Die Menschen, die wir lieben, sind in unseren Herzen – und nicht in Smartphones

17. November 2021 - von Daniela Otto - 10 Kommentare
Die Menschen, die wir lieben, sind in unseren Herzen – und nicht in Smartphones (Foto: lilartsy von Pexels)

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Dr. Daniela Otto. Sie studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München deutsche und englische Literaturwissenschaften, promovierte über das Thema „Vernetzung. Wie Medien unser Bewusstsein verbinden“ und veröffentlichte das erste deutschsprachige Buch über Digital Detox. Ihr neuer Ratgeber „Digital Detox für die Seele“ vereint die Trends Achtsamkeit und Digital Detox.

Wir ständig klickende, swipende, scrollende und likende Wesen

Hast Du heute schon was verwechselt? Vielleicht Deine Zahnbürste mit der Deines Lieblingsmenschen? Den rechten und den linken Socken? Oder die Namen Deiner im Haus herumtobenden Kinder? Kann passieren. Ist überhaupt nicht schlimm.

Tragisch hingegen ist, wenn wir digitalen Menschen, wir ständig klickenden, swipenden, scrollenden und likenden Wesen, etwas Wesentliches verwechseln:

Wir verwechseln unser Smartphone mit den Menschen, die wir wirklich lieben.

Unsere Seele braucht weniger Internet

Wie kann sowas passieren? Vor allem seit Corona gleiten wir täglich bis zu elf Stunden in eine virtuelle Bildschirmwelt ab und wer denkt, dass dies ohne seelische Folgeschäden abläuft, der irrt. Immer mehr Menschen fühlen sich einsam, unglücklich und werden ernsthaft krank. Und wie wird die Zukunft aussehen, in einem inzwischen angekündigten Metaversum, in dem wir eigentlich gar nicht mehr aus dem Haus gehen müssen, weil wir uns bequem mit unseren Freunden online per Avatar treffen? Wir können derzeit nur darüber mutmaßen – und sollten uns lieber jetzt als später auf das Wichtigste und Schützenswerteste überhaupt besinnen: unsere Seele, die sich nach echter Verbundenheit sehnt.

Die Gesundheit unserer Seele ist durch all die digitalen Stressquellen in Gefahr. Die Dosis macht das Gift und derzeit befinden sich die meisten Menschen mit ihrer exzessiven Smartphonenutzung schon im toxischen Bereich. Wir können aber etwas dagegen tun und die Lösung für dieses Problem lautet Digital Detox. Unsere Seele braucht weniger Internet, weniger virtuelle Isolation. Wenn Du Deiner Seele etwas Gutes tun möchtest, so erlebe selbst die transformative Kraft, die Digital Detox besitzt. Indem Du Dein Smartphone (und alle anderen digitalen Medien) gezielt ausschaltest und bewusst und achtsam online gehst, schenkst Du Dir das echte Leben zurück und kannst zurückkehren zu einem wahrhaftigen Miteinander, das uns wirklich glücklich macht.

Digital Detox fördert das Mitgefühl

Wie genau kannst Du diese Verbundenheit spüren? Leg das nächste Mal, wenn Du Dich mit jemandem unterhältst, das Smartphone außer Sichtweite und nimm die Intensität eines wirklich guten Gesprächs wahr.

Digital Detox fördert unsere Empathiefähigkeit: Nur wer sich ohne Ablenkung ganz auf sein Gegenüber einlässt, kann den anderen voll und ganz wahrnehmen. Mitgefühl entsteht im Gehirn: So wie ein Smartphone automatisch nach Netz sucht, wenn es keines hat, so sucht unser Gehirn automatisch nach einem empathischen Austausch mit einem anderen Gehirn. Kein Gehirn ist in Isolation glücklich – wir können nicht anders als nach neuronaler Vernetzung streben.

Sogenannte „Spiegelneurone“ sind dafür zuständig, diese empathischen Verbindungen herzustellen. Spiegelneurone, auch Empathieneurone genannt, sind visuomotorische, also für die Koordination zuständige Nervenzellen in unserem Gehirn, die ein Resonanzsystem bilden. Durch Spiegelneurone verstehen wir andere, denn, wie der Name sagt, sie spiegeln die Handlungen und Gefühle anderer in uns selbst. Sie erzeugen in uns die Emotionen des anderen, bringen diese zum Schwingen. Unsere Gefühle werden intuitiv übertragen, wir stecken einander emotional an. Wenn wir zum Beispiel jemand weinen sehen, werden die Spiegelneurone aktiv; sie „feuern“ in unserem Gehirn und lösen in uns das Gefühl aus, das der andere empfindet. Du kennst den Effekt, dass Du zuckst, wenn Du siehst, wie sich jemand in den Finger schneidet? Genau das erzeugen Spiegelneurone. Wenn wir aber ständig in Bildschirme starren, wird ein solcher mitfühlender Austausch erschwert. Die Folge: eine zusehends unempathischere Gesellschaft – dabei ist Mitgefühl der Kitt, der uns zusammenhält.

Erlebe das Hier und Jetzt

Mit Digital Detox können wir dieses Mitgefühl neu erleben. Wir kommen wieder im Hier und Jetzt an, spüren einander, begegnen uns wieder von Herz zu Herz, von Seele zu Seele. Wir verwechseln nicht mehr, sondern dürfen erkennen:

Die Menschen, die wir lieben, sind in unseren Herzen – und nicht in Smartphones.

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10 Kommentare für “Die Menschen, die wir lieben, sind in unseren Herzen – und nicht in Smartphones”

  1. Oh, liebe Daniela, das spricht mir SO aus der Seele! Wie viele Menschen treffe ich, die nicht verstehen, dass ich, wenn ich nicht gerade unterwegs bin, nicht über das Smartphone zu erreichen bin? Mein Smartphone ist immer auf „stumm“ geschaltet, wenn ich zu Hause bin, liegt es in meiner Tasche – und ich höre/sehe und lese keine Nachrichten. Das Smartphone kann ein Segen sein, aber auch ein unendlicher Zeit- und Aufmerksamkeitsräuber!! Und ich kann es gar nicht leiden, wenn ich mit jemandem rede, das Smartphone piept oder brummt – und schon ist die Aufmerksamkeit bei dem Ding, statt bei unserem Gespräch.
    Vielen lieben Dank für den tollen Artikel!
    Herzlichst, Andrea

    1. Liebe Andrea,
      ganz herzlichen Dank für deine lieben Worte! Es freut mich, dass dich meine Botschaft erreicht. Und alles, was du schilderst, kann ich komplett nachvollziehen: Sobald ein Smartphone auf dem Tisch liegt, sinkt die Gesprächsqualität. Wir sind einfach nicht mehr voll und ganz da, nicht mehr bei der Sache, immer abgelenkt. Ich LIEBE aber Gespräche, die in die Tiefe gehen, Begegnungen, bei denen wir uns wirklich öffnen. Danke, dass du so achtsam mit deiner Mediennutzung bist und damit dieses so wichtige Thema selbst in die Welt trägst.

      Ganz herzliche Grüße zurück!

      Deine Daniela

  2. Das ist so wahr. Es scheint, als wären es die sozialen Netzwerke, die heute an unserer Stelle leben. Wir müssen uns wirklich bewusst werden und unsere Gewohnheiten radikal ändern.
    Danke noch einmal für den Artikel. Er ist sehr lehrreich

    1. Lieber Franck,

      Ich bedanke mich ganz herzlich für deine wertvollen Gedanken hierzu. Ich bin voll und ganz bei dir: Immer mehr Menschen richten ihr Leben danach aus, wie es online wirkt – das ist tragisch und traurig. Ein neues Bewusstsein ist unerlässlich und ja, unsere Gewohnheiten müssen wir dringen ändern, wenn wir gesund bleiben wollen.

      Alles Liebe!

      Daniela

  3. ja das liebe Smartphone. Ein Segen und auch ein Fluch. Ich mach es ja grundsätzlich ganz aus wenn ich ins Bett gehe und es ist nicht im Schlafzimmer.
    Manchmal aber auch hab ich es oft in den Händen von wegen liebe freundinnen verstreut in D und England und in der Schweiz oder als ich vor ein paar Wochen eine längere Bahnfahrt hatte war es praktisch wegen Hörbuch. Oder ja ich bin dann im www unterwegs. Kann aber sehr gut ausschalten. Wobei aber eben das Hörbuchabbo das juckt dann schon immer zum anmachen.

    Definitiv ist es aus wenn ich ein Gegenüber habe oder beim Essen. Das kann ich gar nicht ab.

    Andererseits kann ich das was ich vorhabe bzw. mache gut mit dem Handy ortsunhabhängig machen – 2. Standbein für Einkommen – ist mir wichtig, damit ich nämlich raus aus der stressigen sehr belastetenden Erwerbstätigkeit komme. Sie raubt mir nämlich mein ICH und MICH und eben ein kleines bisschen fehlt noch zur lebbaren finanziellen unabhängigkeit.

    LG
    Rosa

    1. Liebe Rosa,

      Danke sehr für deinen Kommentar! Du sprichst einen wichtigen Punkt an: Das Handy ist natürlich nicht nur schlecht und ich will es auch nicht verteufeln oder einen weltfremden Totalverzicht predigen. Auf unsere Nutzungsweise kommt es an. Toll, dass du es schon so achtsam benutzt und vor allem nachts ausschaltest (ganz viele machen es nicht und 9 von 10 Menschen greifen morgens als Erstes zum Smartphone). Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit!

      Herzlich,

      Daniela

  4. Die Menschen, die ich liebe, sind nur über Smartphones zu erreichen. Wahrscheinlich sind wir eher Einzelfall aber meine Eltern wohnen in Asien und ich in Berlin.
    Ohne Smartphones wüsste ich nicht, wie ich die 3 Jahre Reiseeinschränkung wegen Corona überleben sollte. Die Kindern würden ihre Großeltern gar nicht sehen können.

    Das Smartphone ist wie die meisten Sachen im Leben ein Werkzeug. Es gilt, wie man es benutzt.
    Wenn man bewusst und achtsam ist, würde es mit Smartphone auch funktionieren. Das Problem ist eher Social Medien und ihr „Belohnungssystem“. Immer neue Reize, Likes, Aufmerksamkeit…

    Das Smartphone ist für Fernbeziehung/ Familien im Ausland mittlerweile unverzichtbar. Was auf jeden Fall gut tut und wichtig ist, egal ob digital oder analog, ist die volle Präsenz.

    1. Hallo Linh!

      Vielen Dank für deinen Kommentar und deine wertvollen Gedanken zu meinem Beitrag. Genau darum geht es in meinem Buch: um die achtsame, bewusste Mediennutzung. Denn wie du sagst: Natürlich haben Smartphones auch etwas Gutes – wenn wir sie richtig einsetzen. Gerade während der Pandemie sind die Bildschirmzeiten allerdings so explodiert, dass es leider bei vielen Menschen nicht mehr im gesunden Bereich ist. Smartphones verändern unser Gehirn nachweislich und zwar nicht zum Guten. Daher ist es mir wichtig, die Menschen für diese Gefahren zu sensibilisieren und sie zu einem Leben in digitaler Balance zu inspirieren. Du nennst ein wunderschönes Stichwort: Präsenz. Genau die sollten wir wieder erleben. Ich wünsche dir alles Gute und grüße dich herzlich!

      Daniela

  5. Ihr spricht mir auch so aus der Seele. In unserer sowieso schon berührungsarmen Gesellschaft oder ZEit jetzt zu corona, und dann noch Handykonsum, ich werde da auch immer verrückt, aber versuche es mit Humor zu nehmen. Am schlimmsten finde ich die Aufmerksamkeit, die es ständig verlangt, und das Abgelenktsein. Habe mir ein Festnetz zugelegt, was für ein Segen! Aber manchmal fühlt man sich ausgeschlossen, weil man nichts mitbekommt. Aber eher selten. Man kann ja die ganzen Apps auf den Rechner machen.
    liebe grüße,

    .,..und wie Peter Lustig immer am Ende der Sendung gesagt hat: „…abschalten!“

    1. Lieber Benjamin!

      Danke sehr für deine liebenWorte – und wie schön, dass du Peter Lustig erwähnst! Sein „abschalten“ war ja quasi eine Art Offline-Mantra, noch lange bevor uns Smartphones diese enorme Lebenszeit geraubt haben. Mich erinnert das auch immer an Michael Endes „Momo“: Darin gab es die grauen Männer, die uns die Zeit stehlen. Heute sind das diese kleinen Maschinen. Leider befeuert Corona die Bildschirmzeit enorm. Ich gratuliere dir daher zu deinem Festnetzanschluss – wahrlich ein Segen zur Weihnachtszeit!

      Herzlich,

      Daniela

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