
Auf dem Fahrrad durch das Land des Lächelns
Auf meiner Radweltreise 2006 und 2007 war ich rund sieben Wochen in Thailand. Noch heute erinnere ich mich an die Herzlichkeit und Gelassenheit der Menschen dort. Überall wurde ich angelächelt, winkte man mir zu, sprach mich freundlich an.
Ich besuchte auch ein Hilfsprojekt an der thailändischen Westküste. In dem Fischerdorf sind fast alle Männer im Tsunami 2004 ums Leben gekommen, während sich die Frauen und Kinder an Land retten konnten. Trotz dieser traumatischen Erfahrung strahlten die Menschen eine erstaunliche Zuversicht und Wärme aus, die mich tief bewegte.
Damals hörte ich zum ersten Mal das Wort Sanuk.
Freude als selbstverständlicher Teil des Alltags
Sanuk (auch Sanook geschrieben) kann im Thailändischen „Freude“, „Spaß“, „heiter“ oder „vergnüglich“ bedeuten. Diese Begriffe greifen jedoch zu kurz, denn hinter Sanuk steckt etwas Tieferes: eine Lebenshaltung, die Freude als selbstverständlichen Teil des Alltags begreift.
Es geht darum, in allem Freude zu empfinden – bei der Arbeit, in der Freizeit, auf Festen, im Miteinander, im Glauben und selbst bei einfachen Tätigkeiten wie Putzen oder Kochen. Wenn etwas keinen Spaß macht, sagen die Thais, lohnt es sich kaum, es zu tun.
Sanuk ist nicht laut oder überdreht, sondern entspannt, spielerisch, herzlich und zugewandt. Schon Kinder lernen, dass das Leben mehr ist als Leistung – dass ein Lächeln dazugehört.
Wenn Sanuk an seine Grenzen stößt
Natürlich funktioniert Sanuk nicht überall und schon gar nicht als Allheilmittel. Auch in Thailand gibt es Orte und Situationen, in denen für Freude wenig Platz bleibt.
In Behörden und großen Unternehmen mit strengen Hierarchien bleibt die Leichtigkeit oft auf der Strecke. Entscheidungen werden von oben getroffen, Anweisungen selten hinterfragt.
In der Millionenstadt Bangkok, wo Verkehr, Lärm, Leistungsdruck und Arbeitslast in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen haben, fällt es schwer, dauerhaft Sanuk zu empfinden. Der Lebensrhythmus hat sich an den globalen Takt angepasst. Vor allem in Bangkok kämpfen mehr und mehr Thais mit Stress, Erschöpfung und psychischen Problemen.
Freude als oberstes Prinzip kann zudem bedeuten, dass klare Wort und Effizienz zu kurz kommen. Wer die gute Stimmung über alles stellt, vermeidet Konflikte und nimmt Umwege in Kauf. Doch wahrscheinlich gehört genau das zur Gelassenheit – die Bereitschaft, nicht alles auszutragen.
Sanuk als Inspiration für unseren Alltag
Hier bei uns sieht das oft anders aus. Wir gelten als effizient, fleißig, gründlich und eher ernst. Das sind durchaus Stärken – doch sie lassen oft wenig Raum für Leichtigkeit. Wir konzentrieren uns eher auf das Ziel, nicht auf den Weg. Erst wenn alles erledigt ist, darf die Freude vorbeischauen.
Mit Sanuk ist es umgekehrt: Freude entsteht im Tun, nicht erst im Ergebnis. Arbeit und Vergnügen fließen ineinander.
Wir müssen Thailand nicht kopieren. Aber wir können uns inspirieren lassen und versuchen, mehr Freude in unseren Alltag zu bringen. Beim Abwasch ein Lied trällern, im Büro innehalten und bewusst atmen, im Supermarkt lächeln. Den Sinn in der Arbeit suchen und, wenn nötig, den Job wechseln. In der Kommunikation offener, freundlicher, dankbarer werden. Und den Blick öfter auf den Moment richten, statt ständig ans Ziel oder den Feierabend zu denken.
Es geht nicht darum, alles schönzufärben, sondern das Schwere etwas leichter zu machen. Freude und Dankbarkeit sind keine Ablenkung, sondern eine achtsame Art, das Leben zu würdigen.
Sanuk ist für mich gelebter Minimalismus. Weniger müssen, mehr dürfen. Weniger Schwere, mehr Leichtigkeit. Freude im Tun – vielleicht die einfachste Form von Glück.


Lieber Christof,
ein ganz wunderbarer Impuls, ich danke Dir sehr dafür. In letzter Zeit ist sehr viel Verbissenheit in mir – das muss ich dringend ändern, habe ich beim Lesen Deines Artikels gemerkt. Freude darf sein! Auch bei der Arbeit, auch in schweren Zeiten.
Hab ganz herzlichen Dank für das richtige Wort zur absolut passenden Zeit – als hättest Du in meinen Kopf (oder mein Herz) geguckt.
Herzlichst, Andrea
Liebe Andrea,
Du wirkst in Deinen Kommentaren immer so positiv und zuversichtlich. Gut, dass dieser Artikel Dich zum richtigen Zeitpunkt erreicht und berührt hat.
Freude darf sein – gerade dann, wenn das Leben sich schwer anfühlt.
Viele Grüße gen Westen
Christof
Das bin ich auch – positiv und zuversichtlich. Nur gerade jetzt nicht. Danke für Dein Feedback.
Herzlichst, Andrea
Ich denke an Dich – und lasse Immanuel Kant für mich sprechen: „Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“
Danke schön!
Respekt, mit dem Rad! Ich war 2008 als Backpacker in Thailand. Schönes Land, meganette Menschen. Danke für den schönen Artikel!
Da haben wir uns ja nur knapp verpasst. Ich freue mich, dass Du Thailand als Backpacker so positiv erlebt hast – und dass Dir mein Artikel gefällt!
Danke! Wieder ein Wort und damit ein Wert mehr, das das Lebensmotto verschiedener Nationalitäten wiedergibt. Angefangen mit dem inzwischen schon inflationären Hygge. Ich mag das schwedische Lagom sehr: genau richtig, nicht zu viel und nicht zu wenig und vor allem: so, dass es für alle reicht!
Guter Hinweis! Genau genommen sind das dänische Hygge, das schwedische Lagom und das thailändische Sanuk gar nicht so weit voneinander entfernt – oder ergänzen sich, wie ich finde, wunderbar.