„Zukunft wird nur dann möglich sein, wenn wir lernen, auf Dinge, die machbar wären, zu verzichten, weil wir sie nicht brauchen.“ (Günter Grass, deutscher Schriftsteller, *1927)
Vorbemerkung: Du findest diesen Artikel in einer überarbeiteten Version auch in der Einleitung meines Ratgebers „Das Minimalismus-Projekt – 52 praktische Ideen für weniger Haben und mehr Sein“, der als Buch und E-Book bei Gräfe und Unzer (GU) erschienen ist.
Auf meiner kürzlich veröffentlichten Themenseite Minimalismus erkläre ich den Begriff so: „Minimalismus bedeutet für mich, ohne Ballast zu leben. Jeder Mensch definiert diesen Ballast unterschiedlich. Meist hat es mit materiellem Überfluss, unnötigen Aufgaben und negativen Beziehungen zu tun.“
Ein solches minimalistisches, einfaches Leben bringt zahlreiche Vorteile mit sich und kann Probleme lösen. Dazu ist tatsächlich nicht viel mehr nötig, als sich vom Ballast zu befreien und weniger zu konsumieren. Ich habe das in den letzten Jahren selbst erfahren. Oft war ich überrascht, wie schnell sich ein Problem in Luft aufgelöst hat.
Ich habe acht Probleme ausfindig gemacht, die ein einfaches Leben lösen kann.
Geldsorgen
Der beste Rat bei Geldsorgen und Schulden ist, weniger auszugeben als man einnimmt. Minimalisten fällt das leicht. Sie leben unter ihren Verhältnissen und konsumieren mit Bedacht. Früher oder später führt die erhöhte Sparquote zu einer gewissen finanziellen Unabhängigkeit.
Hohe Arbeitsbelastung
Viele Menschen empfinden ihre Arbeit als enorme Anstrengung. In gefühlt immer kürzerer Zeit immer mehr leisten zu müssen, also ständig am Limit zu malochen, hinterlässt Spuren an Körper und Seele. Ein einfaches Leben kann der Ausweg aus dem Hamsterrad sein. Die geringeren Ausgaben und die erhöhte Sparquote machen es oft möglich, die Arbeitszeit zu verkürzen. Eine Reduzierung von täglich einer viertel Stunde entspricht bereits acht volle Arbeitstage pro Jahr. Ein Sabbatical, früher in Rente gehen und ein Arbeitgeberwechsel sind weitere Trümpfe, die Minimalisten in der Hand haben.
Zeitmangel
Vor hundert Jahren besaß der Durchschnittsdeutsche 1.000 Gegenstände. Heute sind es zehnmal so viele. Kein Wunder, dass wir das Gefühl haben, immer weniger Zeit zu haben. All die Gegenstände müssen schließlich recherchiert, ausgewählt, gekauft (mit Geld, das auch noch verdient werden muss), heimgebracht, benutzt, organisiert, gepflegt, repariert, entsorgt und ersetzt werden. Verzichtet man auf Sachen, gewinnt man wertvolle Zeit, um Sachen zu machen. Familie und Freunde, Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliche Tätigkeiten sowie die eigenen Passionen treten in den Vordergrund.
Platzmangel
In Deutschland hält der Trend zu größeren Wohnflächen an. Standen 1998 jedem Bürger noch durchschnittlich 39 m² zur Verfügung, so ist die Pro-Kopf-Wohnfläche mittlerweile auf 45 m² angestiegen. 2030 wird sie den Prognosen nach bei 54 m² liegen. Das hat zum einen mit der Zunahme der Ein- und Zweipersonenhaushalte, zum anderen mit unserer Vorliebe fürs Konsumieren und Horten zu tun. Viele Haushalte platzen längst aus allen Nähten. In einem einfachen Leben hat Platzmangel keinen Platz. Meist wird eine aufgeräumte Wohnung mit reduziertem Besitz als befreiend empfunden. Manchmal ist es sogar möglich, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, was abermals Geld und Lebenszeit spart.
Umweltprobleme
Unser westlicher Lifestyle mit seinem gigantischen Ausmaß an Konsum, Energieverbrauch, Verzehr tierischer Produkte, Mobilität, Globalisierung und Müll hat dazu geführt, dass die Erde in einem desaströsen Zustand ist. Der ökologische Fußabdruck eines Deutschen liegt bei 11 Tonnen CO₂-Äquivalenten. Der für Klima und Erde noch verträgliche Wert liegt jedoch bei 2,5 Tonnen CO₂-Äquivalenten. Wir haben den Abgrund vor Augen und bleiben trotzdem stur auf dem Gaspedal. Ein einfaches Leben ist die Notbremse und der Ausweg aus dem Konsumpf. Wie von Zauberhand verbessert es unseren ökologischen Fußabdruck in den Bereichen Wohnen, Konsum, Ernährung, Mobilität und Reisen.
Schnelllebigkeit und Reizüberflutung
Weniger statt mehr, langsam statt schnell, leise statt laut, offline statt online, Single-Tasking statt Multitasking, Fahrradweg statt Autobahn, Land statt Stadt, Slow Food statt Fast Food, Verwirklichung statt Bespaßung: Die Anhänger des einfachen Lebens zelebrieren den Gegenentwurf zu Schnelllebigkeit und Reizüberflutung. Wie zukunftsfähig das ist, zeigt die zunehmende Zahl an Menschen, die an Konzentrationsschwierigkeiten, Schlaflosigkeit, Tinnitus, Chronischem Erschöpfungssyndrom, Burnout oder Depressionen leiden.
Fremdbestimmung
Sind wir eigentlich noch frei? Oder sind wir wie Lemminge fremdbestimmt und abhängig von Beruf, Besitz und Banken? „Wenn du etwas loslässt, bist du etwas glücklicher. Wenn du viel loslässt, bist du viel glücklicher. Wenn du ganz loslässt, bist du frei.“, sagte der theravada-buddhistische Mönch Ajahn Chah. Dieses Zitat könnte als ein Grundsatz des Minimalismus durchgehen. Der von Werbung und Mitmenschen vorgelebte Materialismus wird als leeres Versprechen entlarvt. Wer die Freiheit liebt und seinen eigenen Weg gehen möchte, sollte sich von äußeren Besitztümern unabhängig machen.
Unzufriedenheit
Löst man eines oder mehrere der oben aufgeführten Probleme, wird dadurch meist auch Problem Nummer acht, die Unzufriedenheit, angegangen. Konsumismus ist oft Ausdruck innerer Leere. Ein einfaches Leben hingegen kann zu mehr Glück und Zufriedenheit führen, weil darin Wichtigeres als Materielles im Mittelpunkt steht: Die Menschen, die Umwelt, die eigene Gesundheit und Leidenschaften.
Welches dieser acht Probleme konntest Du mit einer minimalistischen Lebensweise lösen bzw. welches möchtest Du in Zukunft lösen?
Das Schöne am einfachen Leben ist, dass man damit sofort starten kann. Auf diesem Blog findest Du zahlreiche Anregungen dazu. Meine 25 Tipps, wie Du minimalistischer leben kannst sowie meine 25 weiteren Tipps, wie Du minimalistischer leben kannst wurden zusammen 60.000 Mal gelesen. Ansonsten empfehle ich, die nächste Reise von der Haustüre aus zu starten, ein paar Dinge auszumisten und zu verschenken oder darüber nachzudenken, das Auto zu verkaufen.
—
Um keine Artikel zu verpassen, kannst Du Dich hier mit mir verbinden: Newsletter, Facebook, Instagram, Twitter, RSS-Feed
Hi Christof,
ein sehr hilfreicher Artikel. Vielen Dank!
Mir hat meine sechsmonatige VW Bus Reise sehr dabei geholfen, zu einem einfacheren Leben zu finden. Deshalb finde ich mich in jedem deiner Punkte wieder und kann bestätigen, dass sich dieser Weg besser anfühlt.
Ich werde heute auch noch einen Artikel online stellen zum Thema, was eine deutliche und bewusste Konsumeinschränkung mit mir gemacht hat. Also falls du Lust hast, lies heute Abend mal rein :)
Liebe Grüße
Mischa