Auf einem Flug von Deutschland nach Kalifornien und zurück erzeugt jeder Passagier CO2-Emissionen, die 40.000 km Autofahren entsprechen. Selbst eine Klimakompensation kann die Umwelt nur zum Teil entlasten. Fernreisen einzuschränken, trägt hingegen dazu bei, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Auf dem Rad nach Rumänien, zu Fuß über die Alpen, mit dem InterRail-Ticket durch Europa – Abenteuer warten vor der Haustür und nicht nur am Ende der Welt.
Auch Städtereisen können nachhaltig sein, wenn der Anfahrtsweg nicht zu lang ist und man sich vor Ort einfach bewusst verhält. Zu entdecken gibt es reichlich und das nicht nur in den üblichen Verdächtigen wie Berlin, Köln und München. Beweisen wollen dies in den nächsten Wochen sieben deutschsprachige Autoren und Blogger, die ich gebeten habe, mir die besten Tipps für ihre Heimatstadt zu verraten (Forchheim werde ich selbst vorstellen). Kempten und Bielefeld machen den Auftakt dieser vierteiligen Artikelserie:
- Kempten im Allgäu und Bielefeld
- Lübeck und Aachen mit Eifel
- Wien und Darmstadt
- Dresden und Forchheim mit Fränkische Schweiz
Kempten im Allgäu, Bayern – von Erika Spengler, ulligunde.com
Kempten ist mit seinen 60.000 Einwohnern natürlich keine Großstadt im eigentlichen Sinne, von den Allgäuern wird sie dennoch liebevoll „Metropole des Allgäus“ genannt. Hier gibt es alles, was das weiß-blaue Herz im Durchschnitt so begehrt: Einen ausgezeichneten Bergsportladen, ein kleines Kino, ein Einkaufszentrum, eine Hochschule („studieren, wo andere Urlaub machen“) und ein paar sehr gute Restaurants.
Über Nacht
Das „Grünste“, was das Allgäu zu bieten hat, ist sicher das Explorer Hotel bei Oberstdorf. Es liegt zwar einige Kilometer entfernt, überzeugt dafür mit einer überwältigenden Ökobilanz. Nachhaltiger geht es nur noch via Couchsurfing, bei dem auch noch der soziale Aspekt dazukommt. Wer also für zwei, drei Tage in Kempten unterkommen will, sollte mal bei ulligunde.com anklopfen, vielleicht ist die Couch ja gerade frei. Alternativ hätten wir noch vier Schlafplätze in unserem Bus ;-)
Anschauen
Die Burghalde ist meiner Meinung nach auf jeden Fall einen Besuch wert. Das ist ein kleiner Berg inmitten der Stadt, auf der eine ganz kleine Burg mit dicken Mauern und einem Amphitheater thront. Im Sommer ist ein Radler im Biergarten ein Muss! Die Sicht über die Stadt bis hin zu den ersten Alpengipfeln ist einfach wunderschön. Wie viele Pärchen an diesem Berg bereits zusammenkamen, kann niemand sagen. Fest steht: Ich gehöre dazu ;-)
Essen & Trinken
Das wohl beste Restaurant der Stadt ist und bleibt die Altstadtwirtschaft. In diesem minimalistisch eingerichteten Gewölbekeller gibt es neben gemütlicher Atmosphäre erstklassigen Service und Speisen, die ausschließlich handgemacht sind und deren Zutaten aus der Region stammen. Die kleine Speisekarte – maximal vier Hauptgänge pro Tag – wird fast täglich erneuert und enthält mindestens ein vegetarisches Gericht.
Nightlife
Da wird es in Kempten schon schwieriger. Um acht Uhr abends werden nämlich die Gehwege hochgeklappt, außer es ist ein lauer Sommerabend, da kann es schon mal halb zehn werden … Die schönste und alternativste Atmosphäre findet man wohl im Künstercafé, das in einem traditionsreichen Haus untergebracht ist. Hier wird gemeinsam Tatort geschaut, neuen oder bereits etablierten Bands gelauscht, und lernen sich am „ZwiDo“ neu Hinzugezogene kennen. Kurzum: Eine alternative Kneipe, in der sich sowohl 18-jährige zum Vorglühen als auch 60-jährige zum Schach spielen treffen.
Aktiv
Für alle, die dem Klettersport verfallen sind, bietet sich der freistehende Kletterturm im Engelhaldepark an. Hier kann man sich bei schönem Wetter an der frischen Luft die Finger langziehen, ohne an den Fels zu gehen. Für alle anderen gibt es Ruhebänke zum Zusehen, weite Wiesen und kleine Seen. Auch die Slackline-Gemeinde trifft sich im Engelhaldepark, um neue Tricks zu lernen.
Ins Grüne
Kempten ist das Tor zu den Allgäuer Alpen. Egal auf welchen Gipfel man steigt, das Panorama ist atemberaubend. Wer einen der imposantesten Weitblicke genießen möchte, steigt auf den wohl markantesten Berg im Oberstdorfer Tal. Das Rubihorn hat eine schroffe Nordwand, die einer Miniausgabe der Eiger Nordwand gleicht. Die Überschreitung ist nicht ganz so anspruchsvoll, erfordert aber dennoch Kondition und Trittsicherheit.
Etwas weniger aufwendig ist eine Überschreitung von Iseler und Kühgundkopf – allerdings nur mit etwas Trittsicherheit, denn ein paar Stellen sind mit Drahtseilen versichert und doch etwas steil. Dafür müssen nicht so viele Höhenmeter wie am Rubihorn zurückgelegt werden. Der Talort Oberjoch ist gut mit dem Bus erreichbar (mit dem Zug nach Sonthofen, weiter mit dem Bus in Richtung Tannheimer Tal).
Wer es nicht ganz so steil mag und auf dem markantesten Gipfel stehen möchte, den man direkt von Kempten aus sehen kann, steigt auf den Grünten. Das ist der Hausberg des Allgäus und mit seiner hohen Antenne schon von Weitem sichtbar. Man braucht ca. 3 Stunden, um oben am Jägerdenkmal das fantastische Panorama genießen zu können. Der Talort Burgberg kann ebenfalls mit dem Bus erreicht werden.
Und noch ein letzter Tipp für jene, die nur etwas spazieren gehen möchten: Eine schöne Strecke aufgrund der Vielfalt (vorbei am See, Blick auf die Berge des Allgäus, Einkehrmöglichkeiten, direkt vom Bahnhof aus und trotzdem in der Natur) ist die Runde um Immenstadt. Auf 12 Kilometern werden ca. 500 Höhenmeter zurückgelegt, allerdings gibt es nie lange Anstiege.
Buchtipp
Da ist natürlich die Allgäu-Krimi-Reihe von Volker Klüpfel und Michael Kobr der wichtigste „Reiseführer“. Kommissar Kluftinger jagt hier quer durch das Allgäu der Lösung seiner Fälle hinterher – immer mit viel Charme und Humor. Inzwischen gibt es dazugehörige Führungen durch Kempten und sogar einen Film.
Bielefeld, Nordrhein-Westfalen – von Robert B. Fishman, about.me/robertb_fishman
Bielefeld liegt am Ostrand von Nordrhein-Westfalen, hat 323.000 Einwohner und ist ein wichtiger Hochschul- und Forschungsstandort. Mit dem Teutoburger Wald, der mitten durch die Stadt verläuft, der bundesweit bekannten Kunsthalle und einigen weiteren Sehenswürdigkeiten ist Bielefeld ein interessantes Ausflugsziel. Dank vieler Bausünden der 1960er und 1970er Jahre und einer angeblich wenig extrovertierten Bevölkerung galt Bielefeld lange Zeit als unsexy und langweilig, so etwas wie der westlichste Außenposten des real existierenden Betonsozialismus auf einer Charmestufe mit Hagen, Wanne-Eickel oder Schwedt. Kein Problem. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs völlig ungeniert ;-)
Über Nacht
Übernachtungen in ruhiger, zentraler Lage bietet das Jugendgästehaus an. Es entstand als Expo-Projekt der Weltausstellung 2000 auf einem ehemaligen Industriegelände am Ostrand des Zentrums. Ebenfalls freundlich und bezahlbar ist das Altstadt Hotel, das in einer ruhigen Innenstadtstraße liegt.
Anschauen
Die „Gute Stube“ der Stadt ist der Alte Markt mit seinen Straßencafés und Giebelhäusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert.
Bundesweit bekannt ist die 1968 nach Plänen des US-Architekten Philip Johnson erbaute Kunsthalle. Immer wieder sorgt sie mit herausragenden Ausstellung für Aufmerksamkeit. Gleich gegenüber liegt das Museum Waldhof des Bielefelder Kunstvereins in einem der ältesten Bauwerke der Stadt, einem Weserrenaissance-Adelshof aus dem 16. Jahrhundert.
Essen & Trinken
Vegetarische Suppen und selbstgemachtes Eis zu sehr fairen Preisen serviert Deine Eisbar. Die Inhaberin setzt auf nachhaltiges Wirtschaften. Sie engagiert sich in sozialen und ökologischen Initiativen und organisiert zahlreiche Veranstaltungen zu den Themen Umwelt, Soziales, Ernährung, Landwirtschaft und Reskilling, aber auch Konzerte, Lesungen und Filmabende. Selbstgebackene Kuchen und frische Waffeln gibt es im Café im Zirkuswagen auf dem Bio-Bauernhof Köckerhof.
Nightlife
Abends locken die mehrfach ausgezeichneten Programmkinos Lichtwerk und Kamera sowie vor allem in der Altstadt zahlreiche Kneipen. Der Jazzkeller Bunker Ulmenwall und das Forum sind zwei alternative Kulturzentren, in denen deutsche wie auch internationale Künstler auftreten.
Aktiv
Auf dem Johannisberg gibt es in einem schönen Waldgebiet einen großen Kletterpark.
Ins Grüne
Durch und rund um Bielefeld verlaufen zahlreiche gut beschilderte Radrouten (Zeichen BI 1 bis BI 10). Von Frühjahr bis Herbst organisiert der örtliche ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub) an den Wochenenden geführte Touren. Räder können in der Radstation, bei der Deutschen Bahn (Call a Bike) und bei nextbike geliehen werden.
Buchtipp
Wie fast überall in Deutschland schreiben auch Bielefelder Autorinnen und Autoren immer mehr Lokal-Krimis. Die örtlichen Buchhandlungen helfen bei der Suche.
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Nach Kempten, oder vielmehr ins Allgäu, muss ich wirklich mal… im Sommer vielleicht. Jetzt weiß ich wenigstens, wohin. Eine Einladung nach Oberstdorf ins Explorer Hotel musste ich letztes Jahr einmal absagen, leider, das hätte mich schon ziemlich angesprochen. Schön, dass es hier auch wieder als Empfehlung genannt wird.
Oder doch Bielefeld!? Das Café im Zirkuswagen jedenfalls nett. :)
Danke für die Tipps!