Glücksgefühle im taktilen Wohlstand

5. März 2021 - von Amrita Torosa - 12 Kommentare
Glücksgefühle im taktilen Wohlstand (Foto: Daria Shevtsova von Pexels)

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Amrita Torosa. Mit ihrer Glückskunst inspiriert sie Menschen zum Auftanken mit Glücksgefühlen. Besonders wichtig sind ihr der taktile Wohlstand und nährende Selbst-Berührung.

Im taktilen Wohlstand leben wir, wenn unsere Körper so viel Berührung bekommen, wie sie für ihr Wohlbefinden brauchen. In unserer Kultur ist das nicht selbstverständlich, obwohl Berührung glücklich macht und so viele Menschen sich nach Glück sehnen.

Berührung löst köstliche Glücksgefühle aus

Das haben wir wahrscheinlich alle schon erlebt – sei es beim Umarmen oder einer anderen wohltuenden Berührung eines freundlichen Menschen.

In Sekundenschnelle löst eine angenehme Berührung komplexe Aktionen aus. Rezeptoren in der Haut senden über das Rückenmark Signale an das Gehirn. Das schickt sofort Botenstoffe los, sogenannte Neuropeptide. Sie sorgen dafür, dass der Körper geflutet wird mit beglückenden Hormonen. Dadurch verlangsamen sich Atmung und Herzfrequenz, die Muskeln lassen gehaltene Spannungen los. Der Stresslevel sinkt, der Glückslevel steigt.

Diese Einzelheiten bekommen wir nicht bewusst mit, doch wir merken, dass Freude in uns aufsteigt. So ist Berührung ein leichter Weg zum Wohlbefinden.

Warum nutzen wir das nicht?

Weil wir denken, Berührung muss immer zwischen zwei Menschen stattfinden. Wir vergessen, dass wir uns auch selbst berühren können. Außerdem denken viele sofort an die erotische Ebene. Die nährende Berührung ist nahezu unbekannt. Dafür fehlt einfach das Erleben.

Man kann viel über Berührung reden, wirklich mitreden kann man erst, wenn man sie bewusst gefühlt hat. Wir berühren uns bei etlichen Gelegenheiten – beim Duschen oder Eincremen, beim Rasieren oder Anziehen. Doch meistens sind wir mit unseren Gedanken woanders. Wir können mit Berührung Glücksgefühle erzeugen, wenn wir mit unserer vollen Aufmerksamkeit dabei sind und bewusst wahrnehmen, was im Körper geschieht. Dann wird Berührung zum nährenden Element unserer Selbstfürsorge.

Willst Du es ausprobieren? Du brauchst nur zwei Minuten ohne Ablenkung, eine Sitzgelegenheit und Füße ohne Schuhe.

Berühren spüren

Setzt Dich einfach hin und richte Deine Aufmerksamkeit auf Deine Füße. Wie fühlen sie sich an? Sind sie warm, kalt, weit, eng, verspannt, locker? Merke Dir, wie sie sich anfühlen und nimm einen in Deine Hände. Halte ihn. Streichle ihn. Knete ihn sanft. Eine Minute genügt. Dann stelle beide Füße wieder nebeneinander und vergleiche sie miteinander. Den berührten Fuß und den unberührten.

Als ich es das erste Mal probierte, war ich total fasziniert. Der Unterschied zwischen beiden Füßen war riesengroß, was mich beeindruckte. Deshalb entwickelte ich eine Berührungspraxis, die ich täglich anwende. Weil der berührte Fuß sich satt anfühlte, nenne ich sie „Hautmahlzeit“.

Ein Mangel an Berührung – die Wissenschaft nennt das eine taktile Unterversorgung – hat ähnliche Auswirkungen wie Mangelernährung. Eine bewusste Berührungspraxis steigert demzufolge die Lebensqualität ähnlich wie eine wertschätzende, vollwertige Ernährung. Da decken sich die Erkenntnisse der Wissenschaft mit meinen Erfahrungen.

Berührung ist wichtig wie ein gesundes Grundnahrungsmittel …

Bei gesunder veganer Ernährung achten wir darauf, was wir unserem Körper zuführen. Dabei denken wir über den Magen hinaus an das Zusammenspiel aller Organe. Wir können als zweiten Nahrungsweg über den Tastsinn die Haut füttern. Eine solche Hautmahlzeit ist vegan und ethisch korrekt – kein Tier und kein Mensch muss dafür leiden. Die wohltuenden Auswirkungen sind am stabilsten, wenn unser Körper die nährende Selbst-Berührung täglich bekommt.

… und köstlich wie ein Dessert

Es löst köstliche Empfindungen aus, wenn Hände die Zartheit der Haut in der Kniekehle spüren oder den Schwung vom Hals zur Schulter beim Darüberstreichen erfassen. Die eigene liebende Berührung kann süß sein wie leckere Früchte. In den Händen prickelt es genüsslich und ein erquickendes Fließen strömt in allen Zellen. Es macht schlicht und einfach unendlich viel Spaß.

Diese Berührungspraxis ist minimalistisch und nachhaltig

Dieser Spaß ist von Dauer. Man kann das lebenslang mit unverminderter Begeisterung praktizieren. Es nutzt sich nie ab. Überhaupt passt es perfekt in ein minimalistisches und nachhaltiges Leben: Mit einer bewussten Berührungspraxis werden keine Ressourcen verbraucht außer denen, die wir ohnehin schon zum Leben benötigen. Wir brauchen keine Ausrüstung und auch keinen Platz, um sie aufzubewahren. Wir lenken uns nicht von irgendetwas ab und konsumieren nichts Überflüssiges. Wir geben unserem Körper, was er von Natur aus braucht.

Berühr Dich glücklich – 5 Ideen

Hier kommen fünf Möglichkeiten, die einfach umsetzbar sind:

  1. Lege bewusst beide Hände aufeinander oder ineinander. Beobachte, wie sich das anfühlt. Du kannst auch mit verschiedenen Hand-Positionen spielen.
  2. Du bist eine Weile ungestört und hast saubere Hände? Dann kannst Du Deine Hände an Deine Wangen legen und bewusst hinspüren, wie sich Deine Handflächen und Finger im Gesicht anfühlen und bewegen. Nach einer Weile kann es passieren, dass Deine Kiefermuskeln sich entspannen.
  3. Du kannst mit ein oder zwei Fingerkuppen alle Rundungen in Deinem Ohr nachfahren. Auch die Ohren zärtlich lang ziehen ist erlaubt. Wundere Dich nicht, wenn Du ins Gähnen kommst. Genieße es. Gähnen entspannt die Gesichtsmuskeln, befeuchtet die Augen und sollte niemals unterdrückt werden.
  4. Bringe Deine Fußknöchel in die Nähe Deiner Hände und umkreise sie gleichzeitig mit vier Fingerkuppen beider Hände, erst am einen Fuß, dann am anderen. Mach es langsam und achte genau darauf, was sich währenddessen in Deinem Körper tut.
  5. Morgens zwischen Aufwachen und Aufstehen oder abends zwischen Hinlegen und Einschlafen kannst Du Deine Hände sanft auf Herz und Bauch ruhen lassen. Vielleicht spürst Du, wie die Wärme Deiner Hände langsam in Deine Haut einsickert und wie liebevoll sich das anfühlt.

Glück für Dich und Dein Umfeld

So ist es bewusst einfach: Mit aufmerksamer regelmäßiger Berührung sorgen wir gut für uns und sammeln dabei Glücksgefühle. Ziemlich schnell sind es so viele, dass wir einige an andere Menschen weitergeben können. Und wenn Berührung mit anderen Menschen gerade nicht möglich ist? Dann geben wir Glücksgefühle weiter, indem wir freundlich sind. Wenn wir wollen, finden wir immer Wege, wie wir berührendes Glück genießen und teilen können.

Glücksgefühle im taktilen Wohlstand (Zeichnung: Amrita Torosa, 2019)

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12 Kommentare für “Glücksgefühle im taktilen Wohlstand”

  1. Liebe Amrita,
    super Gebrauchsanleitung, wenn man Deine Zeilen entspannt und gelassen liest, wirkt es schon beim Lesen.
    Wünsche Dir ne gute Resonanz
    Liebe Grüße

  2. Ein wunderbarer Ansatz für mehr Gegenwärtigkeit. Erfahren hab ich das auch schon, aber leider nicht so bewusst, dass ich daraus eine Übung gemacht hätte. Vielen Dank, Amrita, fürs Erinnern. Von jetzt an werde ich das häufiger einsetzen.

    1. Liebe Dolores,
      auch ein Dankeschön an dich. Ich finde es immer wieder wunderbar, dass es so viele Schätze zu heben gibt und wünsche dir viel Freude dabei.
      Berührende Grüße, Amrita

    1. Liebe Martina,
      Danke für deine tatkräftige Rückmeldung! Wenn es sofort umgesetzt wird, kann es am meisten unterstützen und Freude bereiten. :-)
      Berührende Grüße, Amrita

  3. Interessanter und wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit dem Minimalismus und der Achtsamkeit, der sich schon bei den antiken Stoikern wie Epiktet, Epikur, Aurelius und Seneca wiederfindet. z. B. hier ein Zitat vom römischen Philosophenkaiser Aurelius zum Glück:

    Marcus Aurelius Antonius, Selbstbetrachtungen. IV,3, III 5, VII 33.

    „Es steht dir ja frei,
    zu jeglicher Stunde
    dich in dich selbst zurückzuziehen,
    und nirgends finden wir
    eine so friedliche
    und ungestörte Zuflucht
    als in der eigenen Seele.

    Dann findet man die Heiterkeit der Seele,
    wenn man sich gewöhnt,
    der Hilfe von außen her zu entbehren
    und zu unserer Ruhe
    anderer Leute nicht zu bedürfen.

    Man soll aufrecht stehen,
    ohne aufrecht gehalten zu werden!

    Durch Sammlung in sich selbst
    bewahrt dabei die denkende Seele ihre Heiterkeit,
    und die in uns herrschende Vernunft
    erleidet keinen Schaden.“

    1. Liebe Evelyne,
      herzlichen Dank für deinen Hinweis auf die lange Tradition der Verbindung mit dem eigenen Selbst. Wie gut es tut, um eine „… ungestörte Zuflucht in der eigenen Seele …“ zu wissen. Möge es dich auch immer gut unterstützen.
      Mit berührenden Grüßen, Amrita

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