ich gehe meiner Leidenschaft Musikhören nach.
Wenn ich streame, läuft die Musik oft im Hintergrund. Die Technik und Playlisten ermöglichen stundenlanges Musikhören. Das mag praktisch sein. Aber es fühlt sich für mich meist wie Konsum und nicht wie Leidenschaft an.
Minimalismus bedeutet nicht, nichts zu besitzen
Deine erste Reaktion war vermutlich, dass ein Minimalist doch kein Sammler sein kann.
Ich bin anderer Meinung. Zunächst sollten wir uns von den Bildern lösen, wie Minimalisten gerne im Fernsehen und in der Presse dargestellt werden: Als Hipster in einer durchgestylten Architekturzeitschrift-Loft, als Alternativer auf einer abgelebten Couch oder als digitaler Nomade am Strand mit Laptop auf dem Schoß. Diese Bilder haben eines gemeinsam: Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs sind kaum zu sehen, von einer Sammlung ganz zu schweigen.
Minimalismus bedeutet für mich aber nicht, nichts zu besitzen, sondern nur Gegenstände zu besitzen, die ich (ge)brauche. Ich löse mich als Minimalist also vom Ballast und umgebe mich – übrigens nicht nur auf materieller Basis – mit Dingen, die mein Leben erleichtern, bereichern oder verschönern. Da ich zum Beispiel gerne und oft koche, ist meine Küche entsprechend ausgestattet. Ich habe mich lediglich vom Ballast getrennt, von den Geräten, die ich selten oder nie verwende. Ciao Nudelmaschine. Adios Paellapfanne. Ade Fleischwolf.
Wann Minimalismus und Sammeln zusammenpassen
Demnach dürfen Minimalisten auch Gegenstände besitzen, die zum Seelenwohl beitragen. Diese Gegenstände braucht man nicht unbedingt zum Überleben, aber eben für ein schönes Leben. Bei mir sind das zum Beispiel ein oder zwei Pflanzen in jedem Raum, ausgesuchte Deko wie eine hübsche Tischdecke oder ein paar Kerzen sowie drei Bilderrahmen aus Holz und Glas, in die ich einmal im Monat drei thematisch zusammenpassende Plattencover stecke. Die letzte Ausstellung siehst Du im Foto am Ende dieses Artikels.
Das beantwortet auch die eingangs gestellte Frage, ob ein Minimalist ein Sammler sein kann. Selbstverständlich – wenn das Sammeln das Leben bereichert, wenn der Sammler die Sammlung im Griff hat und nicht andersherum, wenn das Sammeln dem Streben des Minimalisten nach Freiheit, Klarheit und Freude nicht entgegensteht, wenn das Sammeln also Leidenschaft und keine Sucht ist.
4 Tipps, wie Du als Minimalist Sammler sein kannst
Die größte Gefahr beim Sammeln ist, dass aus der bereichernden Leidenschaft eine Sucht wird. Dann investiert man schnell zu viel Zeit, Energie, Geld und Platz. Das steht den Prinzipien des Minimalismus entgegen und wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden aus.
Die folgenden Tipps sollen Dir helfen, Dein Streben nach Minimalismus und Deine Sammelleidenschaft unter einen Hut zu bringen. Was Du sammelst, spielt keine Rolle. Bücher, Briefmarken, Bierkrüge. Kaffeemühlen, Keramik, Kotztüten. Oder eben Schallplatten, von mir liebevoll schwarzes Gold genannt. Sammle, was Dir gefällt.
- Nur Lieblingsteile. Viele Sammler streben nach Vollständigkeit. Das kann im Widerspruch zur minimalistischen Lebensweise stehen, denn die meisten Sammelgebiete sind groß. Der Minimalist unter den Sammlern muss nicht alle Stücke besitzen, sondern nur die, die ihm wirklich Freude bereiten. Gehe Deine Sammlung durch, nehme jedes Stück in die Hand und entscheide, ob es Dich bereichert oder gehen darf. Ich behalte nur LPs, die ich gerne höre und deren Cover und Vinyl in einem guten Zustand sind. Mein Ziel ist keine große und schon gar nicht vollständige Sammlung, sondern eine gut gepflegte und gehegte Sammlung meiner Lieblingsalben, den sogenannten Inselplatten.
- Setze Dir und Deiner Sammlung Limits. So verhinderst Du, dass Deine Sammlung und Dein Hobby keinen ungesunden Umfang annehmen. Ich besitze im Moment rund 200 LPs. Mein Limit muss ich noch festlegen. Es könnte bei 500 liegen. Dann würde ich die Regel aufstellen, dass ich eine Platte aus meiner Sammlung verkaufe, verschenke oder spende, sobald ich die 500er-Grenze erreicht habe. Andere Limit könnten z. B. lauten: Ein Buch lesen, erst dann ein neues kaufen. Nicht mehr Zippos sammeln, als in die Glasvitrine passen. Maximal alle zwei Monate ein neues (oder gebrauchtes) Paar Schuhe kaufen.
- Halte Ordnung. Es macht Spaß, sich mit einer gut organisierten Sammlung zu beschäftigen. Außerdem verhindert es Fehlkäufe, Dubletten und die Übersicht zu verlieren. Ich habe meine Plattensammlung nach Interpreten sortiert, also z. B. „Simon & Garfunkel“, dann „Simon, Paul“, „Smith, Elliott“, „Smith, Patti“, „Smiths, The“, „Souled American“ usw. Innerhalb eines Interpreten sind die Alben nach dem Erscheinungsdatum geordnet, z. B. von den Stones „Let It Bleed“ (1967) vor „Sticky Fingers“ (1971) und „Exile On Main St.“ (1972). Ich habe außerdem auf Discogs eine Liste mit meiner Sammlung und eine Wunschliste erstellt. So kann ich im Plattenladen auf meinem Smartphone nachschauen, wenn ich mir mal nicht sicher bin, ob ich ein Album schon habe bzw. noch suche.
- Gebe Deiner Sammlung einen Sinn. Eine gut gepflegte Sammlung bereitet dem Sammler schon durch ihre Existenz und die gelegentliche Durchsicht Befriedigung. Wenn Du jedoch etwas sammelst, dass Du zugleich verwendest, hast Du noch mehr Freude daran. Bei meinen Schallplatten ist das gegeben, weil sie nicht nur herumstehen, sondern auch gehört werden. Bei anderen Sammelgebieten muss man vielleicht erst nach einem erweiterten Sinn suchen. Aus Bierkrügen schmeckt nicht nur Bier, sondern auch Apfelsaftschorle, und man kann sie als Pflanzentöpfe verwenden. Postkarten kann man in Alben stecken oder versenden. Bücher sind zum Lesen da. Kaffeemühlen zum Kaffee mahlen …
Nun Du: Bei welchen Dingen packt Dich die Sammelleidenschaft? Wie verhinderst Du, dass daraus keine Sucht wird? Bonusfrage für Musikliebhaber: Welche sieben LPs (Interpret und Name des Albums) sind im Foto oben abgebildet?

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