„Viel wandern macht bewandert.“ (Otto Kimmig, deutscher Philologe, 1858 – 1913)
9 Fernwanderungen zwischen 1 und 15 Wochen
Ich habe mir vor ein paar Tagen die Mühe gemacht, alle Fernwanderungen zu notieren, die ich unternommen habe, seit mich vor gut fünf Jahren diese Leidenschaft gepackt hat. Es sind über 50 Wochen zusammengekommen. Neun der Touren hatten eine Länge von mindestens einer Woche:
- Auf dem Jakobsweg von Nürnberg nach Santiago de Compostela und Finisterre (108 Tage, 2904 km, E-Book, Fotos)
- Von Nürnberg nach Poreč (52 Tage, 1250 km, Vorbericht, Fotos Parenzana)
- Von Forchheim nach Venedig (52 Tage, 963 km, E-Book, Fotos)
- Von Salzburg nach Triest (33 Tage, 513 km, Wanderführer, Themenseite, Artikel, 12 Momente, Fotos von unterwegs)
- Von Salzburg nach Triest (28 Tage, 508 km, Fotos, Tagesberichte)
- Von Salzburg nach Triest (23 Tage, 544 km, Artikel, Fotos, Tagesberichte)
- Auf dem Fränkischen Gebirgsweg (20 Tage, 450 km, Wanderführer, Themenseite, Artikel, Fotos, Tagesberichte)
- Auf dem Pandurensteig durch den Oberpfälzer Wald (8 Tage, 175 km, Fotos)
- Auf dem Nurtschweg durch den Bayerischen Wald (7 Tage, 133 km, Artikel, Fotos)
In den letzten fünf Jahren habe ich also reichlich Fernwander-Erfahrung gesammelt.
Heute blicke ich auf diese Touren zurück, indem ich deren Essenz und meine Erkenntnisse daraus präsentiere.
32 (meistenteils) ernstgemeinte Erkenntnisse, die ich beim Fernwandern gewonnen habe
- Das Gehen ist die ursprünglichste und natürlichste Fortbewegungsart des Homo sapiens. Rennen, Radeln, Zugfahren, Autofahren und Fliegen sind gescheiterte Versuche, etwas Perfektes zu verbessern. Wandern ist Gehen in der Landschaft zum Zwecke der Erholung. Fernwandern ist mehrtägiges Wandern, wobei man i. d. R. sein Gepäck selbst trägt und am Abend nicht da übernachtet, wo man am Morgen aufgebrochen ist.
- Es gibt unglaublich viele Fernwanderwege weltweit. Auf den meisten trifft man keine anderen Fernwanderer, obwohl sie (die Fernwanderwege, aber auch die Fernwanderer) es verdient hätten.
- Die meisten Fernwanderer tummeln sich auf einigen wenigen Routen, die nicht die schönsten sein müssen.
- Die entspannteste Art eine Fernwanderung zu starten, ist vor der eigenen Haustüre den ersten Schritt zu machen.
- Das schwierigste an einer Fernwanderung ist überhaupt loszukommen, weil man vermeintliche Sicherheiten zurücklassen und sich dem Unbekannten stellen muss. Da hilft mir mein Lebensmotto: „Mach’s einfach! Im doppelten Sinne.“
- Unterwegs wendet sich fast immer alles zum Guten.
- Zwei sind auf den ersten Etappen fast immer dabei: CashewDattel und KokosNuss, meine selbstgemachten Energieriegel.
- Das Gehen mit Rucksack tut anfangs weh. Recht bald gewöhnen sich Körper und Geist an das tägliche Pensum. Nach zwei Wochen bin ich in der Regel so fit, dass ich richtig lange Etappen machen kann. Meinen Rekord habe ich mit 53 Kilometern im letzten Jahr auf dem Jakobsweg in Frankreich aufgestellt. Auf der Alpenüberquerung Salzburg – Triest kamen mehrmals über 30 Kilometer und zwischen 3000 und 4000 Höhenmeter an einem Tag zusammen (An- und Abstieg zusammengezählt).
- Eine Fernwanderung im Hochgebirge sollte nicht ohne Vorbereitung gestartet werden.
- Auf langen Touren können Trekkingstöcke über Gelingen oder Scheitern entscheiden.
- Es lohnt sich, etwas mehr Geld für hochwertige Ausrüstung auszugeben. Auf der anderen Seite ist teure Ausrüstung nicht immer die beste.
- Das Fernwandern zählt zu den Freizeit- und Urlaubsaktivitäten, die für die Umwelt am verträglichsten sind. Wer mit dem Flugzeug an- und abreist, kehrt die Ökobilanz ins Negative um.
- Die Alpen werden gerne als majestätisch bezeichnet. Zurecht! Sie müssen sich vor keinem Hochgebirge der Welt verstecken.
- Der Mensch macht bei seiner systematischen Zerstörung der Erde auch vor den Alpen nicht halt. Es war ernüchternd an Orte zurückzukehren, an denen ich in den 1980er Jahren mit meinen Eltern und Geschwistern Urlaub gemacht habe.
- Der Jakobsweg ist nicht das, was die meisten Bücher und Filme und die, die schon dort waren, versprechen. Der Weg ist landschaftlich selten reizvoll. In Deutschland und der Schweiz trifft man kaum Pilger, in Frankreich fast nur Franzosen. Auf dem Camino Frances in Spanien ist plötzlich die halbe Welt unterwegs. Echte Pilger? Fehlanzeige. Warum ich auf der vermutlich längsten Wanderung meines Lebens trotzdem Spaß hatte, steht in „Einfach bewusst auf dem Jakobsweg – 2904 km, 108 Tage, 4 Länder“.
- Mit der Alpenüberquerung Salzburg – Triest habe ich vermutlich etwas für die Nachwelt geschaffen.
- Das Reisen per pedes ist günstig. Im Schnitt gebe ich nicht mal 50 Euro pro Tag für Übernachtung und Verpflegung aus. Wer seltener Essen geht und öfter in Schlafsälen (oder gar im Zelt) nächtigt als ich, kommt mit weniger aus. Eine dreiwöchige Fernwanderung in Europa ist inkl. An- und Abreise mit Bus oder Bahn für unter 1000 Euro möglich. Das zahlt manch einer alleine für die Flüge ans Ende der Welt.
- Zeit in der Natur zu verbringen, macht genügsam. Der US-amerikanische Philosoph und Schriftsteller Ralph Waldo Emerson brachte das im 19. Jahrhundert so zum Ausdruck: „Abends ging ich hinaus in die Dunkelheit, da sah ich einen schimmernden Stern und hörte einen Frosch quaken. Die Natur schien zu sagen: Nun? Ist das nicht genug?“
- Eine Fernwanderung ist die perfekte Möglichkeit, die Vorteile des einfachen Lebens kennenzulernen. Alles, was man benötigt, trägt man auf dem Rücken (mir reicht mittlerweile ein 32-Liter-Rucksack – Tendenz sinkend). Alles, was man Tag für Tag erledigen muss, ist, ein paar Kilometer voranzukommen, sich und seine Ausrüstung in Schuss zu halten sowie zu regenerieren.
- Entscheidet man sich für ein einfaches Leben, kann man es auf einer Fernwanderung zelebrieren: Weniger statt mehr, langsam statt schnell, leise statt laut, Single-Tasking statt Multitasking, Wanderweg statt Autobahn, Land statt Stadt, Slow Food statt Fast Food, Verwirklichung statt Bespaßung. Wie zukunftsfähig das ist, zeigt die zunehmende Zahl an Menschen, die an Konzentrationsschwierigkeiten, Schlaflosigkeit, Chronischem Erschöpfungssyndrom, Burnout oder Depressionen leiden.
- Ein paar Stunden oder gar Tage offline zu sein, überlebt man unbeschadet. Es ist gar ein Segen, mal nicht rund um die Uhr von Facebook, WhatsApp, E-Mails, Weltnachrichten & Co. bombardiert zu werden.
- Oft höre oder lese ich von Veganern, die auf Reisen plötzlich wieder Vegetarier sind, weil es zu schwierig sei, etwas rein Pflanzliches zu bekommen. Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Selbst auf den Berghütten gibt es immer öfter Veganes wie Gemüsesuppe oder Nudeln mit Tomatensauce, kann man sich ein paar Beilagen wie Salat, Gemüse und Pommes zusammenstellen oder ist das Küchenpersonal so flexibel, dass es eine Extravurst für den hungrigen Pflanzenfresser zubereitet. Für den Fall, dass ich doch nichts bekomme, habe ich etwas im Rucksack. Mit etwas Erfahrung und Kreativität kann man mit wenigen Zutaten etwas Schmackhaftes zubereiten. Um zum Beispiel Brotsalat, Kartoffelbrei aus der Tüte oder Couscous zu machen, braucht man noch nicht mal heißes Wasser.
- Ich bin gerne alleine unterwegs. Noch lieber habe ich liebe Begleitung. In Albert Schweitzers Worten: „Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“
- Ist man mit mehreren unterwegs, bestimmt der Langsamste das Tempo und der Ängstlichste die Route.
- Morgens ohne Reservierung für die nächste Nacht aufzubrechen, bereitet mir keine Sorgen mehr, sondern ist Ausdruck von Freiheit und Flexibilität.
- Bruce Chatwin hatte recht: „Der Vorgang des Wanderns trägt zu einem Gefühl psychischen und geistigen Wohlbefindens bei.“
- Fernwandern macht selbstbewusst – im doppelten Sinne des Wortes.
- Vielleicht ist das der Grund, warum Fernwandern sexy macht. Auf langen Touren habe ich schon mehrmals eindeutig zweideutige Angebote bekommen.
- Beim Wandern ist man der Fauna, Flora, den Landschaften und dem Wetter so nah wie nur möglich – zuweilen gar zu nah.
- Wandern ist mobile Meditation. Ich empfinde dies besonders im anspruchsvollen Gelände, etwa wenn ich einen Berg erklimme und mich dabei auf meine Schritte und Atmung konzentriere. Stehe ich schließlich auf dem Gipfel, ist mein Kopf frei und mein Herz offen. Ein derartiges Glücksgefühl bekommt man unten im Tal respektive im Alltag nicht so schnell.
- Der Einstieg in die wunderbare Welt des Fernwanderns gelingt am besten an einem verlängerten Wochenende in der Heimat. In Nordbayern kann ich einen Abschnitt auf dem Fränkischen Gebirgsweg, dem Steigerwald Panoramaweg, dem Jurasteig oder dem Goldsteig empfehlen. Ansonsten hilft die Liste von Wanderwegen auf Wikipedia sowie das Portal Wanderbares Deutschland weiter.
- Nach der Fernwanderung ist vor der Fernwanderung.
Das waren die wichtigsten Dinge, die ich beim Fernwandern gelernt habe.
Und nun Du! Welche Erkenntnisse hast Du dabei gewonnen?
—
Um keine Artikel zu verpassen, kannst Du Dich hier mit mir verbinden: Newsletter, Facebook, Instagram, Twitter, RSS-Feed
Hallo Christof!
Spannende Einblicke in die – wie Du schreibst – „wunderbare Welt des Fernwanderweg“. Danke für Deine Mühe und überhaupt für diesen Blog!
Eigene Erfahrung habe ich noch keine. Ich bin einfach gerne in der Natur und liebe Abenteuer. Ich möchte im Herbst paar Tage in NRW fernwandern.
Gruß!
Michael