„Fernsehen bildet. Immer, wenn der Fernseher an ist, gehe ich in ein anderes Zimmer und lese.“ (Groucho Marx)
Fußball, Fahrrad, Fernsehen
Wenn meine schulischen Leistungen auf dem Gymnasium mal wieder zu wünschen übrig ließen, monierten meine Eltern gerne, dass ich mich nur für die drei „Fs“ interessiere: Fußball, Fahrrad, Fernsehen. Sie hatten recht. Gefühlt machte ich nach dem Unterricht jahrelang nichts außer auf dem Bolzplatz zu stehen, Basketball zu spielen, mit dem Rad von Sportstätte zu Sportstätte zu fahren und fernzuschauen.
Während mir das Körbewerfen immerhin die Bekanntschaft von Dirk Nowitzki und ein Angebot aus der 2. Bundesliga einbrachte, blieb vom TV-Konsum wenig übrig. Ich erinnere mich an Boris Beckers Sieg in Wimbledon 1985, kenne noch heute jede Szene aus dem Vorspann von „Ein Colt für alle Fälle“ (besonders die, in der Heather Thomas im Bikini durch die Schwingtür schreitet), war live dabei, als im November 1989 die Mauer fiel, sah Frank Rijkaard bei der WM 1990 in Rudi Völlers Locken spucken und kann mich an Helga Beimers Gesicht besser erinnern als an das meiner Lateinlehrerin. Wo ist all der Rest geblieben? Durch welches Sieb im Hirn sind zum Beispiel die 10.000 Tore gerieselt, die ich in einer Dekade Sportschau gesehen haben muss?
Glotze an, Verstand aus
Fernsehen ist Berieselung, Fernsehen ist die passivste Aktivität überhaupt. Dass das auf Dauer weder gesund sein kann noch schlau macht, ahnten wir bereits als Kinder. „Glotze an, Verstand aus“, war ein von meinem Bruder und mir oft verwendeter Spruch.
Zahlreiche Studien und Experten (z. B. hier, hier, hier und hier) weisen darauf hin, dass hoher Fernsehkonsum mit Übergewicht, Bewegungsmangel, ungesunder Ernährung, Rauchen und den entsprechenden Folgeerkrankungen sowie mit niedrigem Bildungsstand, mangelnder Empathie und Aggressivität in Beziehung steht. Da ist es schon fast alarmierend, dass die durchschnittliche tägliche Fernsehdauer in Deutschland 221 Minuten beträgt. Erika und Max Mustermann versauern also 56 Tage pro Jahr und fast 12 Jahre ihres Lebens vor der Kiste. Ich möchte gar nicht wissen, wie lange die Kleinen in vielen Haushalten auf diese Weise ruhig gestellt werden.
Ohne Fernseher zu mehr Klarheit, Zufriedenheit und Positivem
Mit Anfang 20 zog ich zum Studieren nach Würzburg. Ich machte zunächst mit dem Fernsehkonsum weiter wie zuvor. Nach und nach wurde mir bewusst, dass dieser einer der größten Zeit- und Kreativitätskiller meiner Generation ist. Nachdem mein Versuch, weniger fernzuschauen, gescheitert war, zog ich die Notbremse. Ich warf den Fernseher von heute auf morgen aus meiner Studentenbude. Wie befreiend war das denn bitte? Plötzlich hatte ich unglaublich viel Zeit. Diese Zeit konnte ich für mich und mit anderen sinnvoll nutzen. Ich las wieder mehr, begann mit dem Schreiben, kam mit meinem Studium zu Potte, knüpfte neue Freundschaften, hatte Beziehungen, bewegte mich viel, reiste durch Europa und später um die Welt, entdeckte meine Liebe zur Natur – kurzum ich wurde aktiver und kreativer.
Keinen Fernseher zu besitzen, sorgt seit 20 Jahren für mehr Klarheit, Zufriedenheit und Positives in meinem Leben. Ich halte das Fernsehen für ein Medium der Extreme. Ein Leben, wie es die meisten von uns führen, hat dort wenig Platz. Gezeigt werden lieber Gewalt oder Kitsch, Vergewaltigung oder perfekter Sex, Kriege oder putzige Tierbabys, Zonk oder 1-Million-Euro-Gewinn, Bauer sucht Frau oder Deutschland sucht den Superstar. „Die Medien haben ja eine Tendenz zu Skandal, Übertreibung, Negativität und Alarmismus. Das kann uns in eine ständige Alarmbereitschaft versetzen. Wir werden angesteckt von Gefühlen, wissen aber nicht, was genau davon unsere eigenen sind.“, sagte meine Schwester kürzlich im Interview zum Thema Achtsamkeit.
Wenn mich die Fernsehlust mal wieder packt
Ich möchte das Fernsehen nicht ganz verteufeln. Es kann unterhaltsam sein, es kann informativ sein und es kann helfen, für kurze Zeit abzuschalten. Hin und wieder packt auch mich die Fernsehlust. Dann streame ich einen Spielfilm oder eine Doku auf Arte oder schaue mit Freunden Champions League in einer Kneipe.
Ein TV-Gerät kommt mir freilich nicht mehr in die Wohnung. Ich weiß, dass ich mich schnell wieder regelmäßig berieseln lassen würde. Meine Fußball-Fahrrad-Fernsehen-Phase ist also passé. Zum Glück gibt es noch andere schöne „Fs“ – Fernwandern zum Beispiel.
Bonus: Weniger Fernsehen (oder die Kiste ganz verkaufen) bedeutet …
… mehr Achtsamkeit.
… mehr Bewegung.
… mehr Fokus.
… mehr Freiheit.
… mehr Freundschaften.
… mehr Geld.
… mehr Gespräche.
… mehr Gesundheit.
… mehr Kreativität.
… mehr Leben.
… mehr Platz.
… mehr Schlafqualität.
… mehr Sex.
… mehr Werbefreiheit.
… mehr Zeit.
… mehr Zufriedenheit.
Hast Du auch keinen Fernseher, besitzt Du noch einen oder schaust Du wie Erika und Max Mustermann 221 Minuten pro Tag fern?
—
Um keine Artikel zu verpassen, kannst Du Dich hier mit mir verbinden: Newsletter, Facebook, Instagram, Twitter, RSS-Feed
Von der Dauerberieselung vorm Fernsehen halte ich auch nicht viel. Wir besitzer zwar noch einen Fernseher (mein Freund will sich nicht davon trennen), doch wir haben ihn ausgestöpselt und empfangen somit kein TV-Programm mehr. Dadurch benutzen wir ihn nur noch als großen Bildschirm um gestreamte Film ansehen zu können.
Allerdings halte ich auch die Berieselung durch fb und co für bedenklich.
Liebe Grüße, Daniela