Geld oder Zeit – Wer ist reich?

24. Februar 2017 - von Gilbert Dietrich - 31 Kommentare

Wer ist reich? - Foto: Der Autor dieses Gastbeitrags mit seinem Sohn an den Alpillen bei Saint-Rémy-de-Provence.

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Gilbert Dietrich. Er gibt das Online-Magazin Geist und Gegenwart heraus. Dort geht es um angewandte Philosophie, die eine ganz praktische Interpretations- und Lebenshilfe bietet, ohne sich den typischen Selbsthilfe-Mantras oder gar der Esoterik hinzugeben.

Wie die Reduktion auf das Wesentliche reich machen kann

Reich und glücklich sein, vielleicht auch noch schön … das sind die höchsten Standards in so vielen Gesellschaften. Philosophisch gehören diese Eigenschaften in die Kategorien von Ästhetik und Ethik des Lebens. Was „schön sein“ bedeutet, ist jeweils sehr von den gesellschaftlichen Übereinkünften, von Überlieferungen, Moden und Trends abhängig. „Glücklich sein“ ist so individuell, dass eine einheitliche psychologische und philosophische Praxis dazu nicht möglich ist. Umstände, die den einen Menschen glücklich machen, können einen anderen unglücklich machen oder keinen Einfluss auf dessen Glückserleben haben.

„Reich sein“ aber, scheint uns eine objektive Kategorie zu sein, man kann das an Zahlen ablesen: Was auch immer das Zahlungsmittel in einer Gesellschaft ist, man ist reich, wenn man viel davon hat. Egal ob es Gold ist, ob es Muscheln sind oder Gewürze – wenn es als Zahlungsmittel taugt, weil alle sich über die Stabilität des Werts dieses Mittels einig sind, dann ist derjenige reich, der viel davon hat. Bei uns sind diese Mittel lange schon im Geld abstrahiert. Geld ist in dieser Hinsicht nahezu magisch, denn wir können mit Geld alle anderen Mittel und noch vieles mehr erwerben. Kein Wunder also, dass bei uns derjenige als reich gilt, der viel Geld hat.

Von Besitz zu Zugang

Unsere Gesellschaft ändert sich jedoch ständig. Richtig reich sind im oben genannten Sinne heute nur sehr wenige Menschen. Seit spätestens 2016 besitzt das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als die restlichen 99 Prozent zusammen. Auf der anderen Seite sehen wir einen Trend, der davon weg geht, Dinge zu besitzen und dahin geht, Zugang zu den Dingen zu erlangen. Ein Beispiel: Wer will heute in der Großstadt noch unbedingt ein Auto besitzen, das täglich rund 23 Stunden auf knapper Fläche rumsteht und dafür auch noch ständig Kosten verursacht? Der Zugang zu einem Auto ist in Städten mit Carsharing so leicht und günstig zu haben, dass der Besitz eines Autos für viele keine attraktive Option mehr ist. Wir sehen dasselbe bei Musik und Filmen, wo vielen der Zugang über das Streaming ausreicht, weil sie keine CDs oder DVDs mehr als Staubfänger im Regal benötigen.

Vom Haben zum Erleben

Im Zuge dieser Sharing-Kultur sehen wir tendenziell auch eine Höherbewertung von Erlebnissen gegenüber dem Besitz. Während früher ein Auto ein Statussymbol war, ist es heute ein Marathon oder eine Besteigung eines hohen Bergs. Und wenn wir nochmal an die Musik denken, fällt auf, dass der Besuch von Konzerten prestigeträchtiger geworden ist, als der Besitz einer CD.

Aber lassen wir uns nicht beirren. Auch in so einer Welt des Zugangs und des Erlebnisses hilft es natürlich, reich an Geld zu sein. Denn nur wer Geld zahlen kann, bekommt auch den Zugang zu Infrastruktur und Medien und den Mount Everest kann eh nur besteigen, wer sonst auch einen best ausgestatteten Mittelklassewagen aus der linken Hosentasche bezahlen könnte. Aber da befinden wir uns eben in den Regionen des Luxus. Wer den nicht unbedingt benötigt, weil es auch der Hausberg tut und nicht der Himalaya sein muss, kann in einer Welt des Teilens und Erlebens mit relativ wenig Geld auskommen.

Der andere Reichtum

Das alles gibt uns die Möglichkeit, Reichtum für uns einmal anders zu definieren. Dazu müssen wir uns von dem lösen, was es in der Gesellschaft so als Übereinkunft zum Reichsein gibt. Drehen wir stattdessen die Perspektive einmal um und fragen uns, was es für uns ganz persönlich bedeuten könnte, reich zu sein. Wenn wir uns nicht an anderen Menschen messen würden, uns nicht ewig vergleichen würden, sondern nur auf unsere Bedürfnisse schauen würden – was wäre Reichtum dann für uns? Ich habe für mich eine Reichtums-Philosophie adoptiert, die auf diesem Gedanken basiert:

„Reich ist, wer viel von dem hat, was ihm wichtig ist.“

Mit diesem Satz bin ich zu einer bescheideneren Definition von Reichtum gekommen, die es mir ermöglicht, zufrieden mit dem zu sein, was ich habe und die mir aufzeigt, worauf ich mich konzentrieren sollte, um meinen Reichtum zu mehren. Hier ein Beispiel: Mir ist derzeit sehr wichtig, dass ich viel Zeit mit meinem kleinen Sohn verbringen kann. Gleichzeitig brauche ich weiterhin meinen Sport und meine Zeit zum Lesen und Schreiben. Außerdem ist mir die Bewegung in der Natur wichtig. Ich bin noch nicht so reich, wie ich gern wäre, denn ich habe nicht genug von dem, was ich gerade beschrieben habe. Die Konsequenz daraus ist aber gerade das Gegenteil vom gesellschaftlich normierten Reichtumsstreben. Um in meinem Sinne reicher zu werden, muss ich auf Geld verzichten, anstatt mehr Geld zu erlangen. Das heißt also, ich arbeite weniger oder auch mal ein paar Monate gar nicht und verzichte auf Geld, um mehr Zeit zu gewinnen. Denn Zeit ist mir im Moment das wertvollste Gut.

Um fair zu bleiben, will ich sagen, dass man sich auch das leisten können muss. Vielleicht hat nicht jeder im Augenblick die Möglichkeit, weniger zu arbeiten, weshalb ich ein Freund der Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens bin. Es sind aber auch individuelle und langfristige Entscheidungen, die man treffen kann, wie zum Beispiel ganz bewusst kein Haus auf Kredit zu bauen oder zu kaufen. Kredite gehören zu den Knebelinstrumenten unseres Kapitalismus und zwingen uns zur Arbeit.

Am Ende ist es so, dass man sich selbst die Mühe machen muss zu verstehen, was einen ganz persönlich reich machen würde. Was ist mir wichtig? Wovon will ich mehr? Was brauche ich, um glücklich zu sein? Wer eine Antwort auf diese Fragen findet, weiß damit auch, worauf er oder sie sich konzentrieren sollte. Die Reduktion auf das, was einem wichtig ist, macht am Ende reich.

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31 Kommentare für “Geld oder Zeit – Wer ist reich?”

  1. Vielen Dan für den tollen Beitrag!
    Ich glaube das sind genau die Fragen, die ich mir stellen sollte und auf die ich die Antwort tief im Inneren schon teilweise weiss.
    Gruß
    Heike

    1. Vielen Dank, Heike! Freut mich, dass die der Beitrag etwas gibt. Das Schöne ist, wir können uns immer die Zeit nehmen, das eigene Leben zu betrachten, in uns hinein zu hören und wenn nötig hier und da umzusteuern. Es ist nie zu spät, jeder Tag bietet eine neue Möglichkeit.

  2. Hallo Gilbert,

    schöner Beitag, du hast genau den Weg beschrieben, der mir als der Richtige scheint. Wir müssen auf nichts verzichten, im Gegenteil: Zeit zu haben und die mit den wirklich wichtigen Dingen zu verbringen, Zeit zu haben den Kindern die Natur, den Wald, das Leben zu zeigen. Ich freue mich, dass ich gute Grundsteine legen konnte und meine beiden Kinder Berufe gewählt haben, die im Einklang mit der Natur stehen.
    Dir wünsche ich viel Glück mit dem/der Kleinen. Grüße, Sabina

    1. Hallo Sabina,

      vielen Dank für die lieben Worte und Wünsche. Ich freu mich, dass es immer mehr Menschen zu geben scheint, die sich in solch eine Richtung umorientieren. Alles Gute weiterhin!

      Gilbert

  3. Ein schöner Beitrag und ich stimme dir bei deiner etwas modifizierten Reichtumsdefinition voll und ganz zu.
    Aber wie du schreibst, man muss es sich auch leisten können, weniger zu arbeiten. Hier wären ein paar Denkanstöße, wie das (außer einem bedingungslosen Grundeinkommen – also Möglichkeiten des status quo).

    Liebe Grüße, Daniela

    1. Lieber Daniela,

      Du hast völlig Recht, lass uns doch wissen, welche Denkanstöße du dazu hast.

      Wie ich oben schon schrieb, helfen es aus meiner Sicht vor allem individuelle und langfristige Entscheidungen, wie zum Beispiel keine Kredite aufzunehmen. Ganz generell ist es immer einfacher, einen bescheidenen Lebensstandard zu halten, als vom Luxus zurück zu schrumpfen.

      Welche weiteren Strategien helfen denn dabei?

      Beste Grüße, Gilbert

  4. Es wäre sehr einfach:

    Rein in die Wanderschuhe – rauf auf den Berg…. direkt von zu Hause aus zu Fuß.
    Fahrrad statt Auto, macht Spaß und erspart den Weg ins stickige Studio
    Gemüse statt Fleisch
    Ein altes Handy tuts auch
    Kaffeeklatsch aufm Balkon mit selbst gebackenem Kuchen – statt Latte im In-Café
    weniger arbeiten….. heißt mehr Zeit, Zeit heißt mehr kreative Ideen, Zeit zum Basteln, Reparieren, Altes wieder neu gestalten, miteinander Zeit haben um Schönes zu entwickeln. Zeit um miteinander zu reden, Zeit um das Weltgeschehen zu betrachten und vor allem Zeit um sich eigene Gedanken zu machen.
    Wünsche euch einen schönen Sonntag morgen…..im Wald sprießt es schon, es gibt schon einiges zu entdecken.

    1. Und wie realistisch ist dieses „Einfach“ für die Mehrheit der Menschen in unserer Gesellschaft? Und würdest du die anderen alle dort oben auf dem Berg treffen wollen in deinen Wanderschuhen?

      1. Ja du hast recht, für die Mehrheit ist es nicht realistisch, solange es für sie wichtig ist, viele „unnötigen“ Dinge zu besitzen. Solange sie sich mit anderen vergleichen, die noch mehr besitzen.
        Ich bin jetzt 62 Jahre jung und arbeite seit 47 Jahren…. die meiste Zeit davon in Teilzeit. Habe zwei Kinder groß gezogen und mir Zeit für sie genommen. Der Grundstein, weniger zu arbeiten hat sich bei mir im Alter von 20 Jahren gelegt, jeden Tag wenn ich nach der Mittagspause ins Büro gehen musste und draußen die Sonne geschienen hat. Ich hatte vielleicht 5 Jahre in meinem Leben ein eigenes Auto, vielleicht 10 Jahre einen Fernseher. Es fehlt mir nichts.
        Ehrlich gesagt, möchte ich nicht alle oben auf dem Berg treffen…..es sei denn…. sie kommen zu Fuß da rauf.
        Ich habe Hoffnung, dass sich etwas Neues ergeben wird:
        Ein Zitat von Arundathi Roy: „Die Hoffnung lebt an der Basis und umschlingt die Menschen, die jeden Tag in den Kampf ziehen, um ihre Wälder, Berge und Flüsse zu schützen, weil sie wissen, dass ihre Wälder, Berge und Flüsse sie schützen“

  5. Ich nehme mir schon lange vor etwas kürzer zu treten, kann es mir finanziell allerdings momentan auch (noch) nicht leisten. Das Auto habe ich schon verkauft, hat sich nicht gelohnt, das Jobticket bringt mir mehr. Da kann soar mein Mann am WE mitfahren.Wir habn einen großen Schrebergarten (400 qm) und schon für diesen wäre es cool auf 80 % Teilzeit zu gehen . Was mich am meisten bremst ist die Angst keine Rente anzusparen. Obwohl ich mir mittlerweile schon ziemlich sicher bin, dass ich später eine Einheitsrente ( wenn überhaupt) erhalte und die beste Zeit, nämlich „Jetzt“ verheize ich mich auf der Arbeit. Wie macht ihr das? Ansprüche runterschrauben und Freizeit genießen ?

    1. Ich gebe dir Recht, das ist gar nicht einfach. Wer schon nicht viel verdient und nicht viel hat und zur Seite legen kann, dem hilft es auch nicht, einfach die Wanderschuhe anzuziehen und mehr zu basteln. Nicht mehr ins Café zum Latte trinken, hilft dem nicht, der vorher schon weder Zeit noch Geld dazu hatte.

      Vielen geht es heute wie dir: Man kann das Risiko der Altersarmut eingehen oder sich jetzt in der Hoffnung „verheizen“, dass das später in der Rente einen Unterschied macht.

  6. Reich ist, wer keinen Mangel leidet und davon ausgehen kann, dass er auch morgen und übermorgen keinen Mangel leiden wird. Reich ist, wer sich keine Sorgen um seine Zukunft macht. Also schafft man entweder den Mangel oder die Sorgen ab.

    Ich glaube, dass sowohl die Abschaffung des Mangels wie der Sorgen Illusionen sind.

    Wenn man den in die Zukunft projizierten Mangel abschaffen will, dahingehend, dass man bis ans Ende seiner Tage genug hat, kommt man dahin, dass genug nie genug ist, sondern nur noch damit beschäftigt ist, Besitz oder Geld anzuhäufen. Schließlich könnte man ja doch noch ein Jahr älter werden oder eine Spur kränker und hilfsbedürftiger werden und deshalb eine, zwei, fünf Millionen mehr brauchen. Und außerdem garantieren weder Geld noch Immobilien die sorgenfreie Zukunft, denn niemand kann vorhersagen, ob das Wirtschafts- und Geldsystem nicht bald zusammenbricht.

    Sich keine Sorgen zu machen, ist aber ebenso eine Illusion, denn man beobachtet ja, wie ringsum die Leute älter werden und wie die Kräfte nachlassen und wie die nachlassenden Kräfte dadurch kompensiert werden, dass die Älteren sich Hilfen kaufen (oder vom Staat gestellt bekommen). Man sieht mit eigenen Augen, dass es denen, die finanziell gut gestellt sind, im Alter wesentlich besser geht, als denen, die sich auf den Staat und damit auf Hartz IV verlassen müssen.

    Der normale Mensch steckt in einem double bind zwischen Mangel und Sorgen, und das ist letztendlich auch der Grund, warum sich nichts ändert und sich die nachfolgenden Jahren gleich verhalten wie die vorausgehenden. Sich nicht mehr mit anderen zu vergleichen, sich aufs Wesentliche besinnen, sich mit Wenigem bescheiden und minimalistisch leben, sind Themen, die in allen Generatioen wieder aufs Tapet gebracht werden und durch die konkreten Entwicklungen immer wieder negiert werden.

    1. Ich glaube, du hast Recht und wieder auch nicht. Wenn man es als Entweder/Oder begreift, so wie bei dir dargelegt, dann stimme ich dir zu: Minimalismus, Downshifting etc. können all die Notwendigkeiten nicht kompensieren.

      Ich denke aber in eher graduellen Dimensionen: Was kann ich tun, um mehr Zeit zu haben? Wie komme ich dem näher, was ich schätze? Wie kann ich weniger Zeit am Computer verbringen, während sich draußen der Himmel färbt, die Bäume im Wind wiegen und die Falken schweben?

      All das wird mich nicht davon entlasten, weiter für meine Familie zu „sorgen“, etwas für das Alter auf die Seite zu legen (jetzt, da ich es kann) und ich werde mit Frau und Kind auch nicht einfach aussteigen und den ganzen Tag in den Himmel schauen können.

      Aber ich kann mich dem annähern, was mich wirklich bereichert und das ist nicht Geld, sondern Zeit, Erlebnis, Liebe, Genuss, das Draußen. Totalität kann „negiert“ werden, diese Annäherung nicht.

  7. Hallo Gilbert,
    Deine Geschichte inspiriert mich einmal mehr, in mich zu gehen und zu prüfen, was ist wichtig für MICH. Ohne Egoist zu sein zu wollen möchte ich vieles ändern. Da ich aber Verantwortung gegenüber meiner Familie trage, und das mache ich gerne, sind Änderungen nicht so einfach.
    Vielleicht möchtest Du oder der ein oder andere Leser dieser Kommentare was zu meiner Person wissen:
    Ich bin 52 Jahre alt, fast 30 Jahre glücklich verheiratet, wir haben zwei liebe Kinder, Haus, Auto und soweiter …!
    Ich bin glücklich, ABER:
    Nicht zufrieden.
    Zufriedenheit ist meiner Meinung nach nicht unbedingt mit Glück und Reichtum zu verbinden. Da muss man wo anders suchen.
    Auf diesen Weg begebe ich mich, und Beiträge wie Deine helfen und bestätigen mein Ziel.

    Vielen Dank.

    Liebe Grüße
    Christian

    1. Danke fürs Teilen, Christian!

      Was zur Zufriedenheit ebenso beiträgt, ist etwas Dankbarkeit für das, was man schon „hat“, etwas Akzeptanz dafür, dass man nicht alles „haben“ kann. Etwas Pessimismus oder Bescheidenheit in er Erwartung für die eigene Zukunft, damit man nicht immer enttäuscht durch die Gegend läuft. Und vielleicht auch die Erkenntnis, dass man gar nichts verdient hat. Die Welt schuldet einem nichts. Es geht der Welt nicht um dich oder mich. Das Draußen ist viel größer und wird uns überleben. Das sind so Gedanken, die mir helfen, auf dem Teppich und damit zufrieden zu bleiben.

  8. Reich sein bedeutet, das, was mir wichtig ist, tun zu dürfen.
    Einst war es. Anfang 30, Schach und Joggen. „Das kann mir niemand nehmen, beides erfüllt mich zutiefst“. Gerade das Joggen im Wald: „jeder Schritt pures Gold!“. Auf diese Formel brachte ich mein Glücksgefühl.
    Umso schlimmer und elender ist es dann, wenn das Konstrukt doch bricht, wie in meinem Fall mit Gelenkbeschwerden. Damals half mir nach einer gewissen Zeit der Lähmung fast tägliches Wandern . Das funktionierte, körperlich und seelisch, wenn auch die Hochgefühle ausblieben. Dennoch erfüllte ich damit eine Art Bestimmung in mir: Des des Bewegungsmenschen, dem ich mich auch heute noch zugehörig fühle. Bewegung, sich bewegen können, körperlich und seelisch, das macht Freude und erfüllt.

  9. Ein schöner Artikel! In der Tat ist unsere Zeit, die Lebenszeit, das wichtigste und wertvollste, was wir haben. Keiner kann sie verlängern, geschweige denn irgendwo kaufen. Ich kann sie verschwenden (mit sinnentstellter Arbeit, mit unnötigem Besitz für den ich arbeiten muss,…), verkürzen (Alkohol, Drogen,…) oder aber voll auskosten und etwas für mich und die Welt sinnvolles damit anfangen. Es kommt auf eine gute Balance an zwischen den gesellschaftlichen Anforderungen, die an mich gestellt werden und dem, was mir in meiner Zeit auf Erden wichtig ist. Letzteres herauszufinden ist die Voraussetzung dafür, dass ich diesen, meinen Weg gehen kann, aber auch immer wieder schaue, passt es noch oder muss ich wieder justieren wenn sich meine Lebensumstände ändern. Es gibt keinen Königsweg, aber viele Pfade, denen wir folgen können.

  10. Zum bedingungslosen Grundeinkommen: wenn es wirklich bedingungslos wäre, müsste es auch dann finanzierbar sein, wenn ALLE beschließen würden, sich mit dem Grundeinkommen zu begnügen und nicht mehr am Arbeitsprozess teilzunehmen. Ist es aber nicht. Es ist ja nicht mal finanzierbar, wenn alle wie gehabt im Arbeitsprozess weitermachen.

    Das BGE ist Augenwischerei. Ihm liegt der z.Z. weit verbreitete Irrtum zugrunde, dass JEDER einen Vorteil davon hat, wenn er zu einer Gemeinschaft gehört, d.h. das JEDER Einzelne der Gemeinschaft mehr entnehmen kann, als er einbringt. Das funktioniert nicht.

  11. Hallo Zusammen,

    ich glaube, alle die hier lesen und schreiben sind schon auf „Ihrem Weg“ angekommen oder zumindest am Start. Alle machen sich in irgendeiner Art und Weise Gedanken – und das ist auch gut so – sehr schöner Artikel und auch gute Komentare – danke für eure geteilten Gedanken.

  12. Ich finde es auch schön, zu beobachten, auf wievielen Wegen wir zusammenkommen können!
    Es gibt immer Schnittmengen und so verschieden wie wir auch sind oder welche Interessen und Ausrichtungen wir im Einzelnen haben, es gibt auch vieles gute Gemeinsame, auf das wir schauen und das wir pflegen sollten.

  13. Lieber Gilbert,

    vielen Dank für diese Erinnerung an das, was für mich wirklich im Leben zählt: Geistiger Reichtum in Verbindung mit materiellem Komfort.

    Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ist komplex, sodass ich an dieser Stelle nicht darüber debattieren möchte. Du hast aber richtig erkannt, dass eben nur gut gestellte Menschen aus westlichen Ländern die Möglichkeit und die Mittel haben, zwischen Geld und Prioritäten über ihr (Über)Leben zu entschieden.

    LG, Anna

  14. Hallo Gilbert,

    danke für diese innovative Definition von Reichtum. Sie hat meinen Blickwinkel erweitert. Allerdings ist ja ein Aspekt von materiellem Reichtum, dass man Ihn jederzeit in den gewünschten Reichtum umsetzen kann. Wer Geldreich ist braucht nicht arbeiten, sich keine Existenzsorgen machen, kann sich die Erlebnisse kaufen die er will etc. D.h. Geldreichtum lässt sich recht leicht in viele andere Reichtümer übersetzen – wenn man entsprechend frei im Geist ist. Umgekehrt ist das leider nicht so. Aus Erlebnissen, Zeit oder Freude Geld zu machen ist dann doch meist nicht sofort oder sicher möglich.

    Und insbesondere im Alter wird man wohl Geld brauchen. Wenn man zu Arbeitszeiten auf Nicht-Geld-Reichtum gesetzt hat, kann es da passieren, dass man dann ziemlich arm ist und sich dann nichtmal gesundes Bio-Essen kaufen und anständig bescheiden wohnen kann. Ich denke also der Nicht-Geld-Reichtum ist eine tolle Sache. Allerdings sollte man sich überlegen, was das mit den eignen Zukunftsaussichten und denen der Familie macht. Wenn man damit trotz Fokus auf Nicht-Geld-Reichtum ok ist und sich weiterhin reich fühlt. Super :-).

    An dieser Stelle der Hinweis auf Raffael Fellmer, der 5 Jahre ohne Geld gelebt hat.

    Schöne Grüße

    Andre

    1. Hallo Andre,

      Du hast völlig Recht. Deswegen schreibe ich oben: „Geld ist in dieser Hinsicht nahezu magisch, denn wir können mit Geld alle anderen Mittel und noch vieles mehr erwerben. Kein Wunder also, dass bei uns derjenige als reich gilt, der viel Geld hat.“

      Ich bin niemand, der leichtfertig die notwendigen materiellen Grundlagen in Abrede stellt. Man sollte dabei nur nicht aus den Augen verlieren, dass Geld immer nur Mittel zum Zweck sein kann und manche Zwecke kann man auch auf anderen Wegen als über Geld verwirklichen. Aber ganz ohne geht es nicht und ich stimme dir zu: Vorsorgen ist extrem wichtig und auch seinen Verpflichtungen gegenüber der Familie (der selbst gegründeten zumal) kann man nicht ganz leicht ohne etwas Geld nachkommen.

      Viele Grüße, Gilbert

      PS: Vielen Dank allen, die hier mit schreiben!

  15. Zu wenig Zeit, zu wenig Geld … egal, wieviel man davon besitzt – es ist für die meisten Menschen immer zuwenig! Wir leben heute in einer Zeit, in der wir Zeit und Geld haben, wie noch keine unserer Vorfahren diese zur Verfügung hatten. Wir arbeiten in einer 40-Stunden-Woche (viele noch weniger), moderne Haushaltsgeräte nehmen uns viel und mühselige Arbeit ab. Dank Internet, schneller Fahrzeuge und moderner Technik können wir bequem an jeden beliebigen Ort der Welt sein. Sogar Geschehnisse im Weltall können wir mittlerweile zeitnah betrachten.

    Da stellt sich mir immer wieder die Frage: haben wir wirklich zu wenig Geld oder zu wenig Zeit? Oder setzen wir selbst die Prioritäten falsch und begeben uns von selbst aus in Geld- und Zeitmangel?

    Jeder muß selbst seinen eigenen Weg finden, in welcher Art und Weise er glücklich wird. Aber niemand sollte sich wegen Geld- oder Zeitmangels beklagen. Ich kann nur das ausgeben, was ich habe. Sei es Geld oder Zeit. Wenn ich der Meinung bin, ich habe zu wenig davon, so sollte ich daran etwas ändern.

    Beste Grüße
    Torsten

  16. Hallo Torsten,

    ein guter Aspekt, den du da mit rein bringst! Du hast Recht, wir haben heute mehr von allem als je zuvor. Nostalgie läuft eigentlich nur auf einen Punkt hinaus: „Früher war zwar alles schlechter, aber wenigstens konnte man nichts dagegen tun.“

    Es gibt allerdings ein Problem mit der durch Technik theoretisch ermöglichten „Zeitersparnis“: Wir nutzen die freiwerdende Zeit nicht, um uns der Muße, der Kunst oder gesellschaftlichen Wohltaten hinzugeben, sondern dazu, immer noch mehr Dinge in derselben Zeit zu erledigen. Das sehen wir im Privatleben mit all den technischen Helfern wie im Arbeitsalltag und hier am deutlichsten in der Kommunikation. Früher hat die Antwort auf einen Brief drei Tage gedauert, heute wollen wir spätestens nach drei Stunden eine Antwort auf unsere E-Mail. Das resultiert aber nicht darin, dass wir dieselbe Menge an E-Mails wie damals Briefen schreiben und nun viel Zeit übrig haben. Nein, es resultiert darin, dass wir immer mehr in derselben Zeit erledigen und so nie in den Genuss unserer theoretisch möglichen Ersparnis kommen. Ein Paradox!

    Beste Grüße, Gilbert

  17. hallo gilbert,

    kind ist erwachsen. lebe im zeitwohlstand. das erlebe ich als luxus. male schon um 6 uhr morgens. vielleicht mal alles überflüssige weglassen. dann ist genug zeit da. kind rumtragen war auch schön und hat sich gelohnt. geniess die zeit des rumtragens. das kommt nie wieder.

    lg – tanja

    vielleicht willst du zu viel auf einmal?

    1. Ja, das ist eine Sicht, die ich auch teile: Alles hat seine Zeit im Leben. Zu viel auf einmal? Ich versuche mich auf das zu reduzieren, was mir wichtig ist. LG, Gilbert

  18. Hallo
    Ich war früher total auf Karriere und Geld aus. Wollte viel besitzen, möglichst viel Geld verdienen und habe sehr viel gearbeitet. Nun bin ich seit ein paar Jahren Mutter einer wundervollen Tochter und diese Habgier Gedanken sind GOTTSEIDANK ganz nach hinten gerutscht. Ich genieße jede freie Minute mit meiner Tochter, arbeite wenig, brauche weniger und fühle mich glücklicher denn je.
    Liebe Grüße
    Hanna

  19. Lieber Gilbert,
    danke für den schönen Artikel, der genau in mein derzeitiges Thema passt. Ich werde in den nächsten Tagen blind kündigen, weil ich merke, dass mich nicht nur die dauernden Kompromisse in meinem Job an seinem Sinn für mich und andere zweifeln lassen. Ich habe das Gefühl, mich zurück zu entwickeln und frage mich, ob ich mir in absehbarer Zeit noch morgens im Spiegel begegnen will. Dabei ist es eben nicht nur ein Problem dieses Jobs, sondern auch der gesellschaftlichen Gesamtsituation, wo nicht mehr des Lebewesens Würde sondern nur noch der Profit von Bedeutung sind. Solange ich aber im Hamsterrad stecke, ist der Blick auf das was ich will und kann etwas vernebelt.
    Der Vorteil meiner bisherigen Tätigkeit ist, dass sie mir ein finanzielles Polster ermöglicht hat, das es mir erlauben wird für wenigstens drei Monate zu pausieren. Meine Jobaussichten sind für danach grundsätzlich auch nicht schlecht. Es ist also eher kein Sprung in tiefes Wasser. Trotzdem hat mich lange die Angst vor fehlender „Sicherheit“ davon abgehalten und ich stelle fest, dass diese meine Hauptmotivation für das Geldverdienen ist (ich komme aus sehr kargen Verhältnissen, gelegentlich hungern gehörte in meiner Kindheit dazu).
    Zusammengefasst: ich bin dankbar für die Möglichkeiten die ich habe, habe trotzdem mit Angst vor dem „Ausstieg“ zu kämpfen, freue mich aber auf eine Zeit der Muße, in der ich hoffe meinen Weg klarer vor mir zu sehen.
    Texte wie Deiner sind wirklich sehr unterstützend!

    1. Hallo Annette,

      so genau ist es richtig, denke ich: Wenn man es sich leisten kann, sollte man sich die Welt ruhig mal ein paar Monate von einer anderen Perspektive ansehen. Viel Erfolg damit!

      Gilbert

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