
Seit bald 20 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit Minimalismus. Ich habe mein Leben in allen Bereichen nach und nach vereinfacht, blogge seit 2012 hier auf Einfach bewusst über das Thema und habe den Ratgeber „Das Minimalismus-Projekt – 52 praktische Ideen für weniger Haben und mehr Sein“ geschrieben.
In all diesen Jahren bin ich immer wieder auf Mythen und Missverständnisse über Minimalismus gestoßen – sei es in der Presse, im Fernsehen, in Blogkommentaren oder in E-Mails von meinen Leserinnen und Lesern. Diese Irrtümer verdecken oft die wahre Essenz des minimalistischen Lebens. Ich habe sie gesammelt und löse sie heute auf, um zu zeigen, dass Minimalismus für jeden zugänglich ist und auf viele verschiedene Arten gelebt werden kann.
Aus Gründen der Lesbarkeit verzichte ich in diesem Artikel auf die gleichzeitige Verwendung männlicher, weiblicher und diverser Sprachformen. Alle Menschen sind gleichermaßen angesprochen.
Mythos #1: Minimalismus bedeutet, fast nichts zu besitzen.
Die Medien zeigen gerne Minimalisten (oder sie präsentieren sich selbst so), die in spärlich ausgestatteten Wohnungen, in engen Tiny Houses oder als digitale Nomaden leben. Solche Extrembeispiele existieren. Tatsächlich geht es beim Minimalismus aber nicht darum, möglichst wenig zu besitzen, sondern nur das zu besitzen, was man wirklich (ge)braucht, was das Leben vereinfacht und bereichert. Minimalisten kennen ihre Leidenschaften. Und um diese auszuüben, sind Dinge oft unverzichtbar. Ich koche und esse gerne, habe Freunde und Familie zu Besuch, liebe den Klang von Schallplatten und gehe oft wandern, mal für einen Tag, mal übers Wochenende, mal monatelang. Diese Leidenschaften und Hobbys könnte ich kaum ausleben, wenn mein Hab und Gut in zwei Umzugskartons passen würde.
Mythos #2: Minimalisten geht es nur ums Ausmisten.
Das Reduzieren von Besitz und Konsum ist meist der Einstieg in einen minimalistischen Lebensstil. Er umfasst jedoch weit mehr. Minimalismus bedeutet auch, andere Bereiche zu überdenken und zu vereinfachen. Dazu gehören die Freizeit- und Urlaubsaktivitäten, die Partnerschaft und andere Beziehungen, das Arbeitspensum, die Bildschirmzeit, die Kommunikation und sogar die eigenen Gedanken. Im Mittelpunkt steht die Ausrichtung auf das, was wirklich wesentlich ist und zu einem erfüllten Leben beiträgt.
Mythos #3: Minimalismus ist mit Kindern nicht möglich.
Oft höre ich, dass Minimalismus mit Kindern nicht vereinbar ist, weil sie viele Dinge brauchen und der Alltag mit ihnen chaotisch ist. Ich sage, dass man mit Kindern ein einfaches Leben führen kann, es vielleicht sogar tun muss, um nicht im Familienchaos durchzudrehen. Weniger Kram und Erwartungen bedeuten weniger Gram und Belastung und mehr Zeit für das Wesentliche – die Familie (Tipps dazu findest Du im Kapitel „Minimalistisch leben mit Kindern“ meines Ratgebers). Im Grunde kommen wir alle als Minimalisten auf die Welt. Babys haben nur die nötigsten Bedürfnisse, nämlich Liebe, Wärme, Nahrung und Fürsorge. Minimalismus kann uns daran erinnern, den Zustand der Einfachheit und Freiheit in unserem Leben zu bewahren oder wiederzuerlangen.
Mythos #4: Minimalisten besitzen weder Erinnerungsstücke noch Deko.
Ein häufiges Missverständnis ist, dass Minimalisten nur Gebrauchsgegenstände besitzen dürfen, die einem praktischen Zweck dienen. Doch Erinnerungsstücke, Kunst, Dekoration und Pflanzen können durchaus ihren Platz in einem minimalistischen Zuhause finden – solange sie emotionalen oder ästhetischen Wert haben und nicht nur unbedacht angesammelte Staubfänger sind. Freiwillige Einfachheit bedeutet nicht, auf alles zu verzichten, sondern zu entscheiden, was für einen selbst bedeutungsvoll ist und was nicht.
Mythos #5: Minimalismus heißt, allzeit perfekt organisiert zu sein.
Dass Minimalisten immer alles im Griff haben und perfekt strukturiert sind, ist ein weiterer Irrtum. Perfektionismus kann zu überhöhten Ansprüchen und Überforderung führen. Minimalismus bedeutet aber nicht, einem strengen Ideal nachzujagen. Vielmehr geht es darum, etwas Ordnung zu schaffen, unnötigem Stress zu reduzieren und Entscheidungen zu treffen, die den eigenen Werten und Bedürfnissen entsprechen.
Mythos #6: Minimalisten leben grundsätzlich nachhaltig.
Häufig wird angenommen, dass Minimalismus automatisch zu mehr Nachhaltigkeit führt, weil durch bewusstes Handeln unüberlegter Konsum reduziert wird. In vielen Fällen stimmt das. Wer minimalistisch lebt, konsumiert weniger, achtet meist mehr auf Qualität und Langlebigkeit und trifft oft gezieltere Entscheidungen. Dennoch ist Minimalismus nicht immer gleichbedeutend mit Nachhaltigkeit. Man kann durchaus einfach leben und trotzdem wenig umweltfreundlich handeln. Beispielsweise belasten Flugreisen, Kreuzfahrten, ein hoher Konsum von tierischen Produkten und importierten Lebensmitteln sowie häufige Autofahrten unseren Planeten und seine Bewohner.
Mythos #7: Minimalismus ist eine Notlösung für Menschen mit wenig Geld.
Minimalismus wird manchmal mit finanziellen Zwängen und Armut gleichgesetzt. Armut ist ein unfreiwilliger Mangel, dem die meisten Menschen entkommen wollen, während Minimalismus freiwilligen Verzicht bedeutet. Wer minimalistisch lebt, verzichtet nicht aus Not, sondern aus der Überzeugung, dass weniger oft mehr ist. Ein Minimalist strebt nach Freiheit – der Freiheit, sich von Ballast zu lösen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Natürlich können sich auch Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln als Minimalisten verstehen, sofern sie diesen Lebensstil aus Überzeugung praktizieren.
Mythos #8: Minimalisten können keine Sammler sein.
Viele Menschen glauben, dass das Streben nach einem minimalistischen Lebensstil automatisch den Verzicht auf jegliche Sammelobjekte bedeutet. Doch das ist nicht der Fall. Minimalismus bedeutet nicht, auf alles zu verzichten, sondern sich bewusst für das zu entscheiden, was einem wichtig ist. Ich selbst habe eine Sammlung von 900 LPs, die ich mit Herzblut pflege. Für mich ist diese Sammlung (sie ist auf dem Foto unten zu erkennen) keine bloße Ansammlung von Schallplatten, sondern Ausdruck meiner Leidenschaft für Musik. Ich höre mir die Alben an und verwende sie auch für Plattencover-Ausstellungen in meinem Wohnzimmer. Minimalismus und Sammeln passen also durchaus zusammen, wenn das Sammeln das Leben des Sammlers bereichert, der Sammler die Sammlung im Griff hat und nicht andersherum, wenn das Sammeln also eine Leidenschaft und keine schlechte Gewohnheit oder gar Sucht ist.
Mythos #9: Minimalismus ist nur ein Trend.
Oft wird Minimalismus als Modeerscheinung angesehen, die wieder vergeht. Doch das ist ein Irrtum. Schon die chinesischen, griechischen und römischen Philosophen der Antike lehrten, dass Glück und Reichtum nicht im Besitz materieller Dinge liegen, sondern in der inneren Zufriedenheit und der Kontrolle über die eigenen Wünsche. „Das Aussortieren des Unwesentlichen ist der Kern aller Lebensweisheit“, sagte Laozi vor mehr als 2.500 Jahren. „Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinen Reichtümern hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen“, riet Epikur. Und mein Lieblingsstoiker Seneca wusste schon anno dunnemals: „Nicht arm ist der, der wenig hat, sondern der, der nach mehr verlangt.“ Der minimalistische Lebensstil ist also kein modernes Phänomen, sondern ein zeitloses Prinzip – das angesichts unseres heutigen Überkonsums vielleicht wichtiger denn je ist.

Dankeschön. Freu mich drauf.
💛-liche Grüße aus Dachau
Worauf freust Du Dich? Auf die Mythen, deren Entlarvung oder mehr Einfachheit in Deinem Leben? :-)
Herzliche Grüße zurück
Christof
Was ist den das Motto der abgebildeten Cover-Ausstellung? Ich finde das richtig spannend, wie du deine Sammlung kuratierst und den wunderschönen Motiven so immer wieder eine Bühne gibst.
Für mich ist Minimalismus tatsächlich auch eine Lebenseinstellung, die wenig mit dem reinen Ausmisten zu tun hat. Man will den freien Raum ja nicht gleich wieder mit neuen Dingen füllen – die dann irgendwann wieder aussortiert werden. Das ist weder nachhaltig noch minimalistisch. Das Bedürfnis nach neuen Sachen reduziert sich von alleine, wenn man die gewonnene Freiheit mit neuen Gewohnheiten füllt.
Viele Grüße!
Ist das gemein, wenn ich das Rätsel erst im Herbst auflöse? ;-) Vielleicht kommst Du oder ein Pop-Art-Aficionado ja drauf! :-)
Ich tippe auf von Andy Warhol gestaltete Cover!?
Rätsel gelöst – prima!
ich dachte, dass hätte eher was mit dem männlichen Körper zu tun – männlicher Oberkörper, eher männliche Jeans und „Banane“ ;-).
sry, konnte nicht anders xD
Sehr gut erkannt, zumal auf dem berühmten Rolling-Stones-Cover ja die Konturen des Penis deutlich zu erkennen sind. Ist nur fair, schließlich haben bei meiner Plattencover-Ausstellung #16 Frauen viel Haut gezeigt.
Gut aufgelöst 👍
Ich beschreibe es gern mit meinem Satz „Ich kaufe mir keinen Minimalismus, ich lebe Minimalismus.“
Liebe Grüße!
Die gute Nachricht: Minimalismus kostet nichts!
Wunderbar auf den Punkt gebracht!
Es gibt auch Leute, die denken, Minimalismus sei nur für Reiche – was ebenso völliger Quatsch ist.
Ich freue mich über Dein Lob. Auf meiner Liste haben sich noch paar andere Mythen angesammelt, darunter auch der von Dir angesprochene, also dass Minimalismus nur etwas für Reiche sei. Fast hätte ich ihn aufgenommen, weil er ein schöner Kontrast zu „Minimalismus ist eine Notlösung für Menschen mit wenig Geld.“ gewesen wäre. Aber dann habe ich mich entschieden, nur die neun wichtigsten zu beschreiben.
So siehst aus ☺️👍
Das ist ein hervorragender, konzis geschriebener Artikel mit der Essenz des durchdachten Minimalismus. Gut auch, dass diese Punkte aufgreifen, wie über-simplifizierend vielfach über etwas geurteilt wird, nur damit irgendwo ein neuer, kurzlebiger Trend befriedigt werden kann. So gesehen mag ich auch die Reflexionstiefe und die immer notwendige Selbstkritik, das ständige Hinterfragen des eigenen Standpunktes. Als Lateinlehrer gefällt mir natürlich besonders der Hinweis auf Seneca … Beste Grüsse aus der Schweiz!
Ich freue mich über Dein Lob, das selten gelesene Wort „konzis“, Deine Verbundenheit zu Seneca und die Tatsache, dass Du die Auslassungspunkte korrekt anwendest …
Beste Grüße von Franken in die Schweiz
Christof
Sehr gut geschrieben und aufschlussreich, danke! Motiviert mich weiter mein Leben zu vereinfachen….
Einfach bewusst dranbleiben und weitermachen. Minimalismus ist kein exklusiver Club!
Schöne Auflistung. Ein Punkt fehlt mir hier noch.
10. Minimalisten sind meistens ausgeglichene, zufriedene und tolerante Menschen.
Mir fällt das seit Jahren auf, dass genau das Gegenteil der Fall ist.
Es macht mich etwas traurig, dass Du seit Jahren nur unangenehme Minimalisten triffst.
Du solltest öfter auf Einfach bewusst vorbeischauen, denn hier tummeln sich viele ausgeglichene, zufriedene und tolerante Menschen. ;-)
wie viele Minimalisten kennt ihr ? Also persönlich…ich musste aber grinsen wie ich deinen Kommentar gelesen hatte 🙂😊😊
Meinst Du mich oder Robert? Ich habe Freunde und Bekannte, die ich als Minimalisten bezeichnen würde. Auch habe ich im Laufe der Jahre einige Blogleser(innen) persönlich kennengelernt. 2018 und 2019 gabs zudem mehrere Einfach-bewusst-Treffen in Nürnberg und Fürth, die ich als sehr angenehm und interessant in Erinnerung habe. :-)
den Robert hab ich gemeint, das hat sich gelesen als würde er zig übellaunige, geizige und unangenehme Minimalisten persönlich kennen. Das hat mich amüsiert 😇
Ich bin voll deiner Meinung. Ich habe vor 5 Jahren rigoros ausgemistet, 3 Autoladungen zum Altkleidercontainer gefahren (Kleidung von 3 Personen), 2 Autoladungen mit Büchern zu Buch-Telefonzellen gefahren, etliche Bücher der örtlichen Bücherei geschenkt und zig Bücher privat verkauft, in der Küche ein ähnliches Spiel. Dazu habe ich mich von einem Haus mit 165 qm zu einer Wohnung mit 95 qm verkleinert. Jetzt, da die Kinder größer werden, plane ich den Bau eines Tinyhauses mit 60 qm. Und was soll ich sagen: mir ging es noch nie so gut wie jetzt.
Das klingt nach einem spannenden Weg, liebe Doris. In das Tiny House ziehst Du dann alleine ein, oder?
Danke für den schönen Artikel. Du sprichst von Minimalismus in der Partnerschaft bzw. in Beziehungen.. Darüber würde ich gern mehr wissen bitte.
Schöne Grüsse aus Thüringen,
Andrea
Hier und da habe ich schon ein paar Gedanken dazu gebloggt, z. B. „Minimalistisch und achtsam kommunizieren“ und „Warum Du öfter Nein sagen solltest und wie Du es schaffst“. In meinem Ratgeber sind die Kapitel „Schau in Augen, weniger auf Bildschirme“, „Minimalistisch leben mit Kindern“, „Weniger Bekannte, mehr Freu(n)de“ und „Wie feiern und schenken Minimalisten?“ relevant.
Viele liebe Grüße
Christof
hallo Christof für mich ist der heutige unkontrollierte Konsum nicht vergleichbar mit dem was Lao Tse in China und Seneca in Rom schon in den frühesten spartanischen Zeiten zur Mässigung veranlasste. Es wird ein zeitloses Phänomen menschlichen Verlangens sein, ein unreifer Geist, der in seiner Hochform Gier wird. Den hier genannten Philos gemeinsam ist der Wink auf das Ego, das sich in Wünschen und der Wunschbefriedigung auftut zu erkennen und zu bändigen : ……nimm von seinen Wünschen !
Mir scheint es egal womit, wann und wie die Klischees entlarvt werden, wie: ich brauch das, das ist mein Recht, ich kann es mir leisten ?
Wenn das Bewusstsein für Wesentliches reif ist, dann fällt der erste Blick auf sich selbst, im Haushalt in den Verbrauch diverser Papierrollen: Servietten,Toilettenpapier 3-lagig, den Wasserverbrauch beim Zähneputzen oder Duschen, zum Bäcker laufen statt fahren, Klamotten-Wahnsinn,
u.v.m. aber vorausgesetzt, dass der Wunsch nach innerer Zufriedenheit ein Bedürfnis wird 🌱
Vielen Dank für Deine Gedanken, liebe Julie!
Und wenn man weiß, welche Gegenstände für einen relevant sind, ist man vielleicht bereit, herauszufinden, mit welchen Arbeiten, Aktivitäten, Menschen und Gedanken man sein restliches Leben verbringen möchte. Das verkürzt sich bekanntlich in jedem Augenblick.
Lieber Christof,
ich habe Deinen Beitrag sehr gerne gelesen und kann viele Punkte unterschreiben!
Ein weiterer Mythos besteht für mich darin, dass es einfach sein soll, Minimalist zu werden. Es gibt aber keine Abkürzung auf dem Weg zu einem einfachere Leben, sondern eine unzählige Reihe von Entscheidungen, die man jeden Tag neu trifft, um einfacher und bewusster zu leben. Viele von diesen Entscheidungen sind schwierig, lösen verdrängte Emotionen aus oder brauchen Zeit, um zu reifen. Umso schöner, dass Dein Blog uns dabei begleitet ;-)
Herzliche Bloggergrüße
Rebecca
Mir hilft die Erkenntnis, dass Minimalismus kein Zustand oder Ziel ist, sondern ein Weg und eine Lebenseinstellung. Man kann täglich Entscheidungen treffen, die zu mehr Einfachheit, Klarheit und Freiheit führen.
Viele liebe Grüße
Christof
Lieber Christof,
als ich bei Punkt 3 las „Weniger Kram und Erwartungen bedeuten weniger Gram und Belastung “ also verkürzt : weniger Kram=weniger Gram, fand ich das knackig auf den Punkt gebracht und es erinnerte mich an etwas, das der Mystiker Llewellyn Vaughn-Lee in seinem wunderbaren kleinen Buch „Das Heilige im Alltag wiederentdecken“ beschrieb. Im Kapitel über Einfachheit schrieb er: “ Die Moken, das Volk der Bootsleute von Südostasien, besitzen kaum etwas. Sie können in ihren kleinen Booten nur mit sich tragen, was sie benötigen. In ihrer Sprache gibt es auch kein Wort für „Sorge“. “ Das deckt sich mit weniger Kram=weniger Gram. Er schreibt weiter: „Doch als der Tsunami kam, waren sie aufmerksam und beobachteten das Wasser; sie sahen, wie die See sich zuerst haushoch türmte und dann zurückzug. Sie erinnerten sich ihrer Geschichten und Mythen, die besagen, was mit dem Meer geschieht. So steuerten sie ihre Boote auf das offenen Meer hinaus und überlebten den Tsunami, während die Fischer des Ortes starben; ihre Boote wurden zerstört.“ Er stellt die Frage: “ Wie können wir so vollkommen aufmerksam sein, wenn unsere Leben mit so vielen Besitztümern, so vielen Anhaftungen, so vielen Wünschen vollgestopft sind? Werden wir genug Zeit haben, uns der Geschichten zu erinnern, zu beobachten und unsere kleinen Boote auf das offene Meer zu steuern? Oder werden wir uns, wie die ansässigen Fischer, nicht gewahr sein, was der Augenblick von uns fordert und im Tsunami des Materialismus untergehen? “ Dannn beschreibt er drei aus seiner Sicht notwendige Schritte, um einen Raum von Achtsamkeit und Klarheit zu schaffen. Für mich ist das Buch seit Jahren so etwas wie ein Kompass, mir bei der Wegfindung zu helfen. Und deine Seite ist es auch, lieber Christof. Herzlichen Dank dafür. Eine Anregung zum Überdenken habe ich noch. Wie Llewellyn schreibt, war es gerade die Erinnerung an ihre Mythen, die die Moken gerettet haben. Deine Überschrift „Mythen über Minimalismus und deren Entlarvung“ stellt sie in ein negatives Licht. Ich glaube, ursprünglich ist ein Mythos eine Geschichte, in der sich ein Wegweiser zur Wahrheit befindet – also etwas ganz Positives und Wichtiges. Vielleicht treffen die Begriffe Missverständnis, Fehlinterpretation auch das, was du meinst. Nach meinem Empfinden liegt die HAuptursache darin, dass Minimalismus wie eine Lehre behandelt wird und daraus resultierend gibt es dann Dogmen – aber Minimalismus ergibt sich meiner Erfahrung nach ganz natürlich aus einem bewussten Leben heraus. Es ist wie bei einem Bildhauer, der vor seinem Stein steht: die Skulptur entsteht durch Wegnahme des Überflüssigen. Welche Skulptur man erschaffen möchte ist etwas zutiefst Individuelles.
Herzliche Grüße Jela
Liebe Jela,
ich freue mich über Deinen ausführlichen Kommentar und das Lob für meinen Blog.
Das Buch von Llewellyn Vaughan-Lee klingt interessant und aus der von Dir zitierten Geschichte über die traditionellen Bootsleute in Thailand kann man sicher viel lernen. Wenn unser Leben zu vollgestopft ist, verlieren wir den Blick für das Wesentliche. Wir müssen aber nicht wie die Bootsleute leben und fast nichts besitzen. Oft genügt es schon, ein wenig loszulassen, von Materiellem und Immateriellem, um wieder klarer sehen zu können.
Noch etwas zum Wort Mythos bzw. Mythen: Es hat ja – wie so oft bei Worten – mehrere Bedeutungen, die je nach Kontext variieren (1. eine Götter- oder Heldensage, 2. eine irreführende Vorstellung, 3. eine überhöhte Darstellung einer Person oder Sache). Dass es sich bei meinen Mythen nicht um Sagen handelt, sondern um eher negativ konnotierte Mythen handelt, sollte schon mit dem Zusatz „und deren Entlarvung“ klar sein.
Einfach bewusste Grüße
Christof
Lieber Christof,
ich danke dir für die Zeit, die du dir immer wieder nimmst- nicht nur, um diesen Blog mit Leben zu füllen, sondern auch, um auf all die vielen Kommentare so aufmerksam und bewusst zu antworten. Mein Fokus bei der Geschichte mit den Moken lag überhaupt nicht darauf, dass wir ein Leben wie sie führen sollen. Es ist ja ein Jahrhunderte altes Seefahrervolk – also überhaupt nicht mit uns vergleichbar. Aber sie kennen kein Wort für Sorge in ihrer Sprache und dass war für mich das Entscheidende der Geschichte. Wir sind uns mehrheitlich nicht bewusst, dass es auch eine dunkle Seite des Habens gibt – nämlich Sorgen- ein Binden unserer Aufmerksamkeit. Meine Tochter ist Osteopathin. Letztens kam ein Mann wegen massiver Schlafstörungen zu ihr in die Praxis. Als sie ihn in der Anamnese fragte, seid wann er diese hätte, konnte er keine Antwort geben. Aber die Frage bschäftigte ihn offensichtlich, denn nach der Behandlung meinte er zu ihr, er hätte sie, seitdem sie sich ein Haus gekauft hätten. Er hätte seitdem Angst seine Stelle zu verlieren etc. Das Leben in der Mietwohnung sei viel besser gewesen. Das meine ich. Erst in dem Moment wurde ihm der Preis bewusst, den er dafür bezahlt. Und die Sache mit dem Mythos diente auch mehr dazu, Geschichten und Mythen nicht generell negativ zu sehen, sondern ihre Weisheit anzuerkennen. Ich habe letztens wieder die Geschichte von „Hans im Glück“ gelesen. Und: ganz ehrlich – sie transportiert eine ganz alte Weisheit….die heute wieder sehr modern erscheint und doch so alt ist……..
Eure Kommentare bereichern meine Texte ungemein. Ich denke, ohne diese Reaktionen und Ergänzungen würde ich schon lange nicht mehr bloggen.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Moken keine Sorgen kennen, nur weil sie kein Wort für Sorgen kennen.
Viele Grüße
Christof
Lieber Christof,
ein wirklich schöner Artikel. ich versuche, beim Minimieren immer bei mir und meinen Bedürfnissen zu bleiben, und nicht nach „den Anderen“ zu schielen. Es ist ein weiter, oft anstrengender Weg, aber Loslassen erleichtert ungemein. Ich bin sehr froh, über Deinen Blog zum Minimieren gekommen zu sein.
Herzlichst, Andrea
Danke, liebe Andrea!
Hallo Christof,
dem Kommentar von Andrea kann ich mich nur anschließen.
Danke, lieber Matthias – auf welche Andrea Du Dich auch beziehst (es haben zwei kommentiert)! ;-)
Hallo Christof,
sehr schöner Beitrag genau zur rechten Zeit! Insbesondere #5 spricht mir aus der Seele. Obwohl ich zwar prinzipiell lieber durchorganisiert bin, empfinde ich es als freundliche Erinnerung, auch mal nichts planen und dokumentieren zu dürfen.
Lieber Gruß
Philipp
Hallo Philipp,
schön, mal wieder hier von Dir zu lesen. Ich habe erst vor wenigen Tagen auf Deinem Blog gestöbert.
Ich bin ein Listenmensch sondergleichen und neige wie Du dazu, zu viel zu planen. Zur Not müssen wir planen, auch mal nichts zu planen ;-)
Viele liebe Grüße
Christof
Das tue ich tatsächlich genau so! 🙈
:-)