
Wandern hat viele Seiten und Gesichter: Einfachheit und Freiheit, Entschleunigung und Meditation, Arzt und Therapeut, Sport und Herausforderung, Ideengeber und Ermunterer, Verbundenheit und Gemeinschaft …
Schriftsteller, Wissenschaftler und Prominente haben sich Gedanken gemacht, was Wandern bedeutet. Drei Zitate, die ich so unterschreiben kann (weitere findest Du in dieser Sammlung): 1. „Wandern ist die vollkommenste Art der Fortbewegung, wenn man das wahre Leben entdecken will. Es ist der Weg in die Freiheit.“ (Elizabeth von Arnim) 2. „Der Vorgang des Wanderns trägt zu einem Gefühl psychischen und geistigen Wohlbefindens bei.“ (Bruce Chatwin) 3. „Wandern als Kompensation für die Zumutungen der Gesellschaft, als gesunder Eskapismus. Doch neben das Motiv der Abkehr und Erholung tritt das des Aufbruchs, zu einer Unmittelbarkeit der Welterfahrung, wie sie im Alltag nicht möglich scheint.“ (Christian Jostmann)
Laut dem Deutschen Wanderverband hat der Trend zu mehr Freizeitaktivitäten im Freien dazu geführt, dass das Wandern in den letzten Jahren beliebter geworden ist. Auch der Deutsche Alpenverein verzeichnet seit Langem einen starken Zulauf. Gleichzeitig hat sich das Image verändert. Der Wanderer von heute ist nicht mehr mit Kniebundhose und Wanderkarte, sondern mit Multifunktionskleidung und GPS unterwegs.
Trotzdem hat manch einer Sonntagnachmittag-Touren auf schnurgeraden Forststraßen durch monotone Nadelwälder vor Augen, wenn er ans Wandern denkt. Das liegt wohl zum einen daran, dass viele in ihrer Kindheit zu solchen Spaziergängen genötigt wurden, zum anderen daran, dass wir gerne an Klischees festhalten, um im Kopf Ordnung zu bewahren.
Nach meiner Erfahrung kann man Wandermuffel am besten mit etwas Besonderem oder gar Spektakulärem gewinnen. Die folgenden Vorschläge sind natürlich auch für alle geeignet, die bereits gerne gehen. Abwechslung und Inspiration tun jedem (Wander-)Leben gut.
1. Ohne Smartphone, Karte und GPS losziehen
Starte von Deiner Haustüre aus oder fahre ein Stück mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Grüne. Dann geh einfach los. Der Weg ist das Ziel. Karte, Smartphone und GPS-Gerät liegen daheim (oder im Rucksack, wenn Du Angst hast, verloren zu gehen). Lass Dich überraschen, wohin Dich Deine Füße tragen. Spüre die Freiheit. Genieße die Ruhe, den Duft der Wälder und Wiesen. Sonne, Wind oder Regen – nimm das Wetter so, wie es kommt. Sei offen für Begegnungen. Erlebe diese Wanderung mit allen Sinnen. Am Abend wirst Du zufrieden nach Hause zurückkehren, vielleicht sogar etwas verändert.
2. Barfußgehen
Barfuß zu gehen ist die natürliche Form der menschlichen Fortbewegung. Schon Sebastian Kneipp hat es zur Gesundheitsvorsorge empfohlen. Auch heute betonen Physiotherapeuten und Ärzte die gesundheitsfördernde Wirkung des Barfußgehens. Vor allem bei Kindern kräftigt es die Fußmuskulatur und sorgt für eine korrekte Zehenstellung. Erwachsene profitieren ebenfalls davon. In Deutschland gibt es kürzere Fußfühlpfade mit unterschiedlichen Bodenmaterialien und kilometerlange Barfußwanderwege. Du kannst aber genauso auf einem Weg im Wald oder durch Wiesengelände Deine Schuhe und Socken ausziehen und ein Stück barfuß wandern. Auch hier gilt: Übung macht den Meister.

3. Waldbaden
Seit ein paar Jahren ist eine neue Disziplin in der wunderbaren Welt des Wanderns in aller Mund. Beim Waldbaden steht nicht die Fortbewegung im Vordergrund. Meist werden nur wenige Kilometer zurückgelegt. Es geht vielmehr darum, in die angenehme Atmosphäre des Waldes einzutauchen und diese mit den fünf Sinnen Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten zu erleben. In Japan gilt Shinri Yoku, das Waldbaden, als Medizin. Mehrere Studien haben gezeigt, dass das Waldbaden Stress und Krankheiten vermeiden und lindern kann. Ich finde diese achtsamste Art des Wanderns sehr interessant. 2017 habe ich auf Usedom Europas ersten ausgewiesenen Kur- und Heilwald besucht. Den Ratgeber „IM-WALD-SEIN – Die natürliche Antwort auf Psychostress und Zivilisationskrankheiten“ habe ich hier kurz vorgestellt und zähle ich zu meinen Lieblinsgbüchern 2018.
4. Nachtwandern
Nachtwanderungen sind bei Kinder- und Jugendgruppen auf Klassenfahrten oder bei Ferienaufenthalten aufgrund des Gruseleffekts beliebt. Aber auch erwachsene Kinder finden daran Gefallen. Nachts schaut alles anders aus, hört man andere (Tier-)Geräusche als tagsüber und gibt es oft den Sternenhimmel gratis dazu. Ich empfehle, nicht erst bei Dunkelheit zu starten, sondern den Sonnenuntergang mitzunehmen. Scheint der Mond hell, ist im offenen Gelände kein Licht nötig. Ansonsten haben sich Stirnlampen oder auch Fackeln bewährt.
5. Nacktwandern
Richtig gelesen. Naturisten und FKKler suchen auf Nacktwanderungen Körpergefühl, Freiheit und Naturverbundenheit. In Deutschland ist das erlaubt – zumindest da, wo sich niemand gestört fühlt. Um Ärger zu vermeiden, sollten also wenig frequentierte Wege gewählt werden. Es gibt zwei offiziell ausgeschilderte Nacktwanderwege: Den Harzer Naturistenstieg und den Naturistenweg Undeloh in der Lüneburger Heide. Ebenfalls in der Lüneburger Heide befindet sich das Wandergebiet Süsing, in dem seit über 80 Jahren Nackerte herumlaufen.

6. Potluck im Grünen
Ein kleine Wanderung mit Freunden kann man wunderbar mit einem Mitbringbrunch oder Potluck kombinieren. Jeder Teilnehmer steuert ein Gericht bei, sodass ohne großen Aufwand ein vielfältiges Buffets zusammenkommt. Wie wäre es z. B. mit einem Nizza-Salat, einer Gemüse-Hirse-Pfanne, Hummus, Aufstrichen oder Energieriegeln.
7. Winterwandern und Schneeschuhwandern
In den meisten Urlaubsregionen der Alpen und in den deutschen Mittelgebirgen gibt es bei Schneelage ausgewiesene Winterwanderwege. Durch die weiße Landschaft zu marschieren, ist nicht nur bei Sonnenschein ein besonderes Erlebnis. Noch abenteuerlicher ist eine Tour mit Schneeschuhen abseits der Wege. Bergführer, Alpenvereinssektionen und Reiseveranstalter haben sich auf diesen Trend eingestellt. Sie bieten geführte Schneesschuhwanderungen an und beraten in Ausrüstungsfragen.
8. Einen Marathon wandern
Wenn Dich Herausforderungen reizen, kannst Du an einem Tag 42 km gehen. Am besten trommelst Du ein paar Freunden zusammen. Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude. Eine geeignete Strecke ist mit Hilfe eines Routenplaners wie GPSies schnell erstellt. Im Ziel kannst Du vorschlagen, noch 8 km dranzuhängen, um die magische Grenze von 50 km zu erreichen. Machbar ist das alles. Auf meiner Deutschlanddurchquerung bin ich zweimal über 42 km gewandert, auf der Via Podiensis in Frankreich einmal 53 km.
9. An einer 24-Stunden-Wanderung teilnehmen
Sind Dir 42 oder 50 km zu wenig? Dann kannst Du Dich zu einer der 24-Stunden-Wanderungen anmelden. Beliebte Events sind z. B. der Mammutmarsch (verschiedene Austragungsorte), das 24 Stunden-Wanderabenteuer Edersee, die 24 Stunden von Rheinland-Pfalz, der Frankenwald Wandermarathon, die 24h Trophy (verschiedene Austragungsorte) und die 24-Stunden-Wanderung mit Hans Kammerlander.

10. Fernwandern in deutschen Mittelgebirgen
Als Fern- oder Weitwandern bezeichnet man eine Wanderung, die über größere Strecken und mehrere Tage führt. Viele Veranstalter bieten solche Touren mit und ohne Gepäcktransport an. Du kannst aber auch alles selbst organisieren. Am Morgen zu starten, ohne zu wissen, wo man die Nacht verbringt, ist ein kleines Abenteuer in unserer modernen geregelten Welt. Die deutschen Mittelgebirge mit ihren Wäldern und Wiesen, den schönen Fernsichten und gut markierten Wegen sind prädestiniert für Fernwanderungen. Mir hat es besonders gut auf dem Fränkischen Gebirgsweg, dem Hochrhöner, dem Nurtschweg, dem Steigerwald Panoramaweg und dem Albsteig gefallen. Informationen über viele weitere Fernwanderwege findest Du auf dem Portal Wanderbares Deutschland und in dieser Wikipedia-Liste. Zu den bekannten längeren Fernwanderwegen gibt es Wanderführer – zum Beispiel vom Bergverlag Rother, vom Bruckmann Verlag oder vom Conrad Stein Verlag. Solch ein Buch, die Markierungen und etwas Orientierungsvermögen sollten im Mittelgebirge ausreichen, um ans Ziel zu gelangen. Zur Sicherheit kannst Du Dir eine App wie Locus Map, kostenlose OSM-Karten und den GPS-Track des Wegs auf das Smartphone laden. Wanderkarten oder ein GPS-Gerät sind nicht unbedingt nötig.
11. Nach Santiago de Compostela pilgern
Wer noch länger Zeit hat, kann von der Haustüre aus auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela und weiter nach Finisterre am Atlantik gehen. Ich war dafür 108 Tage und 2875 km unterwegs. Zunächst bin ich von Nürnberg an den Bodensee und durch die Schweiz, dann durch Frankreich und schließlich auf dem berühmten Camino Frances durch Spanien gewandert. Die Route ist einfach, die Markierung zuverlässig, die Infrastruktur aus Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten sehr gut. Landschaftlich war ich von der Strecke enttäuscht. Zu oft geht es durch dicht besiedeltes oder landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Wer aber vor allem unkompliziert Menschen kennenlernen möchte, ist auf dem Jakobsweg richtig. Ab Frankreich trifft man im Sommerhalbjahr zahlreiche (ab Spanien unzählige) Pilger und Pilgerinnen.
12. Die Alpen überqueren
Eine Alpenüberquerung ist der Traum vieler Bergwanderer und so etwas wie die Königsdisziplin des Fernwanderns. Um die Alpen in Nord-Süd-Richtung komplett zu überqueren, benötigt man mindestens drei Wochen Zeit. Genügend Kondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind unabdingbar. Die bekanntesten Routen führen von München nach Venedig und von Oberstdorf nach Verona. Genauso beeindruckend, aber weniger überlaufen ist die Alpenüberquerung Salzburg – Triest, die ich in den letzten Jahren ausgearbeitet und in einem Wanderführer beschrieben habe. Auf den Blogs BergReif und TrekkingTrails werden die wichtigsten Alpenüberquerungen (und Touren, die sich nur so nennen) vorgestellt.

Was davon hast Du schon ausprobiert oder möchtest Du ausprobieren? Hast Du weitere Wandervorschläge für Wandermuffel?
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Hi Christof,
du hast mich erwischt, ich bin kein großer Wanderer, noch nicht, obwohl ich gerne draußen an der frischen Luft bin. Ich habe mich tatsächlich gerade bei einer der 24-h-Wanderungen angemeldet. Und eine Nachtwanderung möchte ich auch bald mit Freunden machen.
Lg, AndreA