Verhalte Dich öfter antizyklisch

26. März 2023 - von Christof Herrmann - 23 Kommentare
Sonnenaufgang an der Lizumer Hütte in den Tuxer Alpen. (Foto: Christof Herrmann, 2022)

Vorbemerkung: Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem Ratgeber „Das Minimalismus-Projekt – 52 praktische Ideen für weniger Haben und mehr Sein“. Der Text findet sich auch in einer gekürzten Version in meinem Aufstellkalender „Das Minimalismus-Projekt – 52 Challenges für ein befreites Leben“. Der Kalender hat kein Kalendarium und die Challenges können das ganze Jahr über angegangen werden.

„Gehe deinen eigenen Weg, aber lass auch jeden anderen seinen eigenen Weg durchwandern.“ (Bô Yin Râ)

Möchtest Du Zeit, Geld und Nerven sparen? Dann denke und lebe antizyklisch. Unter einem antizyklischen Verhalten versteht man Handlungen, die sich entgegen den üblichen Verhaltensmustern der Menschen bewegen. Wenn Du beispielsweise einen Tag vor Beginn der Sommerferien in den Urlaub fährst, vermeidest Du volle Züge oder Staus auf der Autobahn. Statt mit dem Strom schwimmst Du also gegen den Strom.

Überlege Dir, wo Du Dich bereits antizyklisch verhältst und wo Du Dich an der Masse orientierst. Frage Dich, welche Vor- und Nachteile das jeweils mit sich bringt. Dann wird es Dir leichter fallen, weitere Lebensbereiche festzulegen, in denen Du der allgemeinen Hektik Deinen eigenen Rhythmus entgegensetzen möchtest.

Mache Dir Notizen, brainstorme allein oder besser mit anderen, denke um die Ecke. Sind die zu vermeidenden Stoßzeiten nicht offensichtlich, kannst Du sie erfragen oder vor Ort recherchieren.

Auf der Arbeit, beim Einkaufen, im Urlaub

Es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem antizyklisches Verhalten nicht möglich ist. Hier eine kleine Auswahl an Beispielen:

  • Supermärkte sind von Montag bis Donnerstag vormittags sowie am frühen Nachmittag deutlich weniger besucht als nach Feierabend oder samstags.
  • Saisonale Gebrauchsgegenstände wie Kleidung, Gartenmöbel oder Winterreifen sind am Ende der Saison meist am günstigsten. Smartphone-Preise purzeln nach unten, sobald der erste Hype um das neue Gerät vorbei ist.
  • Weihnachtsgeschenke lassen sich im Oktober oder November ohne Hektik besorgen.
  • In Fahrradläden haben die Mitarbeiter im Winter mehr Zeit und Muße für Beratung und Reparatur als im Frühling, wenn das halbe Land im Laden steht.
  • In der Kantine ist um elf Uhr noch wenig los und die Auswahl größer als zur üblichen Essenszeit.
  • In Restaurants bekommt man vor 17.30 Uhr und nach 21 Uhr oft auch ohne Reservierung einen Tisch.
  • Auf dem Arbeitsweg vermeidet volle Straßen oder Gedränge in öffentlichen Verkehrsmitteln, wer ganz früh (oder ganz spät) zur Arbeit pendelt. Dort kann man außerdem in Ruhe Dinge erledigen, ehe Kollegen auftauchen oder nachdem sie gegangen sind.
  • Im Hallenbad findet sich im Sommer bei gutem Wetter oft eine freie Bahn, bei schlechtem Wetter im Freibad.
  • Urlaubsziele sind außerhalb der Schulferien meist nicht so voll und die Unterkünfte günstiger.
  • Im Sommer ist es auch bei uns schön und man kann Urlaub auf Balkonien machen.
  • Beliebte Orte können mitten in der Nacht oder im Morgengrauen ruhig und gespenstisch schön ruhig sein.

Genau betrachtet, ist die minimalistische Lebensweise ebenfalls antizyklisch, weil die große Masse weiter konsumiert und sich immer mehr aufhalst.

Irgendwo zwischen Herdentrieb und Abkapselung

In welchen Bereichen für Dich ein antizyklisches Verhalten Sinn macht, hängt von Dir selbst und Deinen Lebensumständen ab. Bist Du kein Frühaufsteher, wirst Du kaum als Erster auf der Arbeit sein. Hast Du schulpflichtige Kinder, könnt Ihr nur während der Schulferien wegfahren. Auch die Partnerschaft, Freunde und Kollegen beeinflussen Deinen Lebensrhythmus. Wir sind soziale Wesen und wollen Menschen, die uns wichtig sind, nicht verprellen. So wird der für Dich richtige Weg irgendwo zwischen Herdentrieb und Abkapselung liegen.

Je mehr Du antizyklisches Verhalten verstanden und verinnerlicht hast, desto öfter wirst Du Gelegenheiten dazu erkennen und umsetzen. Das spart jedes Mal ein bisschen Zeit, Geld oder Nerven. In der Summe wirkt sich das positiv auf Deinen Alltag aus.

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23 Kommentare für “Verhalte Dich öfter antizyklisch”

  1. Lieber Christof,
    toll, dass Du dieses faszinierende Thema aufgreifst! Um uns und in uns gibt es eine Vielzahl an Zyklen. Was ich noch ergänzen möchte: Man kann auch erfolgreich antizyklisch investieren – also dann, wenn die Preise an den Finanzmärkten besonders günstig sind – denn auch das Handeln an der Börse folgt bestimmten wirtschaftlichen und psychologischen Zyklen.
    In anderen Bereichen des Lebens ist es wiederum sinnvoll, im Einklang mit den Zyklen zu bleiben, zum Beispiel den Jahreszeiten oder dem eigenen Biorhythmus.
    Herzliche Grüße
    Rebecca

    1. Besten Dank, liebe Rebecca.

      Du hast natürlich recht, es gibt noch viele weitere Zyklen und jeder sollte sich überlegen, nach welchen er leben möchte und nach welchen nicht. Ich etwa bin dem Börsenhandel bzw. den wieder in Mode gekommenen ETFs gegenüber kritisch eingestellt, da sie nicht meiner Vorstellung von Nachhaltigkeit und Ethik entsprechen. Habe lediglich ein kleines Depot mit einer Handvoll Papieren, die den sehr „strengen“ Kriterien der Umweltbank entsprechen.

      Einfach bewusste Grüße

      Christof

  2. Hallo Christof,
    Dein Artikel bringt mich auf gute Ideen, vielleicht mal die touristenüberlaufene Burg morgens um 5 Uhr zu besuchen. Nur finde ich den Vergleich: „Statt mit dem Strom schwimmst Du also gegen den Strom.“ hier nicht passend: es soll doch leichter und einfacher werden mit Deinen Tipps. Wenn ich aber gegen den Strom eines Flusses schwimme, muß ich mehr Kraft aufwenden.
    Herzliche Grüße Chris

    1. Lieber Chris,
      so wie ich Christof verstehe, hat er den Begriff „Strom“ nicht im Sinne eines natürlichen Flusses, der uns trägt, verwendet. Der Strom, den er meint, besteht aus uns Menschen, bzw. unseren Gewohnheiten. Wenn ich bewusst leben möchte, muss ich mit meiner Aufmerksamkeit bei dem bleiben, was ich tue und schauen, ob es in Übereinstimmung mit meinem Vorhaben ist. Mir fällt das so viel leichter, wenn ich alleine bin bzw. mit Menschen zusammen bin, die auch diese Ziele verfolgen. Dann „schwimme“ ich mit dem Strom der umgebenden Menschen und es fällt mir leicht. Wenn ich aber z. B. zu einer Stoßzeit im Einkaufszentrum bin, umgeben von Menschen, die unbewusst einfach konsumieren, dann werde ich oft abgelenkt und manchmal verführt auch mehr zu kaufen, als ich eigentlich wollte, oder ich fange an, vor der Kasse unruhig zu werden. Gegen diesen Strom zu schwimmen, ist einfach sehr anstrengend. Antizyklisch zu leben, bedeutet in diesem Sinne, Nischen zu finden, die leerer sind, in denen es leichter fällt, bei mir zu bleiben, an meinem inneren Ort der Geduld und Gelassenheit zu bleiben und nicht durch die Hektik der Menschen um mich herum z. B. im Kassenbereich,
      fortgerissen zu werden. Liebe Grüße Jela

        1. Ich lebe seit einigen Jahren antizyklisch. Man schwimmt nicht unbedingt gegen den Strom, aber häufig gegen den eigenen Schweinehund – um 4.30 aufstehen um um 5 Uhr auf der Autobahn oder im Fitnesscentre zu sein war anfangs nicht so einfach. ?

  3. Ich habe das Buch und den Kalender und verwende beides häufiger zur Inspiration.
    Ich bin auch dabei meinen Haushalt auf praktische Gegenstände zu reduzieren und Sorten rein zu strukturieren. Langsam aber besser als nicht.
    Ich fand insgesamt den Tipp für Erinnerungsstücke auch erhellend und Gegenstände gehen aber Erinnerungen bleiben sehr gut für mich. Ich schätze auf jeden Fall beide Publikationen sehr. Danke für die Arbeit.

  4. Hi Christoph,
    schöner Artikel! Deine Tips motivieren mich den Wocheneinkauf nicht mehr am Samstag zu machen. Die vielen Menschen treiben mich jedesmal in den Wahnsinn!
    Mach bitte weiter so mit deiner Seite Einfachbewusst.
    Katrin

    1. Hallo Katrin,

      das ist sicher eine gute Idee. Samstag früh gleich nach Öffnung des Supermarkts geht es meist auch ruhig zu. In dem Biomarkt, wo ich meist einkaufe, ist seit der Pandemie spürbar weniger los. Nur mittags und Samstag ab 10 Uhr bildet sich auch mal eine kurze Schlange vor der Kasse. In den Nürnberger Unverpackt-Läden ist leider gar nichts mehr los. Die haben dauerhaft geschlossen.

      Viele Grüße

      ChristoF

  5. Wenn man ein bisschen vorausplant, geht das mit dem antizyklischen Einkaufen sehr gut. Allerdings finde ich es schon manchmal frustrierend, wenn ich die neuen Schuhe ein halbes Jahr in den Schrank packen muss, weil erst mal Winter oder Sommer vor der Türe steht. Da muss ich mich mehr in Geduld üben.
    Beim Wocheneinkauf meide ich generell die Stoßzeiten und bevorzuge kleine Läden, bei denen man nicht alles stundenlang suchen muss und eigentlich Wanderschuhe bräuchte. Wenn wir doch mal an einem Samstag etwas besorgen müssen, trifft mich jedes mal der Schlag, wie viele Menschen da unterwegs sind. Dann lieber unter der Woche alles erledigen, gerne auch kurz vor Ladenschluss. Ich brauche keine vollen Regale, dafür liebe ich aber entspanntes einkaufen – und gut gelaunte Verkäufer, angesichts des nahenden Feierabends.
    Nur was die Natur angeht, sollten wir das antizyklische Verhalten lieber überdenken. Erdbeeren im Dezember braucht es nun wirklich nicht.

    1. Vielen Dank für Deine ausführlichen Gedanken. Ich kaufe auch keine Erdbeeren und keinen Spargel im Dezember, sondern nur welche aus der Region und Saison, auch wenn sie dann nur wenige Wochen verfügbar sind.. Frage mich aber, warum wir bei anderen Lebensmitteln weniger konsequent sind. Die kommen ja teilweise immer von weit her, z. B. Bananen, Mangos, Avocados, Kaffee, Kakao oder Schokolade. Und auch Obst und Gemüse, das in der Saison bei uns wächst, kommt monatelang mit dem Laster aus Südeuropa oder wird sogar eingeflogen. Wer will schon den ganzen Winter Äpfel, Kartoffeln und Kohl essen?

  6. Danke für diese wunderbare Idee, lieber Christof! Ich bin eine Zeit lang antizyklisch zur Arbeit gefahren (also alle anderen in die Stadt rein, ich aus der Stadt raus), das war immer ein ziemlich gutes Gefühl (und praktisch für mich, da freie Fahrt). Aber so ganz generell finde ich die antizyklische Idee schön, weil sie einen dazu bringt, mal darüber nachzudenken, was eigentlich so als normal gilt und warum und wie wir alle so getaktet sind. Und sich seinen eigenen Takt rauszusuchen, ist sowieso das Beste, was man machen kann. :-)

    1. Hattest Du eine Zeitlang Nachtschicht?

      Dein Gedanke, sich „alles“ genauer anzuschauen, was eigentlich als normal gilt, finde ich gut. Ich habe das in den letzten 15 Jahre gemacht. In manchen Bereichen hat es dazu geführt, dass ich weder im Strom noch antizyklisch leben möchte, sondern mich dem ganz entsagt habe: fest angestellt sein, Tierliches essen, in den Zoo gehen, um die Welt fliegen, ein Auto besitzen …

  7. Lieber Christof,

    ein schönes Thema, das man nicht sofort mit Minimalismus in Verbindung bringt – und doch bei näherer Betrachtung absolut logisch ist. Ich bin kein Freund von Menschenmassen und mache lieber „mein Ding“ ungestört von anderen und auch ohne andere zu stören. Von daher suche ich immer Möglichkeiten, mich antizyklisch zu verhalten. Glücklicherweise funktioniert bei uns in der Gegend das frühe Aufstehen (mit dem ich glücklicherweise kein Problem habe) sehr gut. Selbst Heiligabend könnte man hier noch entspannt einkaufen – man muss nur vor 8:30 Uhr damit fertig sein ;-)

    Gerade Familienausflüge machen wir bevorzugt am Samstag Morgen. Früh auf den Wochenmarkt und dann geht’s los. Während die meisten noch mit dem Einkauf beschäftigt sind, hat man in der Natur seine Ruhe und selbst „Hot Spots“ sind meist noch entspannt.

    Viele liebe Grüße
    Jens

    1. Freue mich über Deinen Kommentar.

      Du musst nur aufpassen, dass sicher keiner in Deiner Familie zum Langschläfer entwickelt ;-) Andererseits sind die Hotspots am späten Nachmittag oder am Abend (sofern zugänglich) meist wieder wenig besucht. Und hier in Franken gibt es ein dermaßen großes Wanderwegenetz, dass ich oft stundenlang unterwegs bin und dabei nur einen Waldarbeiter und einen Spaziergängerin mit Hund treffe.

      Viele liebe Grüße

      Christof

  8. Danke für diesen Impuls! Wenn ich es so reflektiere, dann bewirkt es auch, das man im Alltag raus kommt aus den unterbewussten Verhaltensweisen, die die ganze Zeit so tagein-tagaus ablaufen. Somit lebt man bewusster im Jetzt und im Moment. Es ist auch einfach ein ganz anderes Feeling z.B. komplett am frühen Morgen oder in der Nacht irgendwo zu sein. Oder wenn man irgendwo ist, wo es menschenleer ist. Einfach ganz anders. Man kehrt dann mehr nach innen und kommt mehr zu sich.

  9. Genau das ist der Punkt, lieber Christof! Nicht mit der Masse schwimmen sondern Individualist sein. Ich habe den minimalistischen Lebensstil schon vor langer Zeit für mich entdeckt und fühle mich zufrieden und glücklich damit. Man bekommt eine ganz andere Wertschätzung der Dinge dadurch. Der übertriebene Konsum ist einfach nur schlimm und das Gegenteil von Umwelt- und Naturschutz. Antizyklisches Verhalten kann man auf vielen Gebieten, sicher nicht auf allen, praktizieren und man lebt ruhiger und gelassener damit. Ich freue mich schon auf deinen nächsten Newsletter.

    Liebe Grüße
    Marion

  10. Hallo Christoph,

    Als Mutter von zwei lebhaften Kleinkindern und leidenschaftliche Befürworterin eines nachhaltigen Lebensstils bin ich auf deinen Blog gestoßen und ich muss sagen, ich bin beeindruckt! Die Idee, antizyklisch und minimalistisch zu leben, finde ich wirklich erfrischend und es passt auch so gut zu meiner persönlichen Philosophie.
    Neulich habe ich ein interessantes Video gesehen, in dem es darum ging, unseren Kindern bewusst weniger zu geben: weniger Spielzeug, weniger Kleidung. Nicht etwa, weil wir es uns nicht leisten könnten, sondern weil wir damit einen Raum schaffen für etwas viel Wertvolleres: mehr Zeit für gemeinsame Momente, mehr Ruhe und vor allem mehr Kreativität. Ich finde, diese Idee passt hervorragend zu deinem Ansatz.
    Je älter ich werde, desto mehr schätze ich den Minimalismus. Er bedeutet für mich nicht Verzicht, sondern tatsächlich Gewinn: mehr Ruhe, mehr Entspannung, mehr Offenheit für Neues und natürlich auch mehr finanzielle Freiheit. Meine Mutter hat mich schon in diesem Sinne erzogen, obwohl ich es damals nicht immer zu schätzen wusste. Als Teenager konnte ich nicht verstehen, warum ich nicht die neuesten Schuhe oder das neueste Spielzeug haben durfte, wie die anderen Kinder in der Schule.
    Heute jedoch bin ich ihr dankbar für diese Lektionen. Ich gehe selbst regelmäßig auf Flohmärkte und kaufe auch gebrauchte Dinge. Vor einigen Monaten habe ich sogar einen gebrauchten Familien-PC gekauft. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass man auch Computerhardware gebraucht und in gutem Zustand kaufen kann.

    Ich freue mich, deinen Blog gefunden zu haben und freue mich auf viele weitere inspirierende Beiträge von dir!

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