Dinge weggeben, an denen Du emotional hängst

17. Januar 2021 - von Christof Herrmann - 27 Kommentare
Dinge weggeben, an denen Du emotional hängst - Foto: S. Hermann & F. Richter von Pixabay

„Lerne loszulassen, das ist der Schlüssel zum Glück.“ (Siddharta Gautama Buddha)

Vorbemerkung: Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem Ratgeber „Das Minimalismus-Projekt – 52 praktische Ideen für weniger Haben und mehr Sein“, der als Buch und E-Book bei Gräfe und Unzer (GU) erschienen ist.

Onkel Ottos Bierkrüge und der schiefe Plastikturm von Pisa

Du wirst wahrscheinlich beim Ausmisten auf Dinge stoßen, bei denen Dir das Loslassen besonders schwerfällt. Es sind Dinge, an denen Du emotional hängst, weil sie Dich an einen geliebten Menschen, an einen wichtigen Moment in Deinem Leben oder an ein schönes Erlebnis erinnern.

Diese Brücken zur Vergangenheit nehmen ganz unterschiedliche Gestalt an: das Porzellan von Tante Traute und die Bierkrügesammlung von Onkel Otto, Liebe in Briefen und Omas Leben in Fotoalben, das Video vom Abischerz und das Vordiplom vom Zweitstudium, Zeichnungen und Schulhefte der längst erwachsenen Kinder, Sand vom Karibikurlaub und der schiefe Plastikturm von Pisa …

Dein Leben findet im Hier und Jetzt statt

Auch wenn diese Dinge oft weder besonders schön noch nützlich sind, ist nichts dagegen einzuwenden, schöne Erinnerungen damit symbolisch wachhalten zu wollen. Und es tut Dir gut, sie – die Dinge ebenso wie die Erinnerungen – hin und wieder hervorzuholen.

Dummerweise sammeln sich im Laufe der Jahre immer mehr dieser Erinnerungsstücke an. Sie füllen Regale und Sideboards, Wände und Kühlschränke, Festplatten und Alben, Schubladen und Kisten. Sie fangen an, Staub zu fangen. Sie verlieren in der Masse ihren emotionalen Wert und können Dich von neuen Begegnungen und Erfahrungen abhalten. Dann ist es Zeit, loszulassen. Dein Leben findet im Hier und Jetzt statt.

Dinge gehen, Erinnerungen bleiben

Mach Dir bewusst, dass es darum geht, nur einen Teil der Dinge, an denen Du hängst, auszusortieren. Das nimmt den Druck raus.

Wie viele und welche Erinnerungsstücke Du loslassen möchtest, kannst einzig Du entscheiden. Manchen fällt es leichter, wenn sie den betreffenden Gegenstand fotografieren. Folge Deinem Bauchgefühl. Behalte, was spontan ein Lächeln auf Deine Lippen zaubert. Lächelst Du viel, kannst Du versuchen, nur die Stücke aufzuheben, die den geliebten Menschen oder das schöne Erlebnis am besten repräsentieren – an Onkel Otto erinnern fortan ein Foto und der prächtigste Bierkrug aus seiner Sammlung. Überlege Dir, ob die Dinge einen besonderen Platz in Deiner Wohnung bekommen oder ob Du sie lieber außer Sichtweite aufbewahrst und bei Bedarf hervorholst.

Habe keine Angst vor dem Loslassen. Auch wenn Du etwas weggibst, bleibt die Erinnerung an den Menschen oder das Erlebnis erhalten. Sie kommt auf wundersame Weise zum Vorschein – in Deinem Gedächtnis, in Deinem Wesen oder in Deinem Herzen.

Der Newsletter zum #1 Minimalismus-Blog

Möchtest auch Du einfacher und bewusster leben? Dann trage Dich hier in meinen kostenlosen Newsletter ein und erhalte einmal im Monat meine neuen Blogartikel sowie Tipps zu den Themen Minimalismus, Nachhaltigkeit, Pflanzenkost und WandernEinfach bewusst ist mit 150.000 Seitenaufrufen pro Monat der meistgelesene deutschsprachige Minimalismus-Blog.

27 Kommentare für “Dinge weggeben, an denen Du emotional hängst”

  1. Hey Christof!

    Ich habe diesen Text schon in deinem Buch aufmerksam studiert. Dein Ratschlag sich von dem Gedanken zu lösen, dass man alles weggeben muss, war für mich Gold wert. So ist es mir gelungen schneller, mehr und freudvoller auszumisten. Bei Dingen, an denen ich emotional hänge, aber auch bei anderen Dingen.

    Viele Grüße!
    Leo

  2. Als ich meiner größte Aufräumaktion hatte, Umzug von Haus, in dem ich meine drei Kinder großgezogen habe in viel kleinere Wohnung zu Zweit musste ich immer an das Lied von Reinhard Mey denken. „Erinnerungen“… und habe es vor mich hingesunken: „Erinnerungen sind vor allen Dingen, in uns und nicht an irgendeinem Ort, und so schön wie sie für uns waren klingen sie eben nur in unseren Erinnerungen fort“… Das hat mich irgendwie getröstet, tröstet mich bis heute, alle Erinnerungen sind ja in mir, Teil von mir. Dafür muss ich nicht zwingend einen Gegenstand haben oder einen Platz aufsuchen. Britta

  3. … nein „hingesunken“ bin ich deshalb nicht.. ich habe natürlich gesungen :-) Liebe Grüße an Alle und besonders dich, lieber Christof. Britta

  4. Lieber Christoph!

    Ja, das werde ich auch zu beherzigen suchen!
    Ich habe einen Kelleraum auszumisten und fange seit einiger Zeit an ,auch Dinge zu verschenken.
    Das macht Freude!
    Aber es muß auch noch viel in den Abfall …
    So suche ich meinen Mut, um zum Wegwerfen aufzubrechen…
    Herzlich!
    Lars

  5. Hallo Christof,
    ähnlich wie Britta musste ich mich über die Jahre von vielen Dingen trennen. Inkl. Ehemann und Hund. Als ich nach dem Ende meiner Ehe mit den Kindern zurück nach Deutschland gezogen bin und wir viele ihrer sperrigen Spielsachen verkauft und verschenkt haben, da ich sie nicht wieder im Container zurück nach Deutschland konnten, sagte mein Jüngster (damals ca. 10 Jahre): „Mama, du verkaufst meine Kindheit.“
    Das war eine schmerzliche Erfahrung. Jahre später hat er lachend gesagt, dass das damals ein Witz gewesen sei – der mich jedoch viele Jahre belastet hatte. Es war schon ein wahrer Kern in der Aussage. Ein ähnlicher Prozess fand 10 Jahre später statt, als die Kinder ihre Schule beendet hatten und hinaus in die Welt geschickt wurden und ich mir für mich alleine eine kleine 2 Zimmer-Wohnung suchte.
    Von ehemals 350 qm Wohnfläche in den USA zurück auf ca. 60 qm war ein interessanter Prozess.
    Gerade bin ich wieder umgezogen und stelle nach wie vor fest, dass ich bei jedem Umzug (es waren 10 seit 2004) ca. ein Drittel meiner „Dinge“ los werde und dennoch ist noch immer mehr in den Kisten, als ich tatsächlich brauche. Aber einige wenige Herzensdinge werden mich bis zum letzten Atemzug begleiten. Dinge wie ein vom Großvater für die Großmutter ca.1940 gebauter Klappstuhl, auf dem sitzend sie den Kanonenofen leichter anzünden konnte, mein allererster sehr zerfetzter Teddy und schöne Kleinigkeiten, die meine Kinder vor Jahren gemalt und gebastelt hatten.
    Diese Dinge ziehen auch immer besonders gut verpackt und geschützt um.
    In einigen Jahren wird sich die Frage stellen, welche Erinnerungen ich aus meinem Elternhaus bewahren möchte – ohne mich damit zu belasten.
    Das wird nicht leicht.
    Bis dahin freue ich mich über jeden reduzierten Tag.

    Herzliche Grüße
    Andrea

  6. Lieber Christof,
    ich denke bei dem Thema gerne an die beiden Wanderer, die auf ihrer Reise in einem Kloster übernachten. Ein Mönch führt sie in ein Zimmer, in dem ein Bett und ein Stuhl stehen. Bei dem Anblick rufen die Wanderer verwundert aus: „Wo sind denn ihre ganzen Sachen?“ „Wo sind denn ihre?“ fragt der Mönch. Sie antworten: „Wir sind nur auf der Durchreise“. „Das sind wir auch“ entgegnet der Mönch lächelnd.
    Ich mag die Geschichte sehr. Sie bringt es auf den Punkt und lässt mich über mich selbst lachen, wenn ich feststelle, dass ich zu doll an etwas klebe.
    Einen Tip zum Umgang mit emotionalen Dingen habe ich noch, der sich für mich sehr bewährt hat.
    Sehr persönliche Dinge wie Briefe, Fotos etc. übergebe ich gerne dem Feuer, das ich extra zu diesem Zweck anzünde. Ich setze mich dazu, nehme bewusst Abschied und sehe zu, wie alles von den Flammen verzehrt wird. Danach ist da eine große Leichtigkeit und auch Frische, die ich nicht verspüre, wenn ich die Sachen einfach wegwerfe. Probiert es mal aus.
    Herzliche Grüße
    Jela

    1. Diese schöne Geschichte habe ich schon gelesen. Vielen Dank fürs Erinnern. Passt sehr gut zu diesem Artikel.

      Dein Tipp mit dem bewussten Abschied nehmen, könnte etwas für Stefan zwei Kommentare weiter unten sein, für den Erinnerungsstücke Sakramente sind, die man nicht achtlos wegwerfen darf.

      Viele liebe Grüße

      Christof

  7. Hallo Christof,

    ich bin schon mehrere Tage damit beschäftigt, meine umfangreiche Büchersammlung durchzuschauen, wegzuwerfen und die Kisten für die Buchaufkäufer fertigzumachen.
    Heute werde ich ein Buch wegwerfen, an dem ich aus besonderen Gründen sehr hänge. Es ist ein kleiner Reiseführer über die USA. Ich habe ihn zu DDR-Zeiten auf der Buchmesse in Leipzig mitgenommen. Aber es tut fast garnicht weh.

    Gruß

    Andreas

  8. Hallo,

    alte Dinge sind oft nicht mehr einfach nur Dinge. Wenn wir mit den alten, oft zerfetzten, abgenutzten Dingen Menschen und Geschichten, Erlebnisse verbinden, dann sind sie Sakramente geworden. Und Sakramente sind etwas sehr wertvolles. Sie lassen Menschen und Vergangenes lebendig werden. Daher würde ich nie Gegenstände achtlos wegwerfen, wenn sie mich auf so besondere Weise mit der Vergangenheit verbinden.
    Liebe Grüße, Stefan

    1. Hallo Stefan,

      achtlos wegwerfen soll man ja nichts. Es geht darum, sich zu überlegen, ob man den Gegenstand wirklich noch (ge)braucht oder nur aufhebt, weil man Angst hat, dass die positive Erinnerung verloren geht. Wie im letzten Abschnitt geschrieben, denke ich, dass die Erinnerung trotzdem weiter in einem besteht. Und es geht auch nicht darum, alle Erinnerungsstücke wegzugeben. Aber dadurch, dass wir sehr viel aufheben, verlieren die einzelnen Stücke an Bedeutung.

      Viele Grüße

      Christof

  9. Erinnerungen aus der Vergangenheit.
    Wenn wir von jeder Person, die uns in unserem Leben begleitet hat, ein Erinnerungsstück aufheben wollten, wäre das eine gewaltige Menge. Besonders wenn man schon fast 60 ist. Ich habe viele von den Tipps, die ich bei dir, lieber Christof, gelesen habe, beherzigt und mein Leben aufgeräumt und passe auf, dass nichts mehr, was ich nicht zwingend brauche, zu mir reinkommt Jeder Kauf wird genauestens überlegt und durchdacht. Den geerbten Hausstand meiner Schwiegermutter haben wir überwiegend verschenkt (gespendet) und die vielen Sammlungen meines Vaters habe ich verkauft, verschenkt, weggeworfen.
    Ich fühle mich viel freier wenn ich auch noch nicht fertig bin. Solange freue ich mich über jeden neuen Newsletter.
    Viele liebe Grüße, Elke

    1. Also ich hebe ein oder wenige Dinge von jeder wichtigen (!) Person auf, die mein Leben auf positive Weise begleitet oder begleitet hat. Das ist z. B. eine Person, die ein Lächeln auf meine Lippen zaubert, wenn ich an sie denke.

      Viele Grüße

      Christof

  10. Lieber Christof,
    Vielen Dank erstmal für deinen inspirierenden Blog und auch dein Buch, in das ich schon hineingeschnuppert habe.
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die emotionale Bindung zu Erinnerungsstücken, die mit lieben Menschen verbunden sind, verändern kann.
    Dachte ich noch beim Umzug, wo man ja zwangsläufig mal mit all seinen Siebensachen in Berührung kommt, dies und das möchte ich unbedingt behalten, sieht das beim Ausmisten, aus welchem Anlass auch immer, mit demselben Erinnerungsstück ganz anders aus und ich kann es leichten Herzens aussortieren.
    Man „muss“ ja gar nichts aussortieren, man kann, das hast du sehr richtig bemerkt.
    Liebe Grüße
    Ulrike

    1. Ich nenne das das scheibchenweise Aussortieren. Habe bei mir und vielen anderen beobachtet, dass man meist mehrere Runden braucht, bis man noch das übrig hat, was man (ge)braucht. Das gilt für Bücher, für die Socken und auch für die Erinnerungsstücken

      Viele liebe Grüße

      Christof

  11. Hallo Christof,
    ach man, das hast du so schön geschrieben und irgendwie treibt es mir beim Schreiben Tränen in die Augen, aber mir fällt das so schwer.
    Ich habe sicher schon viele Urlaubserinnerungen entsorgt, aber einiges an Gegenständen bindet mich seelisch so stark , fröhlich und auch traurig, das ich damit große Probleme habe, die Sachen zu entfernen. Da sind die schönen Dinge von meiner Hochzeit 2019, egal ob Karten, Brautschuhe etc. oder eben die, die mich auch traurig machen… die kleine Tasche, die meine Oma immer bei sich hatte, das Hemd meines Papas, das er gern trug, bevor er gestorben ist. In meinem Kopf ist dann immer das Gefühl, wenn ich diese Sachen, die einen Wert in meinem Leben angenommen haben, entsorge… dann entsorge ich auch die Erinnerung.
    lg Susann

    1. Hallo Susann,

      dann behalte die Erinnerungsstücke. Wenn es irgendwann zu viele werden und Du Dich damit nicht mehr wohl fühlst, kannst Du Dich dem Thema wieder zuwenden. Ausmisten soll keine Qual sein, sondern Freude machen und Leichtigkeit bringen.

      EBG

      Christof

  12. Hallo Christof
    Ich habe bei meiner großen Aufräumaktion die lange aufgehobenen Erinnerungsstücke größtenteils als Fotos für mich konserviert. Werde ich künftig weiter so machen, hat sich bewährt. Vieles gab ich an Vereine oder Familien mit Kindern weiter, im gefällten Sinne meiner verstorbenen Eltern, sodass diese Pokale und beruflichen Restbestände auf sinnvolle Weise der sozialem Gemeinschaft zugeführt werden konnten und nicht weggeworfen wurden. Dieser Gedanke ist auch nach Jahren sehr befriedigend und auf diese Weise in meiner Erinnerung ein großer Gewinn!
    Morgendliche Grüße, Evelyne

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert