Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Carolin Mache. Mit ihrem Blog Wortblatt möchte sie zu einem bewussteren Leben inspirieren. Schwerpunktthemen sind dabei Nachhaltigkeit, Minimalismus und die Frage „Wer bin ich, wer will ich sein?“
Letztens war es wieder so weit. Der Postbote kam und brachte ein ungeplantes Paket. Nach einem skeptischen Blick in Richtung meines Freundes war klar, dass auch er nichts damit zu tun hatte. Wir öffneten es und es war – ein Spiralschneider. Dann erinnerten wir uns auch, dass wir der Tante gegenüber mal erwähnt haben, dass wir Zucchininudeln ganz witzig finden würden. Jetzt können wir sie sogar selber machen. Lieb gemeint, aber mein Minimalismus-Herz zog sich zusammen. Das brauche ich doch nicht wirklich!
Aus diesem Anlass und auch, weil bald Weihnachten ist, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich zukünftig mit Geschenken umgehen möchte. Dabei hatte ich zwei Überlegungen:
- Was tun, um ungewollte Geschenke zu verhindern?
- Was tun, wenn es zu spät ist?
Erklären, warum man weniger Zeug haben möchte
Ungewollte Geschenke zu vermeiden, ist der wesentlich einfachere Teil der beiden Gedankengänge, da man im Vorhinein beeinflusst, was man letztendlich geschenkt bekommt. Für mich besteht die Aufgabe hierbei, neue Geschenkgewohnheiten zu etablieren. Diese Gewohnheiten können ganz unterschiedlich aussehen.
Der erste Schritt, der wahrscheinlich immer notwendig und sinnvoll ist, ist zu reden. Denn wenn wir uns entschieden haben, minimalistischer zu leben und Geschenke bzw. Gegenstände allgemein weniger Wert zuzuschreiben, sollten wir das auch unserem Umfeld kommunizieren. Denn woher kann es wissen, dass wir eine Veränderung durchlebt haben? Ich versuche bei diesen Gesprächen immer meinen Standpunkt klar zu machen und die Gründe zu nennen, warum ich mich dazu entschieden habe, minimalistischer zu leben. Ich erkläre, dass ich weniger Zeug haben möchte, weil es mich zufriedener macht. Oft reicht das schon aus.
Neue Geschenkgewohnheiten etablieren
Wenn diese Grundlage geschaffen ist, geht es darum, das zukünftige Procedere beim Schenken zu klären. Da kommen die neuen Gewohnheiten ins Spiel. Die einfachste Variante ist, mit Freunden und Familie zu vereinbaren, dass man sich nichts mehr schenkt.
Das habe ich bei meiner Oma auch versucht. Ihre Antwort war sinngemäß, dass das nicht ginge und ich doch immer was bekomme. Okay, da war kein Platz für Widerrede. Ich hätte natürlich meinen Standpunkt weiter vertreten können, aber da sie mir wirklich etwas schenken möchte, habe ich einen Kompromiss gefunden: Ich wünsche mir nur noch Sachen, die ich verbrauchen kann und ich mir sonst nicht kaufen würde. Zum Beispiel etwas Besonderes zu essen oder eine nachhaltige Kerze, die ich zum Meditieren nehmen kann. Sie macht mich glücklich und verschwindet wieder.
Eine weitere Möglichkeit ist, sich Zeit mit dem jeweiligen Menschen zu wünschen. Das kann ein Konzert oder ein gemeinsamer Kochabend sein. Zeit statt Zeug ist vielleicht das schönste Geschenk überhaupt.
Zusammengefasst: Wenn es nicht in Frage kommt, sich nichts zu schenken, dann sollte man lieber Wünsche aussprechen. Und aufpassen, dass man sich nichts wünscht, was man gar nicht verwendet.
Was kann man mit ungewollten Geschenken machen?
Jetzt kommen wir zum schwierigen Teil der Überlegungen, da wir uns dort auch in moralische Gefilde begeben. Was ist, wenn man ein Geschenk bekommt, das man nicht gebrauchen kann?
Dazu sollten wir uns den grundlegenden Sinn des Schenkens anschauen. Das Problem mit ungewollten Geschenken ist, dass sie ein schlechtes Gewissen bereiten, weil man sie nicht schön findet oder nicht gebrauchen kann. Dieses schlechte Gewissen lässt einen Dinge behalten, die man sonst weggeben würde. Doch warum glaubt man, dass man es gut finden muss? Es ist ein Geschenk. Das heißt, der andere möchte uns etwas Gutes tun und eine Freude machen. Aber er möchte sicher kein schlechtes Gewissen einreden. Wir können mit dem Geschenk machen, was wir wollen.
Dass das nicht immer so einfach ist, weiß ich auch. Aber wir sollten uns vor Augen halten, dass es beim Verschenken eigentlich nur um die Freude in dem Moment geht. Wir sollten uns als darüber freuen – und nicht schon darüber nachdenken, was wir mit dem Geschenk anfangen sollen.
Oft behalten wir das Geschenk dann aus Rücksicht auf den Schenkenden. Er wollte uns ja eine Freude machen. Wie wir mit dem materiellen Teil dieser Freude umgehen, dürfen wir aber selbst entscheiden.
Es folgen ein paar Ideen, wie Du mit ungewollten Geschenken umgehen kannst.
Ehrlichkeit währt am längsten
Der mutigste Weg ist gleich beim Erhalt des Geschenks zu sagen, dass man sich sehr freue, dass der andere an einen gedacht hat, aber dass das Geschenk nicht das Richtige ist und man es gerne zurückgeben möchte. Natürlich sollte man ehrlich kommunizieren, warum genau. Ich muss zugeben, für mich wäre das nichts. Mir würde der andere zu sehr leidtun. Aber vielleicht kannst Du diesen Weg einmal wählen.
Mit ungewollten Geschenken anderen eine Freude machen
Wenn man das Geschenk annimmt oder noch Geschenke bei sich rumliegen hat, die man eigentlich loswerden möchte, kann man sie weggeben.
Ja, warum nicht? Diesen Weg finde ich vor allem dann okay, wenn das Geschenk schon vor einiger Zeit gemacht wurde. Und mal ehrlich, wie oft fragt der Schenkende nach, was mit seinem Geschenk geschehen ist?
Natürlich muss und sollte man das Geschenk nicht wegschmeißen. Man kann es in die Mathom-Box legen, weiterverschenken, verkaufen oder an Menschen spenden, die es wirklich gebrauchen können.
Und was ist mit persönlichen Geschenken?
Schwierig finde ich in dem Zusammenhang, wenn es Geschenke mit persönlichem Wert sind. Zum Beispiel etwas Selbstgemachtes oder ein Erbstück.
Wir sollten uns trotzdem fragen, ob uns das Geschenk Freude bereitet. Lautet die Antwort Nein, ist es Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Soll es weggegeben oder behalten werden? Trifft man diese Entscheidung nicht, kann es sein, dass man das Geschenk und das schlechte Gewissen unbewusst mit sich herumträgt. Das raubt irgendwann Energie.
Für mich geht es bei dieser Frage, was man mit ungewollten Geschenken macht, auch nicht unbedingt darum, sie loszuwerden. Es geht darum, sie ehrlich anzusehen und zu entscheiden, was man damit macht. Und sei es, dass das ungewollte Geschenk einen Platz im Keller bekommt. Das schlechte Gewissen soll beruhigt werden. Und dass entsteht ja dadurch, dass man das Geschenk behält, obwohl man es nicht möchte. Wenn man sich bewusst entscheidet, es doch zu behalten, hat dieses schlechte Gewissen keine Grundlage mehr.
Das schlechte Gewissen erst gar nicht zulassen
Es ist also am besten, dem schlechten Gewissen seine Existenzgrundlage zu nehmen. Sei es durch das Verhindern von ungewollten Geschenken oder durch die Erkenntnis, dass die Geste des Schenkens von dem Geschenk selbst getrennt betrachtet werden kann. Was wir nicht brauchen, darf gehen.
Bei uns hat es der Spiralschneider doch noch seinen Platz in der Küche bekommen. Ich haben nämlich einen weiteren Weg gefunden, mit ungewollten Geschenken umzugehen: Ihnen einen Chance zu geben bzw. sie auszuprobieren. Zucchininudeln sind wirklich sehr lecker.
Hallo Carolin,
ein Beitrag, der mir aus der Seele spricht.
Weniger Zeug haben wollen, dazu brauchte es erst einen geplünderten Planeten, damit diese Auffassung verstanden wird.
Besagte Oma (im Ruhrpott lt. Malmsheimer mit drei m): Die Kriegs- und Nachkriegsgeneration schenkt am liebsten etwas Nützliches, was lange fehlte, wie selbstgestrickte Pullover, Strümpfe und Topflappen (vgl. Hans-Dieter Hüsch in Niederrheinische Kredenz: „…und in der Adventszeit wurde gehäkelt auf Teufel komm raus bis zur totalen Verkrampfung, da fielen die berühmten Sätze wie: Ich muss noch so’n Stück.) Materielle Ausstattung war Sicherheit fürs Leben und Messlatte für Sinn und Glück. Diese Generation kannte einfach kein Zuviel. Blöd, dass sie das in die Zeit des Genug-ist-genug mit übernommen hat und die Grenze nicht sehen konnte oder wollte.
Meine Generation Jg.55 (also die Prä-Boomer) denkt leider auch noch so: Weihnachten ist, wenn sich der Tisch vor Geschenken durchbiegt. Einer meiner alten Freunde kommentierte das mit Verweis auf das Gleichnis vom reichen Kornbauern (=nimmersatten Agrarindustriellen, Lk.12) Das ist ein Denken, das Christen eigentlich zuwider sein muss.
Leider gibt es auch im Neuen Testament irreführenden Quatsch dazu, z.B.: Was soll ein Flüchtlingskind, dessen Eltern wegen staatlicher Willkür Nazareth Halsüberkopf verlassen mussten, mit dreiköniglichem Luxusmüll Weihrauch, Gold und Myrrhe im Fluchtgepäck anfangen, außer damit Trockenbrot zu Schwarzmarktpreisen zu beschaffen? Hallo Matthäus, toctoctoc!!
Meine Kinder konnten es zum Glück verstehen (die kennen sowas wie den ökologischen Fußabdruck), meine gleichaltrige Verwandtschaft sträubt sich noch, wenn ich sage: Bitte nichts, was bleibt, Staub fängt, herum steht und Platz wegnimmt. Ich will mein Leben auf meine restlichen Tage übersichtlich halten, und meine Urne hat keinen Platz für Regale und Schränke. Pharaonen brauchten für ihre Plünnen eine Pyramide.
Lieber freue ich an Liebe, die durch den Magen geht: Ein Wein, pikanter Obstessig, regionaler Apfelwein, selbstgebackene Kekse u. dergl. herzlich gerne, und gut ist. Umgekehrt sagt mir eure Wünsche, und dann schenke ich auch das Passende. Kein Krampf.
P.S. Irgendwann fiel mir in den späten 1970ern ein Werbeprospekt in die Hände mit dem reißerischen Titel: Weihnachten fällt aus ohne Geschenke von Moser. (= ehem. Kaufhaus in Wuppertal). Moser existiert nicht mehr, Weihnachten aber immer noch. Desselbigen frohe!
Da schreibt mir (Jahrgang 65) aber einer komplett aus dem Herzen! Genau so sehe ich das auch und wundere mich, daß trotz besseren Wissens auch andere Statussymbole noch in der „älteren“ aber jung gebliebenen ? Generation noch so an der Tagesordnung sind. Es geht um Werte, nicht um Material.
Es hat satte zehn Jahre gedauert, bis auch der letzte im Familien- und
Freundeskreis verstanden hat, was es heißt „KEINE“ Geschenke zu Weichnachten. Und ich muss gestehen, dass ich selber einmal schwach geworden bin.
Jetzt sitze ich ganz entspannt in der Advents zuhause bei (Hör) Büchern und Tee
und kann die vollen Läden meiden – sehr entspannt, echt adventlich eben.
Als meine erwachsene Tochte das Thema ausweitete und erklärte, zum Geburtstag nichts zu wollen, dass sie sich nicht wünscht, musste ich auch erst schlucken
Aber recht hat sie und nachfragen kostet nichts, und auch hier völlige Entspannung.
Und wir, als Großeltern, nehmen uns auch das Recht heraus, gebrauchtes Spielzeug zu verschenken. Es wird so vieles, sehr gut erhaltenes Spielzeug angeboten, dass es schade wäre, nur von einem Kind bespielt zu sein.
Und was weitergegeben wird muss nicht neu produziert werden – ein wichtiger Punkt auf unserer persönlichen Nachhaltigkeitsliste.
Noch eine entspannte Adventszeit
Hallo Jörg,
nicht nur Jesus hat oft in Sinnbildern gesprochen, die ganze Bibel ist voll davon. So sind „Gold, Weihrauch und Myrrhe“ nicht wörtlich zu verstehen, sondern stehen z.B. in der christologischen Deutung für „König, Gott und Mensch(=sterblich, denn Myrrhe wurde zum Einbalsamieren verwendet)“ oder für „König, Priester und Arzt“.
LG Angela
Danke, Angela, ist mir klar. Dass Matthäus mit dieser Legende die besondere Bedeutung Jesu ausschmücken und hervorheben wollte, keine Frage. Hatte es ironisch gedacht, was unschwer zu erkennen ist. (Nebenbei auch ein Seitenhieb an Fundis, für die nichts symbolisch gemeint ist, sondern alles nur Bericht ist, weil sie alles naturalistisch 1:1 lesen. So gesehen tut sich der Bruch im Verstehen auch im Gleichnis vom vierfachen Acker auf, denn welcher Bauer ist denn so blöd, ein Viertel seines Saatguts in die Büsche und ein weiteres Viertel auf den Weg zu schmeißen…) Gute Literatur (wie die Bibel ist) muss sich gelegentlich von den Gesetzen der schnöden Empirie freimachen.
LG Jörg
Hallo Jörg,
sorry, dass ich die Ironie nicht geschnallt habe. Im übrigen war es sehr witzig mit dem Flüchtlingskind.
LG Angela
Hallo Jörg,
vielen lieben Dank für diesen spannenden Kommentar!
Sehr interessant, dass du die geschichtlichen Aspekte so erwähnst – das hatte ich ehrlich gesagt noch gar nicht mit dem Thema in Verbindung gebracht. Geschweige mit der Bibel. Irgendwie schien schon immer die Verbindung „viel haben“ = „gutes Leben“ zu gelten. Dann muss natürlich auch viel verschenkt werden.
Das, was du zum Schluss gesagt hast, spiegelt aber auch meine Einstellung am besten wieder: Am liebsten etwas nachhaltiges Verwertbares bekommen und wenn andere, sich etwas anderes, materielles wünschen, dann ist das vollkommen okay.
Ich wünsche dir auch schonmal frohe Weihnachten!
Liebe Carolin,
vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel, in dem Du auch deutlich gemacht hast, wie schwer es ist, ein Geschenk abzulehnen. Wir haben uns in der Familie vorgenommen, dass wir nur dann etwas schenken, wenn wir ein ultimativ gutes und auch gewolltes Geschenk finden (und das muss dann auch nicht an Weihnachten oder Geburtstag geknüpft sein). Und ich mag am allerliebsten die „Verbrauchsgeschenke“, d.h. etwas Leckeres zu Verkosten:-) Deine Wunschidee mit der schönen Kerze behalte ich mir im Hinterkopf. Mittlerweile hat meine Familie eingesehen, dass ich Dinge reduzieren will – und deshalb keine neuen möchte, es sei denn, ich wünsche ausdrücklich das Ein oder Andere.
Ich wünsche Dir entspannte Feiertage ohne Geschenkestress:-)
Andrea
PS Danke auch an Jörg, Dein Kommentar hat mich so früh am Tag schon ordentlich zum Lachen gebracht…
Hallo Andrea,
das freut mich sehr für dich, wenn ihr da einen Weg gefunden habt, dass alle Beteiligten sich wohl fühlen! Und ich finde es schön, dass ihr das Verschenken nicht an den Feiertagen festmacht. Ich merke das gerade im Freundeskreis, was da für ein Druck herrscht, weil man unbedingt etwas an Weihnachten verschenken möchte.
Du hast Recht: Verbrauchsgeschenke ist einfach die beste Lösung :)
Ich wünsche dir maximal gemütliche Feiertage!
Carolin